Trump hat trotz seines seltsamen Redestils eine Erzählung verbreitet, die Inflation und Kriminalität mit der vermeintlich radikalen Politik der Demokraten vermischt. Diese Story sprach die Ängste der Wähler an. Obwohl Kamala Harris mit einem ausgefeilten Programm an den Start ging, hat sie immer wieder die Freude betont. Freude gewinnt zwar Freunde, aber offensichtlich keine Wähler.
Es ging also um Gefühle. Mit wem fühlt man sich sicherer? Für die Mehrheit ist das Donald Trump. Und wenn ein Deutscher fragt, was mit dem Rest der Welt passieren wird, antwortet der Republikaner „America First“!
Welche Konsequenzen hat Trumps Wahlsieg für die Schwächsten der US-Gesellschaft?
Trotz seiner Drohungen lässt sich schwer sagen, was auf diese Menschen zukommt. Während des Wahlkampfs wollte Trump die Wählerschaft manipulieren. Jetzt ist er nicht mehr darauf angewiesen. 2016 versprach er eine „große schöne Mauer“, es wurde aber nur ein kleiner Abschnitt gebaut. Jetzt verspricht er Konzentrationslager und die Abschiebung von Millionen Migranten. Ist das auch nur Gerede? Wir werden es sehen. Aber für andere Minderheiten wie queere Menschen sieht es schlecht aus. Nicht nur wegen Trump, sondern auch wegen seiner Anhänger. Sie wollen dieser Gruppe alle Rechte nehmen.
Laut „Washington Post“ haben 56 Prozent der Katholiken Trump gewählt: Warum hat er im Unterschied zur Wahl 2020 den „Catholic vote“ geholt?
Donald Baker (64) ist katholischer Priester und Pfarrer in New York. Er studierte unter anderem in München und hat durch Freundschaften gute Beziehungen ins Bistum Münster, mehrere Jahre kam er zu Urlaubsvertretungen nach St. Joseph, Münster-Süd. | mn.
Katholiken sind Amerikaner. Sie wählen aus denselben Gründen wie andere Amerikaner. Man würde wegen unserer Moraltheologie vielleicht etwas anderes erwarten, aber diese Zeiten sind vorbei. Katholische Wähler von heute sind größtenteils keine gebildeten Katholiken. Sie gehen zwar noch in die Kirche, wissen aber wenig über die Lehre der Kirche – außer es geht um Abtreibung. Die amerikanischen Bischöfe haben immer wieder die Sündhaftigkeit der Abtreibung betont. Harris hat das Recht auf Abtreibung wiederum zu einem wichtigen Bestandteil ihres Programms gemacht. Das war offensichtlich ein Fehler. Die Bischöfe konnten so ihren Einfluss nutzen, um gegen Harris sowie das Recht auf Abtreibung und dadurch für die Republikaner zu kämpfen. Viele Katholiken folgten ihnen.
Was bedeutet Trumps Sieg für die katholische Kirche in den USA und welche Rolle hat die katholische Rechte dabei gespielt?
Die katholische Rechte erlebt seit längerer Zeit einen Aufschwung. Durch die vielen Skandale der vergangenen 20 Jahre wurden die Kirchen immer leerer. In vielen Diözesen ist nur noch ein „heiliger Rest“ übriggeblieben. Die meisten dieser Leute freuen sich heute. Sie bilden jedoch keine Einheit. Es gibt unter den Konservativen auch „Never Trumpers“, für die Trumps Programm mehrfach gegen die Lehre der Kirche verstößt. Auf jeden Fall sind die liberalen Stimmen des US-Katholizismus auf dem Rückzug. In vielen Teilen des Landes gehört die Kirche inzwischen Trump und seinen Anhängern.
Haben Sie angesichts der zweiten Präsidentschaft von Trump noch Hoffnung, dass die US-Demokratie überlebt?
Aber sicher doch! Nach mehr als 250 Jahren ist die Demokratie in den USA tief verwurzelt. Viele glauben zudem, dass durch Trumps Wahl die Demokratie gestärkt wird. Nur wenige Leute wollen einen „Führer“. Die Lage könnte aber so ernst werden, dass sie zum Beispiel das Wahlrecht abschaffen wollen, um Trump zum „President forever“ zu ernennen. Aber dann würde sich das ganze Volk sich gegen ihn stellen.
Dennoch werden die Republikaner das demokratische System Amerikas verändern. Sie werden dem Präsidenten mehr Macht geben. Nach den kommenden vier Jahren wird unser Präsident wie nie zuvor durchregieren können. Der Kongress wird geschwächt sein. Das oberste Gericht wird mehr Einfluss ausüben. Allerdings ist Demokratie immer ein Experiment. Deshalb nennen wir sie in den USA auch „The American Experiment“. Gerade ist dieses Experiment sehr herausfordernd, aber wir werden es überleben.