In NRW herrscht aber anderes politisches Klima als in Bayern

Experte: Urteil gegen Kirchenasyl-Aktivistin kann Engagierte abschrecken

  • Das Urteil gegen eine Ordensfrau aus Oberzell wegen der Gewährung von Kirchenasyl könnte abschreckende Wirkung auf Pfarreien und Ordensgemeinschaften haben.
  • Benedikt Kern vom Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW sieht durch die politische Situation in Nordrhein-Westfalen keinen Grund zur Angst vor Klagen.
  • Wichtig sei es aber, eine breite Öffentlichkeit gegen die Kriminalisierung des Kirchenasyls zu formen.

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Nach dem Urteil gegen die Ordensschwester Juliana Seelmann hofft Benedikt Kern vom Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW, dass sich die Engagierten in den Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften nicht zusätzlich unter Druck gesetzt fühlen. Die Franziskanerin aus Oberzell war Anfang Juni vom Amtsgericht Würzburg wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt durch Kirchenasyl zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Sie hatte zwei Nigerianerinnen im Kirchenasyl vor der Abschiebung geschützt, denen in ihrer Heimat die Zwangsprostitution gedroht hätte.

Direkte politische Auswirkungen des Urteils auf die Arbeit des Netzwerks wird es laut Kern nicht geben. „In Bayern weht ein anderer Wind in der Asylpolitik als in Nordrhein-Westfalen.“ Das Vorgehen dort sei „speziell“, immer wieder werde versucht, durch Klagen eine „Kriminalisierung des Kirchenasyls“ zu erreichen. „Das ist bewusstes Vorgehen der dortigen Landesregierung.“ Auch die Ankündigung der Staatsanwaltschaft, gegen das Würzburger Urteil anzugehen, weise in diese Richtung. Die Täterin zeige sich nicht einsichtig, heißt es in der Begründung.

 

Klagewelle in NRW bleibt aus

 

Kern erwartet nach dem aktuellen Urteil keine Klagewelle in NRW. „Hier gibt es seit vielen Jahren von der Landesregierung eine Zusage, das Kirchenasyl zu respektieren.“ Die Staatsanwaltschaften hätten alle Verfahren, die gegen Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften angestrengt worden seien, eingestellt.

Die emotionale Wirkung des Urteils gegen die bayerische Ordensfrau dürfe aber nicht unterschätzt werden, sagt Kern. „Akteure im kirchlichen Raum überlegen es sich intensiv, wenn sie mit ihrem Engagement Gefahr laufen, in eine kriminelle Ecke gedrängt zu werden.“ Dieses Gefühl sei von den Klagenden durchaus gewollt. Kern macht deshalb Mut, sich weiter im Bereich Kirchenasyl einzusetzen. „Aus christlicher Sicht gibt es ausreichend Gründe, sich für die Rechte und die Würde der Geflüchteten einzusetzen.“ Der Staat könne zwar versuchen, Kirchenasyl gewährende Personen mit Repression einzuschüchtern, ihre Humanität könne aber durch kein Gericht bestraft werden.

 

Zahl der Kirchenasyl-Fälle in NRW steigt

 

Wichtig ist es in Kerns Augen, sich in der Öffentlichkeit möglichst breit für das Kirchenasyl aufzustellen. „Je mehr Menschen hinter dieser Idee stehen, desto schwieriger wird eine Kriminalisierung.“ Der Einsatz für das Kirchenasyl sei jetzt umso wichtiger, auch wenn dieser herausfordernder werden sollte, sagt er. Derzeit erlebt er nach einem Rückgang in der Corona-Pandemie einen Anstieg der Anfragen aus den Pfarrgemeinden nach der Unterstützung durch das Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW. Waren es vor einem halben Jahr knapp 59 Fälle von Kirchenasyl, sind es derzeit über 100.

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