"Kirche in Not" distanziert sich – Gedenktag abgesagt

Vorwurf gegen "Speckpater" van Straaten: Sexuelle Nötigung

  • Pater Werenfried van Straaten (1913-2003), Gründer des Hilfswerks "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe", soll 1973 eine 20-jährige Frau sexuell bedrängt haben.
  • Außerdem wurden ihm bereits 2010 "Maßlosigkeiten in der Lebensführung" und "erhebliche Defizite in der Personalführung" vorgeworfen.
  • "Kirche in Not" hatte sich kürzlich von seinem Gründer distanziert, das seit Jahren im Kölner Dom veranstaltete Jahresgedenken wurde in diesem Jahr ohne Angabe von Gründen abgesagt.

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Schwere Vorwürfe gegen eine prägende Persönlichkeit der katholischen Kirche: Pater Werenfried van Straaten (1913-2003), Gründer des Hilfswerks "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe", soll 1973 eine 20-jährige Frau sexuell bedrängt haben. Das berichtet die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" am Mittwoch vorab. Dafür sei Jahrzehnte später zweimal eine erhebliche Entschädigungssumme von insgesamt 36.000 Euro bezahlt worden. Van Straaten war in der Nachkriegszeit als "Speckpater" und extrem erfolgreicher Spendensammler für Notleidende berühmt geworden.

Die Vorwürfe seien im Vatikan und bei "Kirche in Not" schon seit zehn Jahren bekannt, schreibt "Christ und Welt" weiter. Zwischen 2009 bis 2011 habe der Paderborner Weihbischof Manfred Grothe im Auftrag von Papst Benedikt XVI. das Hilfswerk untersucht. Grothe habe 2010 den Präfekten der Kleruskongregation im Vatikan, Kardinal Mauro Piacenza, über Vorwürfe gegen van Straaten informiert: Es handele sich um einen Versuch des sexuellen Übergriffs, um "Maßlosigkeiten in der Lebensführung, um erhebliche Defizite in der Personalführung sowie um Anfälligkeiten für faschistoide Ideen". Während letzterer Vorwurf nicht belegt werden konnte, wurden die anderen offenbar verifiziert.

 

"Kirche in Not": Defizite sind nicht zu rechtfertigen

 

Ein Seligsprechungsverfahren wurde daraufhin gar nicht erst in Angriff genommen. Piacenza habe in einem internen Schreiben zur Geheimhaltung geraten. Laut "Christ und Welt" hat sich "Kirche in Not" kürzlich von seinem Gründer distanziert. "Diese massiven Defizite des Verhaltens von Pater van Straaten sind nicht zu rechtfertigen", schreibt die Organisation laut Zeitung. Das seit Jahren im Kölner Dom veranstaltete Jahresgedenken rund um van Straatens Todestag am 31. Januar wurde in diesem Jahr ohne Angabe von Gründen abgesagt.

"Kirche in Not" sprach am Mittwoch auf der Homepage von schweren Vorwürfen, die "zutiefst" bedauerlich seien. "Die Organisation distanziert sich umfassend von jeder Form des Verhaltens, wie es in dem Artikel Pater van Straaten vorgeworfen wird", erklärte der geschäftsführende Präsident, Thomas Heine-Geldern. Er sprach vom Vorwurf der sexuellen Nötigung in einem Fall. "Weitere Anschuldigungen sexualisierter Gewalt gegen Pater van Straaten sind bisher nicht bekannt." In 27 Fragen und Antworten geht "Kirche in Not" auf der eigenen Internetseite auf die Vorwürfe aus dem "Christ und Welt" Beitrag ein.

 

Wer war Pater Werenfried van Straaten?

 

Der im niederländische Mijdrecht als Philipp van Straaten geborene Prämonstratenser-Mönch hatte 1947 zur Hilfe für die 14 Millionen Heimatvertriebenen aus den deutschen Ostgebieten aufgerufen. In Belgien und den Niederlanden sammelte er Kleidung, Lebensmittel und Speck. 1952 gründete er "Kirche in Not".

Aufsehen erregte der "Speckpater" mit unkonventionellen Ideen wie den "Kapellenwagen", die im Nachkriegsdeutschland Priestern als fahrende Kirchen dienten. Später kamen in der brasilianischen Amazonasregion und an Wolga und Don "schwimmende Kirchen" zum Einsatz.

 

Mit "Ostpriesterhilfe" für verfolgte Christen in der Sowjetunion

 

1953 regte der Prämonstratenser auch die Gründung des Bauordens an, der Flüchtlingen in Deutschland beim Bau eines eigenen Heimes helfen sollte. Nach dem Ungarn-Aufstand 1956 wandte sich van Straaten intensiv der "Ostpriesterhilfe" und damit verfolgten Priestern, Ordensleuten und Laien in Osteuropa und der Sowjetunion zu. In den 1990er Jahren reiste er im Auftrag von Papst Johannes Paul II. nach Russland, um Kontakte zur orthodoxen Kirche aufzubauen.

2019 hatte "Kirche in Not" mit Sitz im hessischen Königsstein nach eigenen Angaben mehr als 111 Millionen Euro an Spenden zur Verfügung, für Hilfsprojekte in mehr als 140 Ländern. Das Werk hilft bei der Ausbildung von Priestern, bei Baum von Ausbildungsstätten und Kirchen, beim Verlegen der Bibel und religiöser Literatur sowie bei der Ausstrahlung religiöser Rundfunkprogramme. Seit 2011 ist "Kirche in Not" eine Stiftung päpstlichen Rechts.

Update 16.25 Uhr: Reaktion "Kirche in Not" im vierten Absatz

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