Gewerkschaft will Streikrecht

Verdi-Chef Bsirske will kirchliches Arbeitsrecht abschaffen

Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, fordert die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts. Dessen Regeln halte er „für grundgesetzwidrig und für einen Eingriff in die Grundrechte der kirchlichen Arbeitnehmer“, sagte Bsirske.

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Frank Bsirske, Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, fordert die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts. „Dass der Arbeitgeber allein beansprucht, die Regeln aufzustellen, an die sich dann alle halten müssen, halte ich für grundgesetzwidrig und für einen Eingriff in die Grundrechte der kirchlichen Arbeitnehmer“, sagte Bsirske am Donnerstag der „Westdeutschen Allgemeinen“.

Das Kirchenarbeitsrecht sei überholt, so der Gewerkschafter: „Der Gesetzgeber hat das fast eins zu eins aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen – wie sollte das zeitgemäß sein?“ Er nannte den sogenannten Dritten Weg einen „Akt der Usurpation, weil er mehr als einer Million Beschäftigten das Grundrecht auf Streik nimmt.“

 

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

 

Die Kirchen mit ihren Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie sind mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten der zweitgrößte deutsche Arbeitgeber nach dem Staat. Laut Grundgesetz haben sie das Recht, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln; dabei haben sie ein eigenständiges Arbeitsrecht entwickelt. Nach dem Dritten Weg sind Streik und Aussperrung ausgeschlossen. Stattdessen suchen Dienstgeber und Dienstnehmer in paritätisch besetzten Kommissionen nach einem Interessenausgleich.

Die Gewerkschaften akzeptieren das nicht. Sie versuchen, ein Streikrecht der Kirchenmitarbeiter und eine Beteiligung an den Arbeitsrechtlichen Kommissionen der Kirchen durchzusetzen, um Tarifverträge abschließen zu können. Das Bundesarbeitsgericht entschied 2012, Streiks in kirchlichen Betrieben seien nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber dann untersagt, wenn die Kirchen die Gewerkschaften in ihre Arbeitsrechtlichen Kommissionen einbinden.

 

Bessere Bedingungen in der Pflege

 

Vor allem für Pflege-Beschäftigte will Verdi bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne durchsetzen. Doch gerade in den Altenheimen seien Organisationsgrad und Tarifbindung „verschwindend gering“, sagte Bsirske. „Gerade private Anbieter betreiben massives Lohndumping, selbst bei der Diakonie brechen viele Häuser weg“, sagte er.

Bsirske forderte, die Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, damit sie trotzdem für alle gelten. Demgegenüber betont die Caritas immer wieder, dass ihre Angestellten etwa in der Pflege nach dem kirchlichen Tarif höhere Löhne erhalten als der Durchschnitt.

 

Widerstand gegen Sonntags-Öffnungen in NRW

 

Widerstand kündigte der Verdi-Chef gegen die von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen geplante Verdoppelung verkaufsoffener Sonntage auf acht pro Jahr an. „Es macht Sinn, den Sonntag für möglichst viele Menschen arbeitsfrei zu erhalten“.

CDU und FDP hatten im Landeskabinett am Dienstag eine Liberalisierung des Ladenöffnungsgesetzes auf den Weg gebracht. Den Kommunen soll es erleichtert werden, verkaufsoffene Sonntage zu genehmigen. Anlässe dafür sollen nicht mehr nur Feste und Märkte sein, sondern allein schon die „Belebung der Innenstädte“.

In der „Rheinischen Post“ warnte Bsirske vor einem enormen Fachkräftemangel in den Sozial- und Erziehungsdiensten. Allein in den Pflegeberufen fehlten bereits heute bundesweit 70.000 Fachkräfte. Für die Mangelberufe brauche es gute Arbeitsbedingungen und tariflich abgesicherte, angemessene Löhne.

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