Vorhaben richtet sich vor allem gegen Orthodoxie des Moskauer Patriarchats

Ukraine will moskautreue Kirchengemeinden per Gesetz verbieten

  • Die ukrainische Regierung will aus Russland gelenkte Glaubensgemeinschaften per Gesetz verbieten.
  • Der Moskauer Kreml sprach von einer Verletzung der Religionsfreiheit.
  • Der griechisch-katholische Großerzbischof warnte, ein Verbot der Moskauer Orthodoxie gebe dieser eine Art Märtyrerstatus.

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Die ukrainische Regierung will aus Russland gelenkte Glaubensgemeinschaften verbieten. Sie beantragte daher im Parlament eine Änderung von zwei Gesetzen, teilt der Vertreter des Ministerkabinetts, Taras Melnytschuk, per Messengerdienst Telegram mit.

Das könnte zur Zwangsauflösung von Klöstern und Gemeinden der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) führen, der Kollaboration mit russischen Kräften und Kreml-Propaganda vorgeworfen wird. Die Gesetze über Gewissensfreiheit sowie über die Registrierung von juristischen Personen und öffentlichen Organisationen sollen künftig Religionsgemeinschaften ausschließen, "deren Leitungszentrum (Verwaltung) sich außerhalb der Ukraine in einem Staat befindet, der eine bewaffnete Aggression gegen die Ukraine durchführt".

Moskaunahe Kirche hatte sich für unabhängig erklärt

In den vergangenen Monaten hatten mehrere Regional- und Kommunalparlamente ein UOK-Verbot gefordert. Einige ihrer Geistlichen wurden bereits wegen Kollaboration vor Gericht gestellt und zu Haft verurteilt, gegen rund 50 weitere wird ermittelt.

Das Kirchenoberhaupt der UOK, Metropolit Onufri, verurteilte hingegen den russischen Angriff auf die Ukraine scharf. Zudem erklärte die Kirche sich im Mai für unabhängig vom Moskauer Patriarchat. Diese Lossagung von Patriarch Kyrill, einem Verbündeten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wird jedoch von der Kiewer Regierung angezweifelt.

Zwei orthodoxe Kirchen in der Ukraine

In der Ukraine bestehen zwei orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und orthodoxen Ehrenoberhaupts Bartholomaios I. gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU). Sie ging aus zwei Konfessionen hervor, die sich bereits vor Jahrzehnten vom Moskauer Patriarchat getrennt hatten.

Melnytschuk erklärte, der Änderungsvorschlag habe das Ziel, "die spirituelle Unabhängigkeit sicherzustellen, eine Spaltung der Gesellschaft nach religiösen Merkmalen zu verhindern, die Konsolidierung der ukrainischen Gesellschaft zu fördern und nationale Interessen zu schützen". Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Regierung im Dezember beauftragt, einen solchen Gesetzentwurf auszuarbeiten und dem Parlament vorzulegen.

Komplettverbot nicht möglich

Der Wortlaut des Entwurfs wurde zunächst nicht veröffentlicht. So ist bisher unklar, ob Gerichte oder Behörden ein Verbot von religiösen Organisationen anordnen sollen.

Die UOK könnte allerdings nicht ganz verboten werden. Sie ist im Gegensatz zu Religionsgemeinschaften in Deutschland keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern alle rund 12.000 Kirchengemeinden und jedes Kloster sind einzeln beim Staat registriert.

Kritik aus Moskau, Skepsis bei katholischem Bischof

Der Kreml kritisiert das geplante Gesetz als Verletzung der Religionsfreiheit. Im Auftrag der russischen Regierung beschuldigte ein ranghoher Bischof des Moskauer Patriarchats per Videoschaltung vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Ukraine, die UOK "vernichten" zu wollen.

Der griechisch-katholische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk distanzierte sich von der Verbots-Idee. "Es ist wichtig zu verstehen, dass das Verbot einer Kirche nicht das Ende ihrer Existenz bedeutet", sagte er dem Nachrichtenportal "Ukrajinska Prawda". Solange es in der Ukraine Menschen gebe, die sich an der Moskauer Orthodoxie orientierten, solange werde es diese Kirche geben, auch wenn sie illegal wäre. "Wenn wir sie verbieten, geben wir dieser Kirche die Märtyrerpalme in die Hand", warnte Schewtschuk.

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