Anteil kirchlicher Beisetzungen unter 50 Prozent gesunken

Wald oder Friedhof, Urne oder Sarg – die Bestattungskultur wandelt sich

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Im Begräbniswald oder auf dem Friedhof, in Urne oder Eichensarg, mit individuell gestalteter Trauerfeier oder anonymer Beisetzung: Die Bestattungskultur in Deutschland wird vielfältiger. Ein kleiner Überblick.

Nicht nur der Anteil der Bundesbürger, die einer der beiden großen Kirchen angehören, ist unter 50 Prozent gesunken. Auch der Anteil kirchlicher Bestattungen macht bundesweit erstmals weniger als die Hälfte aus. Insgesamt wird die Bestattungskultur immer vielfältiger.

Wie die Verbraucherinitiative für Bestattungskultur, "Aeternitas", ermittelte, wurden 2020 in Deutschland 489.664 Bestattungen katholisch oder evangelisch begleitet. Damit gab es 49,7 Prozent christliche Beerdigungen. Im Jahr 2000 machte ihr Anteil noch 71,5 Prozent aus.

70 Prozent Einäscherungen

Einen Wandel stellen die Experten auch bei der Form der Bestattungen fest. Wurden vor 30 Jahren noch weniger als ein Drittel der Verstorbenen eingeäschert, sind es mittlerweile rund 70 Prozent.

Der Trend dürfte sich noch verstärken. Denn nach einer aktuellen Umfrage von "Aeternitas" wollen nur noch zwölf Prozent der Befragten klassisch im Sarg auf einem Friedhof begraben werden. 25 Prozent bevorzugen demnach die Beisetzung in einem Bestattungswald. Auch pflegefreie Grabangebote wie Urnenwände würden mit 18 Prozent immer beliebter. Ein klassisches Urnengrab auf einem Friedhof wünschen 14 Prozent, eine Beisetzung auf See sechs Prozent.

Drei Viertel sind gegen Friedhofszwang

Rund drei Viertel halten es laut Umfrage für veraltet, dass Verstorbene auf Friedhöfen beigesetzt werden müssen. 13 Prozent hätten gerne ihre Asche in der Natur verstreut; acht Prozent würden bevorzugen, dass Angehörige die Urne zuhause aufbewahren oder die Asche im heimischen Garten beisetzen.

"Traditionen, Konventionen und religiöse und familiäre Bindungen verlieren an Bedeutung", fasst der Vorstand der Verbraucherinitiative, Christoph Keldenich, zusammen. "Mobilität und Vielfalt der Lebensentwürfe nehmen zu." Das hat auch Auswirkungen auf Tod und Sterben.

Bestattung unter Bäumen

Kirchen, Friedhofsverwalter und Bestatter beobachten zwei gegenläufige Trends: Auf der einen Seite immer mehr pflegeleichte Grabstellen, etwa Rasengräber oder Urnenwände. Das über Generationen gepflegte Familiengrab wird Auslaufmodell. Auf der anderen Seite wächst der Wunsch nach persönlich gestalteten Grabmalen.

Der Trend zu anonymen Gräbern scheint allerdings durch das stärkere Angebot pflegeleichter Grabstellen gestoppt, sagt "Aeternitas"-Pressesprecher Alexander Helbach. Zugleich nimmt die Zahl der Baumbestattungen weiter zu. Rund 250 Bestattungswälder gebe es mittlerweile in Deutschland, schätzt Helbach. Auch auf immer mehr öffentlichen und kirchlichen Friedhöfen sind Baumbestattungen möglich.

Ausnahmen von der Sargpflicht

Weit flexibler sind die Regeln zum Sargzwang: Insbesondere aus Rücksicht auf Muslime, bei denen die Bestattung in einem Leichentuch stattfindet, wurden in allen Bundesländern bis auf Sachsen und Sachsen-Anhalt Ausnahmen von der Sargpflicht zugelassen.

Solche Vielfalt war lange unmöglich: Es war die Angst vor Seuchen, die etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 zu der Vorschrift führte, Tote dürften nur auf festgelegten Flächen außerhalb der bewohnten Orte beerdigt werden. Seit 1934 gilt dies zwingend auch für die Asche von Toten.

Warum Friedhöfe erhalten bleiben sollen

Eine Ausnahme ist die Seebestattung. Während andere Länder inzwischen erlauben, die Asche Verstorbener auch daheim aufzubewahren, bleibt Deutschland streng. Lediglich Bremen hat seit 2015 Ausnahmen ermöglicht.

Insbesondere die Kirchen wehren sich gegen eine Aufhebung der Friedhofspflicht: Friedhöfe sollten als Orte des Gedenkens, der Mahnung und des gemeinschaftlichen Trauerns erhalten bleiben. Auch Städte und Gemeinden haben ein Interesse am Erhalt von Friedhöfen. Schließlich können sie ihre Kosten kaum noch decken, weil es immer weniger Erdbestattungen gibt.

Kirchen waren lange gegen Feuerbestattungen

Jahrzehntelangen Streit gab es um Feuerbestattungen. Die Kirchen wehrten sich lange gegen das Verbrennen der Leichen, sollten die Toten doch für den Tag ihrer "fleischlichen" Auferstehung in ein Grab gelegt werden. Leichenverbrennungen galten als besonders schändliche Bestattungsform, etwa für vermeintliche Hexen.

1960 waren gerade mal zehn Prozent der Bestattungen in der Bundesrepublik Feuerbestattungen. Die evangelische Kirche gab 1920 ihren Widerstand auf. Erst 1963 erlaubte der Vatikan auch Katholiken Einäscherungen.

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