Das beliebte Angebot von St. Willehad begeistert auch in diesem Sommer

Wangerooge: So läuft die Urlauberseelsorge trotz Corona

Für die Osterwochen hatte Pfarrer Egbert Schlotmann den ehrenamtlichen Helfern absagen müssen. In den Sommerferien sind zwischen Strand und St.-Willehad-Kirche wieder Teams in Einsatz. Voller Tatendrang, aber mit Respekt vor dem Virus.

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Die Sonne scheint so blau wie immer, Möwen jagen schreien über den Sandstrand. Zwischen den Strandkörben riecht es nach Pommes und Sonnencreme. Ein Dreikäsehoch zieht an der Hand seiner Oma mit einem Kescher Richtung Wasser. Ein Sommer wie immer auf Wangerooge - so scheint es, als gegen Mittag die Schlange vor einer Imbissbude am Café Pudding, einem der Wahrzeichen der Insel, immer länger wird. Ungewohnt ist dabei nur der deutliche Abstand, den die meisten Wartenden von einander halten.

Ja, die Sorge vor einer Corona-Ansteckung ist auch auf der einzigen Nordseeinsel im Bistum Münster zu spüren. Natürlich gelten auch hier die jeweils aktuellen Verordnungen zur Maskenpflicht, schon auf der Inselfähre oder in der kleinen Propellermaschine, die unermüdlich jeweils acht Passagiere zwischen Harlesiel und Insel hin und her karrt. Passanten auf der Inselpromenade weichen einander eine Spur weiter aus als sonst. Und auch die Arbeit der Urlauberseelsorge rund um die St.-Willehad-Kirche am Ostrand des Ortes ist anders als üblich.

 

Strand-Olympiade mit Desinfektionsmittel

 

Zu erkennen ist das nicht nur an der Maskenpflicht, die innerhalb der Gebäude gilt und an die sich alle in den Ehrenamtlichen-Teams der Urlauberseelsorge peinlich genau halten. Da sind zum Beispiel auch die Schilder, die in der Kirche die verfügbaren Plätze kennzeichnen, immer mit genügend Sicherheitsabstand zum Neben- und Vordermann. Und auf dem Bollerwagen mit dem Material für die Strand-Olympiade findet sich in diesem Jahr selbstverständlich immer auch eine Sprühflasche mit Desinfektionsmittel.

Insgesamt sind in der Zeit vom 25. Juni bis zum 3. September nacheinander vier Teams im Einsatz. Die zehn Helfer vom „Team 2“ sind am 9. Juli gekommen und bleiben noch bis zum 28. Juli. Und alle wollen in Zeiten von Corona das Beste aus Situation machen.

 

Möglichst viele Angebote draußen

 

„Wir versuchen zum Beispiel, möglichst viele draußen anzubieten“, erklärt Anne Nöcker. Die 47-jährige Krankenschwester aus Ascheberg ist mit ihrem Sohn Johannes und Nichte Charlotte dabei. „Kleinere Veranstaltungen verlegen wir nach Möglichkeit in die Kirche“, erklärt sie. „Weil da einfach mehr Abstand möglich ist. Der Gruppenraum im Haus Ansgar wäre bei den geltenden Abstandsregeln mit sieben Teilnehmern ja schon voll.“

Im Haus Ansgar wohnen die Team-Mitglieder. Normalerweise wäre in den 15 Zimmern Platz für bis zu 20 Helfer, dieses Mal sind es zehn. Das liegt zum einen an den noch im Juni geltenden Corona-Vorschriften für Beherbergungsstätten, die danach nur die Hälfte iher Plätze belegen durften.

 

Manche Angebote wurden neu konzipiert

 

Mittlerweile dürften zwar wieder mehr Gäste kommen. „Aber dann würde es wegen der Abstandsregeln allein schon im Speiseraum ziemlich eng werden“, sagt Anke Bartel. Die 58-Jährige aus Limburg ist schon zum wiederholten Mal im Team dabei. Die anderen kommen aus Braunschweig, Hamburg, Hennef, Ascheberg und Beckum, eine bunt gemischt Truppe.

Auch andere Dinge haben die Helfer wegen Corona neu konzipiert. Anne Nöcker erklärt: „Lesen im Schein der Kerze“, abends im Strandkorb mit vielen Kindern drum herum, „das geht natürlich in diesem Jahr nicht. Also haben wir daraus ein Bilderbuchkino in der Kirche gemacht, bei dem die Kinder dort mit Abstand voneinander auf dem Schoß ihrer Eltern sitzen können.“

 

Muscheln für die Kirchenbesucher

 

Auch die Insel-Olympiade für Familien läuft anders ab als üblich. Johannes Nöcker hat sie mit den anderen Jugendlichen vorbereitet. „Wir haben das jetzt so umorganisiert, dass alles auf Abstand möglich ist, fast ohne Utensilien, die wir desinfizieren müssen und trotzdem mit viel Spaß für alle.“ Das nötige Knowhow bringt der 15-Jährige aus dem Ferienlager der Ascheberger St.-Lambertus-Pfarrei mit. Eigentlich wäre er in diesem Sommer auch wieder dabei gewesen. Aber wegen der Pandemie ist es ausgefallen.

Vor den Gottesdiensten verteilen die Helfer selbstgesammelte Muscheln an die Teilnehmer. Ist die letzte der knapp 50 Muscheln ausgegeben, sind alle coronabedingt verfügbaren Plätze in den Bänken belegt. Normalerweise ist dort Platz für 300 Teilnehmer. Wer später kommt, kann durch weit geöffneten Flügeltüren vom Innenhof aus an der Feier teilnehmen. „Viele suchen sich aus Angst vor Ansteckung auch gleich einen Platz auf einem der dort aufgestellten Klappstühle“, sagt Anne Nöcker.

 

Corona auch im Fürbittbuch

 

Auch im Fürbittbuch in der Kirche finden sich Hinweise auf Corona. „Beschütze mein Leben. Lass die Krise schnell vorübergehen“, hat jemand hinein geschrieben. „Jetzt haben wir Corona überstanden und stehen besonders dankbar in dieser schönen Kirche“ etwas voreilig ein anderer. Auch auf dem Tisch mit dem Buch steht eine Flasche mit Desinfektionsmittel.

Manches ist anders, an der Vielfalt des Programms haben die Teams aber nicht gekratzt. Jeder Tag beginnt um halb acht mit einem „Einklang“ in der Kirche. Morgens folgen Angebote wie Meditationen, eine Insel-Rallye für Familien oder Achtsamkeitsübungen am Strand. Vor dem Mittagessen steht ein kurzer Mittagsimpuls, nachmittags weitere Aktionen, abends ein Gottesdienst, der auch mal am Strand oder anderen ungewöhnlichen Orten gefeiert wird, und danach folgt noch ein Angebot zum Ausklang des Tages.

 

Flyer sind nicht überall gern gesehen

 

Infos darüber hängen an zentralen Orten der Insel aus, sind übers Internet abrufbar oder erscheinen im Kalender der Kurverwaltung und in den Infoblättern des Tourismusbüros. Infoflyer in Gästehäusern auszulegen, wird allerdings in diesem Jahr nicht überall gern gesehen, wegen der befürchteten Infektionsgefahr.

Hat die Nachfrage nach dem Angebot der Urlauberseelsorge wegen Corona nachgelassen? Im Gegenteil, meinen die ehrenamtlichen Teamer. Wohl auch wegen mangelnder Konkurrenz. „Es gibt im Moment wenig andere Angebote“, sagt Pfarrer Egbert Schlotmann. „Vieles fällt wegen Corona aus.“ Davon profitiert die katholische Urlauberseelsorge. Zu einem Rollenspiel für Jugendliche zum Beispiel waren am Vorabend fast 30 Teilnehmer gekommen. „Mit so vielen hatten wir nicht gerechnet“, freut sich Johannes Nöcker.

 

Jahresurlaub für die Arbeit im Team

 

Haben die ehrenamtlichen Teamer einen Moment lang wegen Corona gezögert, nach Wangerooge zu kommen? „Anfangs schon“, sagt Anke Bartel, „weil mein Mann zur Risikogruppe gehört. Aber ich bin als Lehrerin ja auch mit vielen Menschen in Kontakt. Und da habe ich dann doch zugesagt.“ Auch weil es trotz aller Arbeit so viel Freude mache. Und das nicht nur ihr. Einige setzen einen Teil ihres Jahresurlaubs für die Mitarbeit ein. Anne Nöcker zum Beispiel baut in ihrem Einsatz Überstunden ab, die sie bei ihrer Arbeit in einem Hospiz aufgebaut hat.

Gaby Stegmann hat nicht einen Moment gezögert. „Ich war in meinem Beruf wegen Corona ziemlich kaltgestellt“, sagt die 58-jährige Gemeindereferentin aus dem Bistum Mainz. In der Schule und der Kita, in der sie tätig ist, konnte sie wegen Corona wochenlang nicht arbeiten. „Ich habe mich danach gesehnt, etwas tun zu können.“

 

„Das tut mir in der Seele weh“

 

Alle hoffen, dass Normalität möglichst bald wieder möglich sein wird. „Wir als Inselgemeinde leben ja von der Urlauberseelsorge“, sagt auch Elke Sierhaus, die in der Gemeinde für die Finanzen verantwortlich ist. „Da tut mir die derzeitige Lage in der Seele weh. Und wir wissen ja nicht, wie lange die Unsicherheit noch andauert.“

Dessen ist sich auch Pfarrer Schlotmann bewusst. Er hatte vor Ostern die Zeit mit einem andauernden Karsamstag verglichen. „Karsamstag ist es nicht mehr, Ostern aber auch noch nicht.“ Dafür sei trotz aller Lockerungen noch zu viel Unsicherheit zu spüren. Für ihn ist wichtig, dass die Inselgemeinde alles Mögliche an Vorsorge getan habe und dennoch ein Angebot für Urlauber bieten könne, die hier bewusst in Gottesdienste kommen, wie sie sie bei sich zu Hause nicht erleben. Und dieses Angebot soll es auch in der Coronazeit weiter geben.“

 

Urlauberseelsorge an der Nordsee
Außer Wangerooge gibt es an der Nordseeküste des Bistums Münster zwei weitere Zentren der Urlauberseelsorge: das Wangerland und Butjadingen.  Sie haben unterschiedlich auf die Corona-Krise reagiert:
Wangerland: Schillig und Hooksiel
In Schillig existiert ein Angebot der Urlauberseelsorger seit 1979. Die Kirche am Meer dort liegt direkt neben einem der größten Campingplätze an der deutschen Nordseeküste. Zur Gemeinde gehört auch die St.-Ansgar-Kirche in Hooksiel. Normalerweise wohnen die Teams der Urlauberseelsorge in besonderen Campingwagen auf dem Campingplatz. In diesem Jahr verzichtet Schillig wegen der Corona-Pandemie jedoch auf die angereisten Seelsorge-Teams. „Die Team-Mitglieder stammen aus unterschiedlichen Haushalten, und in den Wohnwagen ist es einfach zu eng, als dass man die geforderten Mindesabstände einhalten könnte. Deshalb haben wir schweren Herzens absagen müssen“, erklärt Pfarrer Lars Bratke. Das bedeute aber nicht, dass es kein Angebot für Urlauber gebe. „Wir machen so viel möglich, wie möglich ist“, so der Pfarrer. Er arbeitet dafür eng zusammen mit Pfarrerin Sabine Kullik von der evangelischen Gemeinde. Zum Programm gehören zum Beispiel Morgenandachten an besonderen Orten, Pilgergottesdienste, Strandkorbsegen, Wattgottesdienste, Lichterandachten in den Salzwiesen oder besondere Kirchenführungen. Außerdem hält die Gemeinde in den Gottesdiensten, zu denen man sich eigentlich vorher anmelden muss, immer 10 bis 15 der insgesamt 45 Sitzplätze frei für gerade neu angekommene Touristen, die sich spontan für einen Gottesdienstbesuch interessieren.

Butjadingen: Tossens und Burhave
In Butjadingen hält Diakon Christoph Richter als Leiter die Urlauberkirche mit Hilfe von Familien-Teams am Laufen, allerdings coronabedingt anders als üblicherweise. Unter dem Motto „Kirchenzelt to go“ können sich Touristen an den Zelten der Urlauberkirche den auf Campingplätzen in Burhave und Tossens morgens ab 10.30 Uhr vorbereitete Tütchen mit Bastelmaterial, anregenden Texten, Hinweisen des Bistums, Spielideen und einer Gute-Nach-Geschichte abholen, von montags bis freitags. „So kann das, was eigentlich in und vor den Zelten hätte stattfinden sollen, immerhin in den Familien passieren“, so der Diakon der St.-Willehad-Pfarrei Nordenham, auf deren Gemeindegebiet die Urlauberseelsorge stattfindet. Ein besonderer Treffpunt ist außerdem die „Oase“ in Tossens, ein Mehrzweck-Gebäude, in dem während der Urlaubszeit samstags abends Gottesdienste gefeiert werden und donnerstags unter dem Titel „Atempause“ auch kulturelle Veranstaltungen wie Vorträge oder kleine Konzerte stattfinden können. Gottesdienstbesucher sind außerdem eingeladen, einen Stein zu bemalen und in eine Steinkette zu legen, die am Ende rund um die Oase führen soll. Den Standort auf dem Campingplatz in Burhave hat die Katholische Urlauberkirche in diesem Jahr zusätzlich übernommen. Er war frei geworden, weil die evangelische „Kirche unterwegs“ ihn nicht nutzen wollte. Die Familien-Teams sind untergebracht in Wohnwagen bei den Kirchenzelten, die das Offizialat der Gemeinde für die Urlauberseelsorge finanziert hat. Das Kirchenzelt-Angebot läuft in Tossens bis zum 7. August und in Burhave bis zum 21. August.

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