Welche Probleme gibt es in den Regionen - und welche Reaktionen?

Vor der "Welt-Synode": Wo es in der katholischen Weltkirche rumort

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Um die katholische Weltkirche steht es nicht allzu gut. Die Problemlagen sind nicht überall dieselben, aber zumindest regional ähneln sie sich. In Europa ist es mal mehr sexueller Missbrauch (Irland), mal mehr Empörung über das vatikanische Veto zur Segnung von Homosexuellen (Belgien), mal das Thema Frauen und Leitungsämter (Frankreich, Deutschland). Je "westlicher" das Land, desto mehr bestimmen die "Ärger-Themen" das Bild. In Afrika, Asien und Lateinamerika gibt es ganz andere Sorgen. Was heißt das innerkirchlich und für die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft? Ein Rundblick im Vorfeld des von Papst Franziskus angekündigten weltweiten synodalen Prozesses.

Naher Osten: Nach Jahrzehnten von Konflikten, Diskriminierung und Verfolgung durch Staatsbehörden, Mehrheitsgesellschaften oder Islamisten wandern immer mehr Christen ab. Die verbliebenen bewegen sich zwischen Wut über Versagen des Westens und Hoffnung nach Zeichen von Solidarität, etwa der Irak-Reise von Papst Franziskus zu Jahresbeginn.

Aus Afrika ist häufiger - explizit oder zwischen den Zeilen - Kritik an der Aufweichung der kirchlichen Morallehre durch Bischöfe in Europa und Nordamerika zu hören. Genderfragen sind in Afrika viel weniger existenziell als Frieden, Caritas und Armutsbekämpfung, Abgrenzung von Sekten oder die Eindämmung ethnisch-interreligiöser Konflikte.

Lateinamerika hängt zwischen Baum und Borke. Einerseits werden in westlich orientierten Ländern wie Chile und Mexiko kirchliche Missbrauchsskandale in teils großem Ausmaß aufgedeckt. Zugleich schlagen vor allem soziale Nöte gnadenlos zu, noch verstärkt durch die Corona-Pandemie. Bei deren Bekämpfung leidet die Kirche auch unter gravierendem Priester- und Seelsorgermangel und der Abwerbung von Gläubigen durch Sektenkirchen und unseriöse Heilsversprecher.

USA: Die katholischen Bischöfe sind in (kirchen-)politischen Fragen genauso gespalten wie die US-Gesellschaft. Viele ordnen dem Thema Abtreibung und Lebensschutz alle anderen moralischen Erwägungen wie Menschenrechte, Migration, Steuergerechtigkeit, Waffenfreiheit, Lüge und Wahrheit in der politischen Kultur unter. Synodale Experimente wie in Deutschland werden eher beargwöhnt als begrüßt.

In vielen Ländern Asiens machen religiöse Minderheitensituation, fehlende Meinungs- oder Religionsfreiheit auch der Kirche zu schaffen. Westliche "Luxusprobleme" rücken da eher in den Hintergrund. Asien mit seinen vielfach sehr andersartigen Kulturen ist derzeit der wichtigste Wachstumsmarkt der Kirche. In Indien etwa strömen ihr aufgrund des Versprechens christlicher Geschwisterlichkeit vor allem gesellschaftlich Benachteiligte zu - und fordern ihrerseits verstärkt Mitsprache und Ämter.

Irland: Das Ausmaß von sexuellem und geistlichem Missbrauch im Bereich von Kirchen und Ordenshäusern im 20. Jahrhundert, der Skandal um tote Babys in den sogenannten Magdalenenheimen für ledige Mütter - das alles hat im einst tiefkatholischen Irland für einen Lawinenabgang an Glaubenspraxis gesorgt. Die irischen Bischöfe haben die Einberufung einer Nationalsynode binnen fünf Jahren angekündigt; vorbereitend soll es einen "synodalen Weg" ("synodal pathway") geben. Ähnliche Erosionen gibt es in Spanien.

Frankreich: Nach den Missbrauchsskandalen und dem Prozess gegen den Lyoner Kardinal Philippe Barbarin kandidierte öffentlichkeitswirksam eine Frau für seinen Posten. Sie kam zwar nicht zum Zug - aber in Rom ist sehr wohl angekommen, dass über den sehr präsenten konservativen Kirchenflügel hinaus in Frankreich auch reformorientierte Laien aktiv sind.

Antwerpens Bischof Johan Bonny ist derzeit Wortführer verärgerter Bischöfe in Belgien, die das vatikanische Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ablehnen. Er schäme sich für seine Kirche und sei wütend, so Bonny: "Wir belgischen Bischöfe sagen: Genug ist genug!" Nach seinen Angaben verlassen derzeit viele Bürger die Kirche, beantragen die Löschung ihres Taufeintrags in den Registern der Diözesen. Auch die erheblichen Missbrauchsskandale im Land dürften ihre Spuren hinterlassen haben.

Ostmitteleuropa: Kirchenführer der Länder jenseits des früheren Eisernen Vorhangs fremdeln noch mit der Gegenwart. Traditionalismus, der in der sozialistischen Verfolgungszeit als sozialer Kitt fungierte, reicht als Angebot nicht mehr aus. Noch tut sich die Kirche schwer, neue Wege in einer pluralistischen Gesellschaft zu beschreiten. In "katholischen" Ländern wie Polen und der Slowakei droht eine Implosion des Katholischen - zumal auch dort verschüttete Missbrauchsfälle allmählich nach oben drängen.

In Australien plant die katholische Kirche ihr erstes sogenanntes Plenarkonzil seit mehr als 80 Jahren. Im März 2018 gab Papst Franziskus Grünes Licht. Doch nicht zuletzt die Corona-Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung. Der Organisator, Erzbischof Mark Coleridge von Brisbane, formulierte nach den dortigen Missbrauchsskandalen: Die Kirche wolle in einer "Zeit signifikanter Herausforderungen offen, zuhörend, dialogisch und einsichtig" über ihre Zukunft beraten. Bald soll es endlich losgehen.

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