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Wer sich für die Geschichte der Bibel interessiert, kommt am Bibelmuseum in Münster nicht vorbei: Der weltweit beachtete Ausstellungsort zeigt in einer Sonderschau erstmals griechische neutestamentliche Papyri des dritten und vierten Jahrhunderts.
Gleich drei Jubiläen stehen im Mittelpunkt der neuen Ausstellung im Bibelmuseum der Universität Münster: Das Institut für Neutestamentliche Textforschung (INTF) der Universität wird 65 Jahre. Finanziell unterstützt wird das INTF durch die Hermann-Kunst-Stiftung, die vor 60 Jahren gegründet wurde. Das Bibelmuseum der Universität Münster wurde schließlich vor 45 Jahren eröffnet.
„Das ist für uns ein guter Anlass, neue einzigartige Zeugnisse der Heiligen Schrift zu präsentieren“, sagt der Leiter des Bibelmuseums und Direktor des INTF, Professor Holger Strutwolf.
Papyri-Fragmente aus dem 3. Jahrhundert
Die Jubiläums-Ausstellung unter dem Titel „Kritische Analyse Heiliger Texte“ gibt Einblicke in die neutestamentliche Textforschung mit ihrer jahrhundertelangen Genese von handschriftlichen Analysen, den aufwendigen Forschungsreisen bis zur IT-gestützten Forschung der heutigen Zeit. Etwa hundert Exponate beleuchten die Geschichte des „Buchs der Bücher“, darunter Papyri-Fragmente des 3. und 4. Jahrhunderts, die erstmals zusammen in Münster zu sehen sind, und die handschriftlichen Jeremia-Anmerkungen von Martin Luther aus dem Jahr 1530.
Zu den ausgesuchten Kostbarkeiten der Schau gehören beispielsweise ein Faksimile des Codex Sinaiticus, der ältesten vollständig erhaltenen Abschrift des Neuen Testaments. Entdeckt wurde der Codex 1844 von dem deutschen Philologen Konstantin von Tischendorff während seiner Forschungsreise zum Katharinenkloster auf dem Berg Sinai.
Urtext des Neuen Testaments
Professor Kurt Aland (1915-1994), Gründer des INTF und des Bibelmuseums, machte das münstersche Institut zu einem der bekanntesten wissenschaftlichen Hotspots für die Erforschung des griechischen Urtextes des Neuen Testaments. Hier entsteht in immer wieder aktualisierten Auflagen die „Editio Critica Maior“, der „Nestle-Aland“ und das „Greek New Testament“. Diese bilden die Grundlagen für Bibelübersetzungen weltweit, für die Ausbildung von Theologinnen und Theologen und für die theologische Forschung.
„Unser Hauptziel ist es, in Kenntnis des gesamten heute verfügbaren Materials ein Bild von der Textgeschichte zu gewinnen und auf dieser Basis den Ausgangstext der neutestamentlichen Überlieferung zu rekonstruieren“, erklärt der Kustos des Bibelmuseums, Jan Graefe. Das Fehlen oder der Zusatz eines einzigen Buchstabens könne den Sinn eines Bibelverses verändern.
5.000 Handschriften dokumentiert
Wie Holger Strutwolf erwähnt, sind heute etwa 5700 Handschriften bekannt, die den Text des Neuen Testaments oder Teile davon enthalten. Diese werden im INTF in Münster ausgewertet. Die neutestamentliche Textforschung versucht auf wissenschaftliche Weise, den Ausgangstext der biblischen Schriften, den so genannten Urtext, zu rekonstruieren.
Rund 5.000 Handschriften sind in den Datenbanken des INTF fotografisch dokumentiert und wissenschaftlich erfasst. So gelang es, mit den Ausgaben „Nestle-Aland“ und später auch dem „Greek New Testament“ zwei Handausgaben zu entwickeln, die heute weltweit in Forschung und Lehre genutzt werden.
Luther-Bibel mit Widmung
Das in der Nähe des Domplatzes an der Pferdegasse 1 in Münster gelegene, 1979 eröffnete Bibelmuseum zeigt rund 1.500 Exponate. Diese veranschaulichen, wie sich die Bibel und ihre textliche Überlieferung im Lauf der Zeit entwickelt haben. Zu den Höhepunkten der Sammlung zählt eine Lutherbibel mit Widmung des Reformators aus seinen letzten Lebenstagen.
Das international vernetzte Forscherteam am INTF sieht seine Arbeit noch lange nicht beendet: Gefragt sei weiterhin der detektivische Spürsinn der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie der genaue Wortlaut des griechischen Neuen Testamentes ursprünglich ausgesehen habe, sagt der Leiter des Bibelmuseums: „In diesem Sinn sind wir Detektive an Gottes Wort. Die Suche nach dem ‚Urtext‘ geht weiter.“
Freier Eintritt ins Museum
Die Frage nach dem Urtext stelle sich deshalb, weil alle 27 originalen Handschriften der 27 neutestamentlichen Bücher verlorengegangen seien. Es seien nur Abschriften aus späteren Jahrhunderten erhalten, die erhebliche Differenzen aufwiesen. Gründe dafür seien Fehler bei der Abschrift oder unterschiedliche Interpretationen des Textes.
Geöffnet ist das Bibelmuseum dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, an jedem zweiten Freitag im Monat bis 22 Uhr. Der Eintritt ist frei. Die Jubiläums-Ausstellung ist bis zum 29. September 2024 zu sehen.