Gast-Kommentar von Antonius Hamers: Was Kirche und Politik gemeinsam haben

Verantwortung ist ein rares Gut in Politik und Kirche

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Vertrauen ist ein hohes Gut sowohl in der Kirche als auch in der Politik. Doch genau dieses Vertrauen kann schnell zerstört werden. Deshalb wirbt Antonius Hamers, Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalens in Düsseldorf, in seinem Gast-Kommentar für Anstand, Verantwortung und Vertrauen in Kirche und Politik.

Turbulente Zeiten – in Kirche und Politik! Mal überrascht, mal sprachlos, mal fassungslos bin ich über aktuelle Entwicklungen – die Bundestagswahl und ihre Folgen, die Diskussionen um die Synodalität und die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche.

Drei Aspekte bewegen mich dabei besonders: Anstand, Verantwortung und Vertrauen. Ich gebe zu – Anstand mag antiquiert klingen – in mancher politischen Auseinandersetzung der letzten Zeit hat es daran schlicht gefehlt.

 

Respekt vor dem Gegner haben

 

Der Autor
Antonius Hamers leitet seit 2014 das Katholische Büro Nordrhein-Westfalens in Düsseldorf. Der 1969 geborene Sauerländer ist promovierter Jurist. 2008 wurde er zum Priester des Bistums Münster geweiht. Seit Januar 2020 ist Hamers Domkapitular in Münster.

Ohne Frage – wer sich in die politische Debatte begibt, darf nicht zimperlich sein, weil sich die sachliche und die persönliche Ebene nicht klar voneinander trennen lassen. Denn: Wir wollen Politikerinnen und Politiker, die mit ihrer Person für ihre Überzeugungen einstehen. Zugleich: Zur Auseinandersetzung gehört der Respekt vor dem Gegner. Nicht Vernichtung oder Diffamierung.

So spannend der politische Wettkampf ist, so abgründig ist er – insbesondere wenn die Intrigen aus den eigenen Reihen kommen. Da sehnen wir uns nach Menschen, die Verantwortung übernehmen, die sich und anderen Rechenschaft ablegen über das, was man tut und lässt. Auch für das eigene Versagen.

 

Wie Zukunft gelingt

 

Verantwortung gerade in diesem Zusammenhang ist in Politik wie Kirche ein rares Gut. Schnell wird dafür geworben, nach vorn zu schauen. Dabei werde ich meiner Verantwortung nur gerecht, wenn ich geradestehe für das, was gewesen ist, und aus Fehlern lerne.

Zukunft gelingt nur, wo die Vergangenheit nicht aus dem Blick gerät. Das gilt vor allem bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Nur wenn wir aus den Fehlern lernen, Betroffene in den Mittelpunkt stellen, Strukturen und Inhalte überprüfen und ändern sowie institutionelle Verantwortung anerkennen, gelingt Aufarbeitung.

 

Verantwortliche haben Vertrauen zerstört

 

Wer Verantwortung übernimmt, erlangt Vertrauen – bei Wählern wie bei Gläubigen. Vertrauen wird nicht gewonnen, sondern vom anderen geschenkt. Und Vertrauen erhält nur, wer selbst Vertrauen schenkt. Gerade darin liegt ein Grundproblem in Kirche und Politik: Verantwortliche haben Vertrauen zerstört und Misstrauen gesät.

Politische wie kirchliche Neuaufstellung wird nur mit Personen gelingen, die bereit sind, mit Anstand ihrer Verantwortung nachzukommen, und so eine Basis schaffen, dass Vertrauen in sie und in ihre Vorhaben wachsen kann.

Die Positionen der Gastkommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von „Kirche+Leben“ wider.

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