„Manipulative sexuelle Beziehungen“ zu sechs Frauen

Vorwürfe gegen verstorbenen Arche-Gründer Jean Vanier

Jean Vanier, 2019 gestorbener Gründer der christlichen Arche-Gemeinschaften für Menschen mit und ohne geistige Behinderung, soll über Jahrzehnte „manipulative sexuelle Beziehungen“ gehabt haben.

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Jean Vanier, 2019 gestorbener Gründer der christlichen Arche-Gemeinschaften für Menschen mit und ohne geistige Behinderung, soll über Jahrzehnte „manipulative sexuelle Beziehungen“ gehabt haben. Das berichtet das Jesuiten-Magazin „America“ unter Berufung auf interne Untersuchungen der Gemeinschaft. Demnach soll Vanier, der kein Priester ist, zwischen 1970 und 2005 das seelsorgerische Verhältnis zu sechs Frauen ausgenutzt haben, die von ihm geistlichen Beistand erhofft hätten.

Vanier habe kurz vor seinem Tod die Beziehungen zu den erwachsenen und nicht behinderten Frauen als „einvernehmlich“ bezeichnet, hieß es. Die Frauen, die aus unterschiedlichen Ländern und Lebenssituationen kämen, erklärten dagegen, sie seien damals anfällig gewesen, und Vanier habe „seine Position und Autorität ausgenutzt“. Die Arche-Gemeinschaft in den USA schätzt die übereinstimmenden Anschuldigungen als glaubwürdig ein.

 

Wer war Jean Vanier?

 

Laut dem Bericht spiegelt Vaniers eigenes Verhalten sexuelle Nötigungen von Frauen, wie sie auch seinem 1993 gestorbenen geistlichen Mentor, dem Priester Thomas Philippe, vorgeworfen werden. Philippes Taten habe Vanier über Jahre gedeckt.

Der 1928 geborene Katholik und frühere kanadische Marineoffizier Vanier hatte in einem Dorf nördlich von Paris die erste Arche-Gemeinschaft 1964 ins Leben gerufen, in der Menschen mit und ohne geistige Behinderung zusammenleben. Heute gibt es in 35 Ländern weltweit rund 150 Archen mit etwa 5.000 Mitgliedern, darunter in Tecklenburg im Kreis Steinfurt.

 

Arche: Wir sind verraten und belogen worden

 

Der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort von Reims, äußerte sich entsetzt über die Vorwürfe gegen Vanier. „Wie konnte er in das grässliche Spiel von Pater Thomas Philippe mitspielen, ein Komplize werden und dabei diese verrückte Vermessenheit eines höheren mystischen Zustands beibehalten?“, heißt es in einer Erklärung.

Der Arche-Verantwortliche in Frankreich, Pierre Jacquand, sprach vom „Gefühl, verraten worden zu sein“, und von einem „gebrochenen Herzen“. „Jean Vanier war mein Freund“, zitiert ihn die Zeitung „La Croix“. „Er hat mir so viel Gutes getan, wie Tausenden anderen Menschen auch.“ Und doch habe er es „vorgezogen, uns anzulügen“.

 

Arche Deutschland: Wir schützen unsere Mitglieder

 

Der Leiter der Archen in Deutschland und Österreich, Claus Michel, betonte, man nehme den Schutz der Mitglieder vor geistlichem und sexuellem Missbrauch sehr ernst. Eine unabhängige Bewertung der Präventionsrichtlinien solle im Sommer abgeschlossen werden.

Die Arche stehe „zu dem Leitprinzip, den einzigartigen Wert jeder Person anzuerkennen“. Es gebe bislang keinerlei Hinweise, dass Philippe oder Vanier „vergleichbare Taten auch gegenüber Menschen mit Behinderungen verübt“ hätten.

UPDATE: Reaktion Claus Michel ergänzt, 16.20 Uhr

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