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Die Gulasch-Kanone ist Geschichte – schon lange. An die Stelle des Einheits-Essens, das früher auf den Stationen der Krankenhäuser verteilt wurde, ist heute ein ausgeklügelter Menü-Plan geworden: Vollkost, Schonkost, Vegetarisches, Essen à la carte für Privatpatienten, Kantinen-Angebote… „Alles auf einem sehr hohen Niveau“, sagt Rudolf Niebling.
Er muss es wissen. Nicht nur, weil er als Küchenchef im St.-Franziskus-Hospital in Ahlen täglich drei Mal am Tag bis zu 1000 Patienten, Mitarbeiter und Besucher in unterschiedlichen Einrichtungen mit Essen versorgt. Auch weil er bereits seit 30 Jahren die Küche im Haus leitet. Die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte hat er miterlebt und mitgestaltet. „Die klassischen Küchenräume von damals sind heute zu einem Unternehmen mit moderner Technik und Logistik geworden.“
Spaß am Kreativen
Kochen war sein Traumjob, als er vor gut 40 Jahren das Gymnasium frühzeitig verließ, um sich eine Lehrstelle zu suchen. „Der kreative Umgang mit den Lebensmitteln machte mir Spaß.“ Er lernte in einem Hotel und liebte es, Wildgerichte zuzubereiten. Nach einer Zeit als Koch bei der Bundeswehr wollte er sich zum Diätkoch fortbilden und suchte einen Praktikumsplatz in einem Krankenhaus. Als er im St.-Franziskushospital anfragte, wollte man ihn erst nicht zum Personalchef vorlassen. „Ich komme als gelernter Koch und koche ein halbes Jahr umsonst für sie“, erklärte er sein Anliegen. In jenem Moment flog die Tür auf, und der Personalchef nahm ihn mit Kusshand.
Ein gutes Jahr später war er bereits Küchenchef in Hospital. Seine Arbeitsplatzbeschreibung hätte von da an jährlich neu erstellt werden können. Denn von den großen Löffeln am großen Topf verlagerte sich sein Aufgabenbereich immer mehr Richtung Schreibtisch und Computer. „Heute bin ich in erster Linie Manger, Personal-Leiter und Organisator.“
Büro statt Kochtopf
Die Abstimmung der Speisepläne, der Einkauf der Lebensmittel, das Einhalten von Hygiene-Vorschriften – Nieblings Aufgabe spielt sich größtenteils am Telefon und vor dem Bildschirm hinter der Fensterfront ab, die sein Büro vom Küchenraum trennt. Denn alles muss kontrolliert und dokumentiert werden, sagt Niebling: „Vom Zustand der Ware bis hin zu jeder Zutat, die verwendet wird.“
Schreibtisch mitten in der Großküche: Küchenleiter Rudolf Niebling ist vor allem Organisator und Manager. | Foto: Michael Bönte
Den Kontakt zu seinen insgesamt etwa 50 Mitarbeitern verliert er nicht. Seine Wege führen ihn immer wieder zu den Menschen an den riesigen Bratpfannen, an den Spülmaschinen und Gargeräten. „Natürlich koste ich dann auch von der Soße, der Suppe oder dem Braten.“ Selbst nachsalzen tut er aber nicht, dafür ist dann ein Produktionsleiter zuständig. „Zu viele Köche würden auch hier den Brei verderben.“
Viele gelernte Köche gibt es ohnehin nicht mehr. Vier hat er noch in seinem Team. Die anderen sind Assistenten und Hilfskräfte. „Es gibt leider kaum noch Lehrlinge in diesem Beruf“, sagt er. Zu dem allgemeinen Nachwuchs-Problem aller Handwerker gesellen sich beim Koch noch die schwierigen Arbeitszeiten im Schichtdienst. „Spätestens bei der Feststellung, dass der Patient auch am Wochenende Hunger hat, machen viele junge Leute einen Rückzieher.“
Im Team erfolgreich
Der Druck einer Großküche sei oft spürbar, sagt Niebling. Von einer Idylle wie früher seien sie heute weit entfernt. Auch der konfessionelle Hintergrund schaffe zusätzliche Herausforderungen. „Die Nachhaltigkeit ist wichtiges Thema“, sagt er. „Da gehen wir kontinuierlich in kleinen Schritten voran.“ Denn wirtschaftliche Vorgaben, die auch für ein katholisches Krankenhaus gelten, müssen ebenso im Blick behalten werden. Ihm mache es Spaß, all diese Anforderungen gemeinsam mit seinem Team zu meistern.
Andreas Löbbers ist einer der Köche in diesem Team. Seinen Platz am Topf will er nicht missen, wenn auch für ihn als stellvertretender Küchenmeister immer mehr Organisationsarbeit auf dem Programm steht. „Mein Herz schlägt für die Zubereitung der Mahlzeiten – nach wie vor.“ Ein Großteil seiner Arbeit wird mittlerweile von hochmodernen Geräten übernommen, die das Fleisch auf Knopfdruck punktgenau braten oder hunderte Portionen in einer Riesenpfanne zubereiten. „Gerade das schafft mir den Freiraum, etwa frische, selbst angesetzte Soßen und Suppen zu machen.“
Renner auf dem Speiseplan
Es hat sich viel verändert – das Wichtigste aber ist so geblieben wie zu Beginn ihrer Zeit als Köche, sagen Niebling und Löbbers: „Die Liebe zu den Lebensmitteln und die Freude an der fertigen Mahlzeit.“ Dazu gehört auch die Rückmeldung der Patienten, Krankenhausmitarbeiter und Besucher. Wenn eine Bestellkarte auf dem Tablett zurückkommt und ein Patient auf die Rückseite „Hat super geschmeckt!“ geschrieben hat, ist das ein solcher Moment.
Und dies gelingt natürlich vor allem mit den „Rennern auf dem Speiseplan“. Die Currywurst mit Pommes gehört zu den Favoriten. „Aber auch immer mehr die deftige Hausmannskost“, sagt Niebling. „Viele der jungen Patienten kennen die gar nicht mehr – einige essen hier zum ersten Mal Sauerbraten.“