Zwischen Weihnachten und Weltuntergang

Und wenn Jesus morgen vor der Tür stünde?

Was, wenn Gott unser Gebet „Dein Reich komme“ erhörte und tatsächlich käme? Nicht irgendwann, sondern dieser Tage? Als große Advents-Überraschung?

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Was, wenn Gott unser Gebet „Dein Reich komme“ erhörte und tatsächlich käme? Nicht irgendwann, sondern dieser Tage? Als große Advents-Überraschung?

Sie können von Glück reden, dass Sie diese Zeilen lesen! Nicht des Inhalts wegen, sondern ausschließlich aus dem Grund, dass Sie offenkundig noch am Leben sind. Denn eigentlich sollte vor elf Wochen die Welt untergehen. Genauer gesagt: am 23. September. An dem Tag nämlich, so haben es irgendwelche „Experten“ herausgefunden, würde sich der mysteriöse Planet Nibiru in die Erdkugel bohren. Das hätte vermutlich nicht nur viel Radau gemacht und ordentlich Staub aufgewirbelt, sondern schlichtweg unserem Heimatplanet den Garaus bereitet. Ende Gelände.

Letztlich stellte sich heraus, dass es „Nibiru“ gar nicht gibt, die Nasa sprach recht unwissenschaftlich von „Nonsense“ – und die Erde dreht sich brav weiter. Daran änderten schon frühere Vorhersagen nichts, denen zufolge der Weltuntergang für den 21. Dezember 2012 vorgesehen war – weil dann angeblich der Maya-Kalender endete.

 

Was denn, heute?

 

Diese Dame warnte 2011 in Los Angeles, es wären noch 57 Tage bis zum Tag des GerichtsHurra, wir leben noch! Diese Dame warnte 2011 in Los Angeles, es wären noch 57 Tage bis zum Tag des Gerichts – „100 Prozent biblisch!“ | Foto: Markus Nolte

Ein amerikanischer Radioprediger, der zudem Bauingenieur war, verkündete das Ende von allem schon für den 21. Mai 2011, spätestens den 21. Oktober 2011. So hatte er das aus diversen Zahlenangaben in der Bibel zusammengerechnet. Die Folge: Viele seiner Anhänger spendeten ihr Vermögen an diesen Herrn namens Harold Camping, brachen ihre Zelte ab, kündigten Miet- und Arbeitsverträge, verließen ihre Partner. Mister Camping hatte spätestens am 22. Oktober 2011 ein ernsthaftes Problem, erlitt einen Schlaganfall und verkündete das Ende – diesmal seiner Unheilsvorhersagen.

Was aber, wenn es wirklich so weit ist? Wenn vielleicht nicht gleich der Weltuntergang, aber immerhin Jesus vor der Tür stünde: „Guten Tag, da bin ich wieder, du hattest ja nahezu täglich darum gebetet?“ Dann wird man sich womöglich an die Vaterunser-Bitte „dein Reich komme“ erinnern, aber sich darüber hinaus doch wohl kräftig die Augen reiben und denken: Was denn, heute? Ganz schlecht!

 

Keine Terminangabe fürs jüngste Gericht

 

Vermutlich wird Jesus nicht von Tür zu Tür gehen und klingeln, wenn er wiederkommt. Aber dass er wiederkommt – das ist der Kern des Advents. Nicht nur die heimelige Erinnerung an den süßen Jesusknaben damals in der Krippe. Nicht nur – ernsthafter, jetzt – die Menschwerdung Gottes vor den Toren von Bethlehem. Sondern auch, dass er „kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten“. So steht es im Glaubensbekenntnis.

Allerdings ohne Terminangabe. Noch scheint es nicht so weit zu sein. Aber angefangen hat das alles schon längst. Zwischen „schon“ und „noch nicht“ leben wir, wie man sagt. Das Reich Gottes ist angebrochen, längst.

 

Gelassenheit und Leidenschaft

 

Und die Haltung der Christen sollte nicht sein, voller Angst aufs Ende zu schauen, Punkte zu sammeln für die große Endabrechnung, sondern an diesem Reich mitzubauen. Die Haltung der Christen sollte die „Gelassenheit des Beschenkten“ sein, verbunden mit der „Leidenschaft für das Mögliche“, schreibt der Theologe Medard Kehl dazu.

Doch warnt er auch vor der panischen Angst, „alles, auch die umfassende Versöhnung der Wirklichkeit, selbst herstellen zu wollen und zu können“. Stattdessen zitiert Kehl ein Gebet von Kardinal Roger Etchegaray: „Lehr mich vorwärts schauen und Gestriges nicht für Zukunft zu erachten. Lehr mich, täglich Neues mit Dir zu schaffen und nicht am breitgetretenen Weg die welken Blumen zu pflücken.“ Und dann komme, was wolle. Gott befohlen!

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