Themenwoche „Kirche am Strand“ (2) - welche Rolle die Kirchenkrise spielt

Urlauberkirche Wangerland - Bratke: Urlauber wollen über Frust sprechen

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Menschen, die nach Schillig oder Hooksiel kommen, suchen Ruhe und Entspannung an der Nordseeküste. Und wenn sie bei der St.-Marien-Kirche zufällig den Pfarrer treffen, reden sie sich auch schon mal ihre Enttäuschung über die Lage der Kirche von der Seele.

„Macht es Ihnen heute noch Freude, katholisch zu sein?“ Der Mann, ein Urlauber in T-Shirt und kurzer Hose, schaut mit großen Augen, als Lars-Jörg Bratke ihn so fragt, schüttelt den Kopf und erzählt von den Fragen und Zweifeln der letzten Zeit. Zum Beispiel von seinem Sohn, der aus der Kirche ausgetreten ist, und warum er ihn verstehen kann. Er schüttelt den Kopf. Nein, einfach sei sie nicht, die Sache mit der Freude.

„Solche Gespräche führe ich in letzter Zeit öfter“, sagt der Pfarrer der St.-Marien-Gemeinde in Schillig. Mit Urlaubern, um die er sich in der Ferienregion Wangerland kümmert, aber auch mit Gemeindemitgliedern. Bei Begegnungen nach dem Gottesdienst, im Pfarrhaus, nach Tauffeiern. Er erzählt von der Erzieherin, die in Schillig Urlaub macht und daheim nicht mehr zur Kirche geht, oder von dem Mann aus dem Nachbarort, der die Kirche verlassen hat. „Für ihn war das Maß voll. Weil er nicht gesehen hat, dass sich etwas bewegt.“ Auch er als Pfarrer habe keine Chance gehabt, dagegenzuhalten. „Ich fand das sehr schade.“

Zweifel nagen auch an ihm selbst

Pfarrer Lars-Jörg Bratke und Theodor Söbbeke.
Pfarrer Lars-Jörg Bratke und der Vorsitzende des Kirchenausschusses Theodor Söbbeke bei den Vorbereitungen des Kirchenzelts in Schillig. | Foto: Michael Rottmann

Manchmal nagen die Zweifel auch an ihm selbst. Der Pfarrer der St.-Marien-Gemeinde in Schillig spricht es offen aus: „Ich habe mir noch nie so oft wie in den zurückliegenden Monaten die Frage gestellt, ob ich das hier weitermachen soll.“ Aber es gebe eben auch ein Andererseits: „Ich wüsste einfach nicht, was ich lieber machen würde, als Priester zu sein.“

Immerhin habe er in letzter Zeit auch manch gute Erfahrung machen können. Lars-Jörg Bratke schwärmt etwa von einem musikalisch besonders gestalteten Pfingstgottesdienst. „Wo ich die Schönheit des Glaubens gespürt habe. Und auch die Sehnsucht der Menschen, dieser Schönheit auf die Spur zu kommen.“ Oder von dem musikalisch-spirituellen Angebot zu später Stunde. „Nach(t)klang“ heißt das Ganze. Mit Musik von der französisch-romantischen Orgel der Marienkirche. „Dazu kommen montagsabends um 22 Uhr schon mal 60 Menschen, auch viele junge Leute.“

Ökumenische Sommerkirche mit 160 Angeboten

Die Termine dafür finden Gäste auch im Programm der „Ökumenischen Sommerkirche Horumersiel-Schillig“. Lars-Jörg Bratke und seine evangelische Kollegin Pastorin Sabine Kullik haben dazu in diesem Jahr wieder katholische und evangelische Angebote der Urlauberseelsorge gemeinsam veröffentlicht. Rund 160 sind es insgesamt: katholische und evangelische Gottesdienste, Vorträge, Konzerte, Andachten, Morgengebete, Wanderungen. Fast täglich von Mitte Juni bis zum Saison-Ende Anfang September.

Die Saison dauert aber länger, viel länger. „Die Gäste kommen öfter, aber kürzer“, sagt der Pfarrer. „Wir sind bei einem Durchschnitt von fünf oder sechs Nächten.“ Zwei oder drei Wochen Urlaub am Stück? Das gebe es kaum noch. Er zuckt mit den Schultern: „Wenn eine Ferienwohnung um die 100 Euro am Tag kostet, dann kann man sich ausrechnen, was es kostet, wenn man 21 Tage bleiben wollte.“

Schade um den Einsatz der ehrenamtlichen Teams

Die 2012 geweihte Marienkirche.
Die 2012 geweihte St.-Marien-Kirche. | Foto: Michael Rottmann

Dafür ist von Ostern bis Oktober Hauptsaison. Und Weihnachten noch einmal: Über die Jahreswende an die Nordsee – wer sich das im September überlegt, habe bei der Quartiersuche keine Chance mehr. Das spürt Lars-Jörg Bratke in der Kirche. „Die Gottesdienste sind sehr gut besucht.“ Bisher jedenfalls. Er hofft deshalb, dass das letzte Juni-Wochenende nur Zufall und kein Trend war. „Es waren nur etwa die Hälfte der Besucher in der Sonntagsmesse, die sonst im Sommer kommen.“ Aber die Saison fange ja erst an.

Seit Anfang Juli sind auch die ersten Teams der Urlauberseelsorge da. Nach zwei Jahren zum ersten Mal wieder. In Schillig und auch am Standort auf dem Campingplatz in Hooksiel. Insgesamt sechs Teams kommen dieses Jahr, um ehrenamtlich ein Programm für Urlauber zu organisieren.

Um sie und ihre Einsatzbereitschaft tut es ihm besonders leid. „Auf dem Hintergrund von Negativ-Schlagzeilen geht so viel verloren von dem Blick auf die segensreichen Dinge, die Kirche auch ausmachen. Wo sich Ehrenamtliche engagieren, in Hospizen, in Kindergärten. Und eben auch die Teamer, die sich ehrenamtlich auf den Campingplätzen einsetzen.“

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