Was Väter bei ihren Söhnen besser machen können

Vater und Sohn – ein Team fürs Leben?

„Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ So lästerte Wilhelm Busch. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist eine besondere. Sie ist aber auch oft verkorkst. Woran das liegt und was Väter besser machen können, war Thema eines Workshops.

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Siebzehn Männer sitzen im Untergeschoss des Hauses der Familie in Münster zusammen. Das Thema: Väter und Söhne“ und weiter: „Berührtes und Berührendes zwischen den Generationen.“ Anlass des Werkstatt-Gesprächs ist der Katholikentag. Diverse Frauen haben versucht, der Runde beizutreten – vergeblich. Die Männer wollen unter sich bleiben. Einzige Ausnahme: die Redakteurin. Sie macht sich möglichst unsichtbar, um den Gesprächsverlauf nicht zu irritieren. Klar ist: Über bestimmte Themen sprechen Männer im Beisein von Frauen anders. Zum Beispiel über Sexualität.

Ein Thema, das auch das Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen streifen kann, wie sich später herausstellt. Die beiden Gesprächsleiter Matthias Pfennig und Axel Iseke stellen sich vor. Pfennig ist Vater von zwei Söhnen und Diplom-Psychologe bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Münster. Iseke hat drei Söhne und arbeitet als Arzt beim städtischen Gesundheitsamt.

 

Männernetzwerker in Münster

 

Beide engagieren sich im münsterschen Männernetzwerk. Und dafür, „Lobbyarbeit auf dem Weg zur Gleichstellung von Männern zu machen“, wie Iseke sagt. Eine städtische Gleichstellungsstelle für die Frauen gebe es seit Jahren.

Axel Iseke (links) und Matthias Pfennig.Axel Iseke (links) arbeitet als Arzt beim Gesundheitsamt Münster. Der Psychologe Matthias Pfennig arbeitet bei der Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Münster und in eigener Praxis. | Foto: Karin Weglage

„Jeder Mann ist Sohn. Vielleicht wird er später selbst Vater eines Sohnes“, führt der Psychologe in das Thema ein. „Was hat mir mein Vater vorgelebt? Was möchte ich selbst meinem Sohn mit auf den Lebensweg geben? Was würde ich meinen Vater gern noch fragen, solange er lebt?“ Das seien Themen, mit denen sich Männer beschäftigen sollten.

 

Der Geld-Verdiener

 

Die Realität sah viele Jahrzehnte anders aus. Der Mann lebte 20 Jahre und mehr unter einem Dach mit seinen Kindern, dann zogen sie aus. „Und er hatte nichts mitbekommen von ihrer Entwicklung und Persönlichkeit“, sagt Pfennig. Männer machten Karriere und brachten das Geld nach Hause. Da blieb kaum Zeit und Kraft für den Nachwuchs. Viele Väter sahen dies auch nicht als ihre Aufgabe an. Erziehung war Frauensache. Später, wenn der Sohn erwachsen war, wunderten sie sich vielleicht über das distanzierte Verhältnis zu ihm. „Das Verlorene aber ist kaum nachzuholen“, sagt Pfennig.

Ausgestanden ist das alte Rollenbild längst nicht. Zumal die Männer-Generation um die 40 oder 50 oft mit diesem Vater-Vorbild aufgewachsen ist. Zwar „wollen junge Männer heute anders sein als ihre Väter“, sagt Iseke. „Sie wollen mit ihren Kindern mehr gemeinsam machen.“ Und auch die ältere Väter-Generation versuche, bei ihren Enkeln manches wieder gut zu machen, was sie bei den eigenen Kindern versäumt hat.

 

Vater-Entbehrungen

 

Die neue Väterrolle verlange aber immer noch danach, Prioritäten zu setzen: etwa nach einem anstrengenden Arbeitstag dennoch mit dem Sohn zu spielen und dabei eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Die Vertrauens-Phase, in der der Mann seinen Sohn uneingeschränkt erreichen kann und von ihm uneingeschränkt geliebt wird, sei sehr kurz, mahnt Pfennig. Sie dauere wenige Jahre. Spätestens wenn mit sieben oder acht gleichaltrige Freunde eine Rolle spielten, sei der Sohn nur noch bedingt erreichbar.

Die 17 Männer im Untergeschoss des Hauses der Familie kennen solche „Vater-Entbehrungen“. In dem kleinen Raum wird zwischen den Sätzen die Trauer der Teilnehmer immer wieder fassbar. Aber auch die Sehnsucht, es bei den eigenen Kindern besser zu machen.

 

„Ich habe wenig Väterlichkeit erlebt“

 

 

Axel Iseke und Matthias Pfennig haben Bilder des Fotografen Karsten de Riese gezeigt. Er hat Väter und Söhne für einen Bildband porträtiert und zu ihrem Verhältnis befragt. „Diese Intensität der  Reflexion zwischen den Vätern und Söhnen macht mich sehnsüchtig“, bekennt ein etwa 30-jähriger Sohn. „Ich kann mich an Väterlichkeit bei meinem Vater nicht erinnern“, sagt ein anderer.

„Ich habe wenig Nähe und Körperlichkeit bei meinem Vater erlebt. Das will ich bei meinem Sohn besser machen“, erklärt ein Dritter. Dass die abwesenden Väter selbst einmal Söhne waren und ihre eigenen Väter vermisst haben, gibt der Arzt Iseke zu bedenken. Die Kriegs-Generation sei häufig traumatisiert gewesen. Aber auch Mütter spielen bei der Vater-Sohn-Beziehung eine entscheidende Rolle.

 

„Mutter drückt Vater weg“

 

„Mein Vater konnte kaum fürsorglich sein, weil meine Mutter sehr dominant war“, erinnert sich ein 50-Jähriger und erhält Zustimmung von einem anderen Mann: „Mein Vater bemüht sich um mich. Aber das geht nur, wenn er mit mir alleine ist. Wenn Mutter dabei ist, drückt sie ihn weg. Dann drückt er sich selbst weg.“

Das Thema „Konkurrenz“ hat viele Facetten: Er habe zwei Jungen im Alter von 17 und 19 und spüre eine Art Wettstreit zwischen sich und ihnen, sagt ein 40-Jähriger. „Dabei geht es darum, sich durchzusetzen und sich Raum zu verschaffen.“ – „Mein Vater ist 81 und körperlich nicht mehr gut dran“, berichtet ein Teilnehmer. „Wir haben immer viel Handwerkliches zusammen gemacht, und er führte Regie. Jetzt gibt er mir das Werkzeug an.“ Der Rollentausch mache ihm keine Angst, sagt er: „Jetzt bin ich eben für ihn da.“

 

Der Wunsch, es besser zu machen

 

„Ist ein schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis Schicksal? Oder lässt es sich heilen?“, fragt  Axel Iseke in die Runde. Bleibt man auf immer in der Trauer um eine Lebens- oder Vaterlücke stecken, oder kann man etwas ändern? „Die Lücke mit meinem Vater kann ich in Liebe zu meinen Söhnen wandeln“, sagt ein Mann. „Dabei gebe ich mir auch selbst etwas von dem Verlorenen zurück.“ Für solche Wandlungs-Prozesse muss man sich Zeit nehmen, wird in der Diskussion klar.

7 Tipps für Vatersöhne
Der Psychologe Matthias Pfennig rät Männern, sich mit ihren Vätern und Söhnen aktiv zu beschäftigen:
1. Verbringen Sie Zeit mit Ihrem älteren Vater. Machen Sie eine Fahrt mit ihm oder verbringen Sie ein Wochenende auswärts.
2. Schreiben Sie die Fragen auf, die Sie an Ihren Vater haben. Etwa: „Was war dein männliches Vorbild? Wie hast du Mutter kennen gelernt?“ ...
3. Sprechen Sie mit Ihrem Vater über sein Leben, seine Kindheit und Jugend. Zeichnen Sie das Gespräch mit einem Gerät auf. „Wie war das damals, als du zur Schule gingst? Wie war das im Krieg?“ 4. Sagen Sie ihm, dass die Aufzeichnungen auch für die Enkel gedacht sind. 
5. Nehmen Sie sich alleine Zeit für Ihren Sohn, etwa bei einem Vater-Sohn-Urlaub. Riskieren Sie dabei möglichen Stress mit der Partnerin.
6. Achten Sie darauf, dass Sie die Welt Ihrer Kinder (Digitales, Karate, Essensvorlieben etc.) mitbekommen.
7. Was möchten Sie Ihrem Sohn anbieten? Etwa mit ihm auf einem Viertausender stehen.

„Wer will ich als Mann und Vater sein? Fühlen ist umfassender als Denken“, umschreibt es ein Teilnehmer. Auch das Vater-Sohn-Verhältnis unterliege dem Wandel, der Schönes, Schmerzliches und Erstaunliches hervorbringen kann. Etwa wenn aus dem  munteren Söhnchen ein sexuelles Wesen geworden ist, das seine Freundin zum Übernachten mit nach Hause bringt, erklärt Axel Iseke. Spätestens dann müssten Vater und Sohn sich auf Augenhöhe begegnen.

 

Macho oder Softie?

 

„Mein Vater war ein heftiger Choleriker“, bekennt ein Teilnehmer. „Ich habe das von ihm abgeguckt. Er hat mir viel von sich mitgegeben, das ich eigentlich nicht haben wollte.“ Seine Wutausbrüche hätten in den ersten Jahren auch seine Ehe beeinflusst. Inzwischen habe er viel an sich gearbeitet. Schlimm sei immer noch, wenn die Enkel ihn mit seinem Vater verglichen.

„Ich will kein Macho sein, aber auch nicht jedermanns Darling“, zeigt ein Teilnehmer den Identitätskonflikt auf. Die Dinge so zu machen wie die Frauen, sei keine Lösung. Mit Gewalt einen Konflikt auszutragen, aber ebenso wenig. Ein anderer bekennt: „Ich will auch gar nicht mit meinem Vater schmutzige Wäsche aus vergangenen Zeiten waschen.“ Man wisse ja nicht, was man bei einem klärenden Gespräch mit dem Vater alles lostreten könne. „Führt das weiter? Ich meine: nein.“

 

Balance statt Sprachlosigkeit

 

Es gehe letztlich immer darum, „dass Mann sich wohlfühlt“, rät Iseke bei einem solchen Konflikt. Und Matthias Pfennig gibt Tipps, wie man sich auch anders als in einer offenen Konfrontation mit der eigenen Rolle als Sohn und als Vater auseinander setzen kann. In seiner Praxis habe er oft erlebt, was aus den einst übermächtigen Vätern von vor 30 oder 40 Jahren geworden ist: „Hinter der Tür im Krankenzimmer saß ein kleiner Mann, ein Häufchen Elend. Auf dem Sterbebett herrschte Sprachlosigkeit.“

„In den letzten drei Jahren habe ich gelernt, Balance zu finden“, spricht ein Teilnehmer aus, was viele anders machen wollen. „Ich tue jetzt etwas für mich. Seitdem kann ich mich auch für die Kinder und die Frau einsetzen.“

Männernetzwerk
Die Internet-Seite Männernetzwerk Münster gestalten Männer, die sich meist auch beruflich mit Männer-Fragen beschäftigen. Sie kommen aus dem Umfeld der katholischen und evangelischen Kirchen, der Stadt Münster und aus nicht konfessionellen Beratungsstellen. Folgende Themen werden angesprochen: Arbeit und Beruf, Sexualität, Gesundheit, Vaterrolle, Gewalt, Partnerschaft sowie Spiritualität und Glaube.
www.maennernetzwerk-muenster.de  

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