Themenwoche Europawahl (5): Experte Dirk Peters

Warum die EU der falsche Rahmen für eine neue Militärorganisation ist

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Experte Dirk Peters schreibt in Kirche+Leben über militärische Herausforderungen, das Friedensprojekt Europa und die Rolle der Kirchen. Er sagt: Die NATO von den USA weniger abhängig zu machen, verspricht mehr Erfolg, als innerhalb der EU eine neue Militärorganisation aufzubauen.

Der russische Angriff gegen den EU-Nachbarn Ukraine hat die Diskussion über Sicherheit und Frieden in der EU grundlegend verändert. Viele treibt nun die Frage um, ob Europa vor einer weiteren russischen Aggression sicher ist, und was die EU zur militärischen Sicherheit ihrer Mitglieder beitragen kann. Diese Fragen sind umso dringlicher, als ein Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl bedeuten könnte, dass bald nicht nur die Ukrainer, sondern die Europäer insgesamt militärisch auf sich allein gestellt sind.

Allerdings darf bezweifelt werden, ob die EU der richtige Rahmen ist, die militärische Verteidigung Europas zu organisieren. In den vergangenen 25 Jahren hat sie es trotz mehrerer Anläufe nicht einmal geschafft, für kleinere Auslandseinsätze wie Evakuierungsaktionen eine wirklich schlagkräftige Eingreiftruppe aufzustellen.

Keine europäische Armee

Mit der NATO verfügen die Europäer schon über ein Verteidigungsbündnis. Die NATO von den USA weniger abhängig zu machen, verspricht mehr Erfolg, als innerhalb der EU eine neue Militärorganisation oder gar eine europäische Armee aus der Taufe zu heben.

Doch die EU wird in den kommenden Jahren nicht nur mit militärischen Bedrohungen konfrontiert sein. Ihre außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen reichen sehr viel weiter.

Die Bedrohungen der EU

Themenwoche zur Europawahl:
Zur Europawahl blickt Kirche+Leben auf fünf Kernfragen zur gesellschaftlichen Entwicklung in der Europäischen Union. Expertinnen und Experten erörtern, wie sich die Situation in verschiedenen Bereichen darstellt und welche Chancen und Risiken es gibt. In Folge eins: der Arbeitsmarkt.

Schon vor Beginn des Krieges hat die EU in ihrem „Strategischen Kompass“ zahlreiche Bedrohungen aufgelistet. Sie reichen von der Instabilität auf dem Balkan, im Nahen Osten und in Afrika über Desinformationskampagnen in Europa bis hin zum globalen Klimawandel.

Hier wiederum ist die EU weitaus besser aufgestellt als die NATO. Denn diese Bedrohungen können beispielsweise durch rechtliche Regeln, durch Wirtschafts- und Handelspolitik oder durch Entwicklungszusammenarbeit besser bekämpft werden als mit Soldatinnen und Soldaten.

Die EU braucht eine positive Vision

Die EU wollte aber immer mehr als nur äußere Bedrohungen bekämpfen. Sie war ein Friedensprojekt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten aus „Erbfeinden“ Partner werden, nach dem Ende des Kalten Kriegs Ost und West zusammenwachsen.

Will die EU ein Friedensprojekt bleiben, braucht sie auch heute mehr als den Blick aufs Militärische und auf die Abwehr von Bedrohungen. Sie braucht eine positive Vision. Wie könnte jenseits von Abschreckung die Welt so gestaltet werden, dass Staaten ihre Gegensätze akzeptieren und friedlich gemeinsam globale Probleme bewältigen?

Der Beitrag der Kirchen

In den 1980er Jahren haben sich die Kirchen in Ost- und Westdeutschland als starke Stimmen in diesen Fragen positioniert. Hier haben sie auch 40 Jahre später wieder ein wichtiges Betätigungsfeld.

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