Hinweise auf möglichen Leichenfund erwiesen sich als falsch

Vermissten-Fall Orlandi: Geöffnete Vatikan-Gräber sind leer

Der Fall war mysteriös - und er bleibt es: 1983 verschwand die 15jährige Emanuela Orlandi. Nach neuen Hinweisen ließ der Vatikan jetzt zwei Gräber öffnen. Darin fanden sie nichts. Wofür dann die Gräber?

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„Ich hatte mit allem gerechnet, außer damit, leere Gräber zu finden“, kommentierte die Anwältin der Familie Orlandi, Laura Sgro, die Ergebnisse der Grabungsarbeiten auf dem deutschen Friedhof im Vatikan. Dort sollte die vermisste Emanuela neuen Hinweisen zufolge bestattet worden sein – der Fall zählt zu den mysteriösesten der italienischen Kriminalgeschichte. Der Vatikan ließ nun auf Drängen der Familie nicht nur eine, sondern gleich zwei Grabstätten von Adeligen aus dem 19. Jahrhundert öffnen, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Emanuela Orlandi, Tochter eines Vatikanangestellten, war 1983 im Alter von 15 Jahren spurlos verschwunden; seitdem gibt es immer wieder Spekulationen zu ihrem Verbleib. Nun sollte ein schmales Marmorgrab mit einer Engelsfigur, die eine Banderole mit der Aufschrift „Requiescat in Pace“ (Ruhe in Frieden) hält, weiteren Aufschluss bringen. Die Orlandis hatten aufgrund eines anonymen Schreibens und zusätzlicher „interner Hinweise“ die Öffnung dieses Grabes der Adligen Sophie von Hohenlohe beantragt.

 

Vatikangericht veranlasste Gräber-Öffnung

 

Der Promotore di Giustizia, der am Vatikangericht in etwa dem Staatsanwalt entspricht, veranlasste zusätzlich die Öffnung des benachbarten Grabs von Herzogin Charlotte Friederike von Mecklenburg. Sie war die erste Frau des dänischen Königs Christian VIII. und wurde 1840 auf dem Campo Santo Teutonico bestattet. Beide Gräber sind mit Engelsskulpturen versehen, eine solche sollte laut dem Hinweis auch auf dem Grab stehen, in dem Orlandi begraben sei.

Geplant waren Untersuchungen der Gebeine, „um definitiv und kategorisch auszuschließen, dass sich in den beiden Gräbern ein sterblicher Überrest der armen Emanuela befindet“, hatte noch am Vortag der vom Vatikan beauftragte Gerichtsmediziner Giovanni Arcudi gesagt. Am Donnerstag twitterte Tornielli nur knapp: „Keine menschlichen Überreste in den Gräbern.“

 

Friedhof wurde mehrfach verändert

 

Dabei war bis zum Vormittag tief gegraben worden auf dem idyllischen Friedhof unter Palmen innerhalb der vatikanischen Mauern. Laut Vatikansprecher Alessandro Gisotti wurde unter dem Hohenlohe-Grab eine Kammer von etwa vier Mal vier Metern gefunden, jedoch „weder menschliche Überreste noch Urnen“, so Gisotti. Auch das zweite Grab sei leer gewesen. Er kündigte zugleich Nachforschungen zu „strukturellen Veränderungen“ auf dem Friedhof im 19. Jahrhundert sowie in den 60er und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts an.

Aus Kreisen des Campo Santo Teutonico verlautete, das Ergebnis sei nicht überraschend. Es handele sich immerhin um mehrere Jahrhunderte alte Gräber und der Friedhof sei mehrmals umgebaut worden.

 

„Wer etwas weiß, soll sprechen“

 

Dennoch waren die Arbeiten am Donnerstag mit Spannung verfolgt worden. Vor dem Zugang zum Campo Santo Teutonico neben den Kolonnaden des Petersdoms hatten sich Medienvertreter, Schaulustige und Unterstützer der Familie Orlandi versammelt. Sie waren erkennbar an T-Shirts mit dem Konterfei der Vermissten, die im Sommer 1983 nach dem Musikunterricht nicht wieder aufgetaucht war. Die jugendliche Emanuela Orlandi, mit langen dunklen Haaren, ist in Italien noch vielen von den damaligen Fahndungsplakaten bekannt.

Und der Fall wird die Familie und die Medien weiter beschäftigen. Anwältin Sgro, die mit dem von der Familie beauftragten Genetiker Giorgio Portera persönlich in das Hohenlohe-Grab hinabgestiegen sein soll, rief erneut zur Klärung des Falls auf: „Wer etwas weiß, soll sprechen. Helft uns, Emanuela zu finden!“

 

Wo sind die toten Adligen geblieben?

 

Sie äußerte sich überrascht über die Grabkammer, die sicher nicht aus dem 19. Jahrhundert stamme. Verwundert und betroffen zeigte sich der Bruder der Vermissten, Pietro Orlandi: „In keinem der Gräber war irgendetwas. Nun müssen auch die Nachfahren der Adligen informiert werden“, sagte er italienischen Medien. Vor allem wolle er aber wissen, warum es die Hinweise auf den deutschen Friedhof im Vatikan und das Engelsgrab gegeben habe. Er und seine Verwandten werden wohl keine schnellen Antworten auf diese Fragen bekommen.

Auf dem Campo Santo Teutonico könnte unterdessen schon bald wieder Normalität einkehren. Noch ist der Zugang gesperrt, voraussichtlich zum Wochenende könnte er aber wieder offen sein.

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