KIRCHE+LEBEN EXKLUSIV

USA: Was eine schwarze Kirchenpräsidentin Trump entgegensetzen will

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Die reformierte Geistliche Karen Georgia Thompson spricht mit Kirche+Leben über politische Religion, Trumps Wahlsieg und die Kirchen in Deutschland.

Die United Church of Christ (UCC) hat Sie als erste schwarze Frau an die Spitze gewählt: Was bedeutet das für Sie?

In einer mehrheitlich weißen Kirche ist die Wahl der Leitung immer wichtig. Sie zeigt die Richtung an, in die die UCC gehen will, also auf ein Leben in Vielfalt zu. Meine Wahl war für mich persönlich ein großer Moment. Keiner bei dem man sagt: „Juhu, das will ich!“ Aber ich verstehe ihn als Bestätigung meiner Berufung. Besonders wenn ich daran denke, dass ein großer Teil meiner Amtszeit unter der Präsidentschaft von Donald Trump stattfinden wird.

Welche Auswirkungen hat der republikanische Wahlsieg auf Ihre Kirche?

Es ist eine schwierige Situation für meine Kirche. Ich glaube nicht, dass Leute zwischen den „Mainline churches“ [protestantische Kirchen nicht-evangelikaler Prägung, Anmerkung der Redaktion] wie UCC und den Evangelikalen unterscheiden. Wenn wir keine Gegenerzählung anbieten, gehen die meisten wahrscheinlich davon aus, dass wir Trump unterstützen. Wir haben deshalb eine überparteiliche Wahlkampagne gestartet. Die UCC wollte ihre Mitglieder dazu bewegen, für Werte, für Gerechtigkeit und in Liebe zu wählen. Nach dem Sieg des weißen christlichen Nationalismus müssen die Kirchen weiterhin sagen: Wir sind nicht alle so!

Karen Georgia Thompson ist seit 2023 Kirchenpräsidentin der US-amerikanischen United Church of Christ (UCC). Diese steht in einer liberal-reformierten Tradition. Neben einem öffentlichen Vortrag an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster hielt Thompson am 11. November in Würzburg eine Rede vor der Versammlung der Union der Evangelischen Kirchen (UEK) in der EKD. (ber)

Warum haben viele Protestanten und Katholiken trotzdem Trump gewählt?

Bisher kann ich nur spekulieren. Ich denke aber, dass das Geschlecht von Kamala Harris eine große Rolle gespielt hat. Die USA sind immer noch ein äußerst patriarchales Land. Es war kein Zufall, dass Trump eine Niederlage einstecken musste als er 2020 gegen Joe Biden antrat. Ein anderer Faktor dürften Herkunft und Hautfarbe der Vizepräsidentin gewesen sein. Harris ist das Kind von Einwanderern und behindert damit die republikanische „Suche nach einem christlichen Land.“ Ihre Mutter Shyamala Gopalan war Hinduistin, ihr Ehemann Douglas Emhoff ist Jude. Harris widerspricht mit ihrer interreligiösen Biografie leibhaftig dem weißen christlichen Nationalismus.

Sie sprechen offen über den Zusammenhang von Religion und Politik. In Deutschland würden einige Leute sagen, dass sich die Kirchen besser aus der Politik heraushalten sollten.

Politik beginnt bei den Menschen und die Kirchen kümmern sich um die Menschen. Wie können wir also nicht politisch sein? Als Kirchenpräsidentin ist es nicht meine Aufgabe, den Gläubigen zu sagen, wen ich gewählt habe. Aber ich habe versucht, eine Botschaft der Hoffnung, der Einheit und der Gerechtigkeit zu senden. Politik geschieht nicht einfach so – nur wenn Menschen darüber reden. Wenn wir als Kirchen die Gerechtigkeit ernst nehmen, müssen wir auch über die Summen sprechen, die wir für Massenvernichtungswaffen ausgeben. Weiterhin ist Hunger ein großes Problem in den USA, auch die Wohnungsnot oder die Arbeitslosigkeit. Es gibt so viele Themen, die die Kirchen etwas angehen und die sie ansprechen sollten. Wenn das Politik ist, ist es eben so.

Was tut die UCC konkret, um Menschen zu helfen?

Wir sind eine kleine Kirche, engagieren uns aber stark im sozialen Bereich. Von der Kinderbetreuung über Schulen bis hin zur Altenpflege. Darüber hinaus unterstützen wir zum Beispiel bedürftige Familien mit Lebensmitteln. Wir sollten weniger über den sicherlich dramatischen Niedergang der Kirchen sprechen. Auch eine kleine Kirche kann wirkmächtig sein. Diese Geschichte sollten wir häufiger erzählen.

Was ist Ihr Eindruck von den Kirchen in Deutschland? 

Ich bin der Meinung, dass die deutschen Kirchen aktuell viel zu bieten haben. Die Säkularisierung geht weiter, aber hierzulande werden die Kirchen noch gehört. Ich war zum Beispiel immer vom Deutschen Evangelischen Kirchentag beeindruckt. Dass ein Kirchenfest so viele Menschen anzieht. Und dass auch Leute kommen, die den Kirchen nicht nahestehen.

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