Experte Klaus Schubert von der Universität Münster im Interview

US-Wahl: Wie die Christen gewählt haben – und warum

Religiöse Fragen haben für die US-Wähler keine Rolle gespielt, sagt Professor Klaus Schubert von der Universität Münster. Donald Trump sei zur Stimme der wirtschaftlichen Verlierer geworden – auch unter Christen.

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Religiöse Fragen haben für die US-Wähler keine Rolle gespielt – auch für Christen nicht, sagt Professor Klaus Schubert von der Universität Münster. Was für sie wahlentscheidend war und welche Rolle dabei Donald Trump spielte, erläutert der Wissenschaftler im Kirche+Leben-Interview.

Kirche+Leben: Herr Professor Schubert, wie erklären Sie sich den Sieg von Donald Trump bei der Wahl zum US-Präsidenten?

Professor Klaus Schubert: Auch wenn das für Deutsche komisch klingt: Die Amerikaner haben eigentlich nur und vor allen Dingen den Wechsel gewählt. Das so deutlich zu tun, steckt tief in der politischen Kultur der Vereinigten Staaten. Erinnern Sie sich an Barack Obama: Auch er hat vor acht Jahren mit „Change“ geworben – also damit, dass er für Wechsel steht und nicht für das Establishment.

Was hat die Wahl entschieden?

Klaus Schubert. | Foto: Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster
Klaus Schubert. | Foto: Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster

Der Politikwissenschaftler Professor Klaus Schubert ist USA-Kenner und gehört dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster an. Die Nacht der US-Präsidentenwahl verfolgte er mit Studenten im größten Hörsaal des Instituts für Politikwissenschaft: „Wir hatten mit 200 Leuten gerechnet – es sind rund 700 gekommen. Wir mussten weitere Räume öffnen.“

Die Frage, ob sich jemand zu den Gewinnern der Globalisierung zählt oder zu den Verlierern. Donald Trump hat den empfundenen Verlierern eine Stimme gegeben. Und zwar in einer Sprache, die jeder versteht. Das ist dem Establishment nicht so gelungen.

Welche Rolle haben religiöse oder moralische Fragen für die Wahlentscheidung gespielt?

Nahezu keine. Religiosität hat zuletzt zu Zeiten von Präsident John F. Kennedy in den Sechzigerjahren eine Bedeutung im US-Wahlkampf gehabt, weil Kennedy Katholik war. Diesmal spielten religiöse und moralische Themen keine Rolle, sie wurden im Wahlkampf meines Wissens auch von keinem Kandidaten ernsthaft angesprochen.

Kann man sagen, wie Christen, wie Katholiken gewählt haben?

Religion spielt zum Beispiel bei Einwanderern aus Lateinamerika in die USA eine größere Rolle. Diese Wähler hat in vielen Staaten Hillary Clinton angesprochen. Die weißen christlichen Amerikaner sind allerdings gespalten. Da gibt es etablierte, gut situierte Familien. Sie dürften eher Clinton gewählt haben. Es gibt aber auch Familien der Mittelschicht und der unteren Mittelschicht, die sich nicht auf der Gewinnerseite sehen. In umkämpften Staaten wie Wisconsin und Michigan ist es Hillary Clinton nicht gelungen, einfache Arbeiter für sich zu gewinnen, obwohl die Demokratische Partei ihnen traditionell näher steht als die Republikaner.

Es heißt, bei US-Wahlen komme es auf die wirtschaftliche Lage an. Das gilt diesmal also auch für christliche Wähler?

Ja. Wir haben es mit einem rapiden gesellschaftlichen Strukturwandel zu tun – und Hillary Clinton hatte einen doppelten Nachteil: Erstens gehört sie zum politischen Establishment, zweitens zu den „Gewinnern“ des Strukturwandels. Das machte sie für viele Wähler unattraktiv – auch für Christen. Die Wahlentscheidung hatte ganz durchgängig materielle Gründe.

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