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Die Entwicklung in den USA ist besorgniserregend. Jetzt sollte sich Leo XIV. einschalten, meint Philipp Gessler.
Hallo, Heiliger Vater! Hörst Du mich? Ich armes katholisches Schaf in der großen Herde Gottes würde so gern etwas von Dir hören! Aber ich höre nichts, und das finde ich sehr schade. Und eigentlich geht es gar nicht um mich, sondern um, tja, um nicht weniger als die Welt, mindestens jedoch um die katholische Weltkirche, der Du auf dem Thron Petri vorstehst: Wir brauchen Deine Orientierung, wir brauchen Dein Wort: Wohin soll es gehen – oder vielmehr: wohin nicht?
Christlicher Nationalismus in den USA
Lieber Papst Leo, Du hast es mitgekriegt, und da Du ein sehr kluger und politischer Mann bist (und dazu noch US-Bürger!), denkst Du bestimmt viel darüber nach: Da wird ein rechter bis rechtsextremer, sehr einflussreicher Influencer aus Deinem Heimatland auf offener Bühne erschossen, ein sehr frommer, evangelischer junger Mann, Charlie Kirk.
Er war ein wichtiger Förderer der politischen MAGA-Bewegung („Make America great again“, Anm. der Redaktion) um den US-Präsidenten Donald Trump, und der benutzt den Mord an Kirk, um auf eine nie da gewesene Art einen christlichen Nationalismus in den USA zu feiern und anzufachen. Diese Bewegung instrumentalisiert den Namen und die Botschaft Jesu für eine Politik der Rache, der Intoleranz und der Macht über den Rest der Welt.
Papst Leo XIV. sollte Stellung beziehen
Der Autor
Philipp Gessler ist Journalist, Sachbuchautor und Redakteur des evangelischen Monatsmagazins „zeitzeichen“. Unter anderem beobachtet er die Ökumene und die Entwicklung der katholischen Kirche, in Deutschland etwa beim Synodalen Weg, und berichtet darüber.
In dieser Situation, lieber Heiliger Vater, wünschte ich mir Sätze der Orientierung von Dir. Als die weltweit vielleicht entscheidendste Stimme des Christentums erhoffte ich mir jetzt und nicht irgendwann Aussagen von Dir, dass die Botschaft Jesu unvereinbar ist mit Nationalismus gleich welcher Herkunft, unvereinbar mit Unbarmherzigkeit, Machtgelüsten und Intoleranz.
Ich weiß, die MAGA-Bewegung ist nicht vor allem eine katholische Sache, aber sehr konservative katholische Männer und Frauen spielen darin doch eine wichtige Rolle, nicht zuletzt JD Vance. Der amerikanische Vizepräsident wird aller Voraussicht nach die US-Demokratie nach Trump führen – wenn sie denn dann noch eine Demokratie ist.
Über 60 Prozent der regelmäßig eine Messe besuchenden katholischen Christen in den USA haben vor etwa einem Jahr für Trump und seine MAGA-Bewegung votiert. Ein Wort von Dir, Heiliger Vater, könnte sie vielleicht zum Nachdenken bringen, ob der Weg, den sie gehen, wirklich im Sinne Jesu ist. Das alles ist mehr als US-Innenpolitik, auch mehr als ein Streit innerhalb des dortigen Katholizismus. Es geht um den zukünftigen Weg Deiner, unserer katholischen Kirche auf der ganzen Welt. Danke für Dein Wort, Papst Leo, auf das ich hoffe. Und Gottes Segen!
In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.