Präsident Daniel Ortega geht gegen Opposition vor – Papst schweigt bisher

Warum das Regime in Nicaragua einen Bischof in Hausarrest schickt

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Das Regime in Nicaragua geht gegen Oppositionelle vor, schaltet kirchliche Radiosender ab, stellt einen kritischen Bischof praktisch unter Hausarrest. Papst Franziskus schweigt bisher. Prominente wie Bianca Jagger, gebürtig aus Nicaragua, und der Ex-Präsident von Mexiko fordern dringend deutliche Worte des Papstes.

Während vor der Kirchentür die Polizei das Gelände abgesperrt hat, feiert Bischof Rolando Alvarez gemeinsam mit fünf weiteren eingesperrten Geistlichen und sechs Laien Gottesdienst. Zwölf Tage dauerte am gestrigen Montag die Einkesselung des Bischofs von Matagalpa in seiner Kirche bereits an.

Zwölf Tage, an denen sich Franziskus zu den jüngsten Vorfällen in Nicaragua hätte äußern können. Doch der Papst schweigt, was Verwunderung auslöst. Denn während der lateinamerikanische Bischofsrat CELAM und viele nationale Bischofskonferenzen der Kirche in Nicaragua ihre Solidarität ausdrücken, hält sich Franziskus bislang zurück.

"Skandalöses Schweigen"

Inzwischen mehren sich Stimmen, die ihn auffordern, das Wort zu ergreifen. "Es ist schwer zu entscheiden, was skandalöser ist: die Entscheidung des nicaraguanischen Diktators Daniel Ortega, sieben Radiosender der katholischen Kirche zu schließen und den Hausarrest eines Bischofs und seiner Helfer anzuordnen, oder das völlige Schweigen von Papst Franziskus zu diesen Angriffen auf sein eigenes Volk", schreibt der argentinische Pulitzer-Preisträger und CNN-Journalist Andres Oppenheimer für die Tageszeitung "El Nuevo Herald" aus Miami.

Die gebürtige Nicaraguanerin Bianca Jagger, Ex-Frau des "Rolling Stones"-Sängers Mick Jagger und heute engagierte Menschenrechtsverteidigerin, forderte Franziskus auf, Stellung zu beziehen und "seine Bischöfe und seine Priester nicht im Stich zu lassen". Das gelte "insbesondere für Bischof Rolando Alvarez, dessen Leben in Gefahr ist", sagte Jagger in London vor Journalisten.

"Ohrenbetäubende Stille"

Auch Mexikos Ex-Präsident Felipe Calderon kritisiert das Schweigen: Im Moment überfalle die nicaraguanische Diktatur Kirchen, entführe Gemeindemitglieder und Schutzsuchende. Die scharfe Verurteilung dieser Vorfälle durch demokratische Regierungen und insbesondere durch Franziskus sei dringend erforderlich. Die "Barbarei" müsse gestoppt werden, schrieb Calderon. Seinen Tweet untermauerte er mit einem Video, das zeigt, wie nicaraguanische Sicherheitskräfte in eine Kirche eindrangen.

Der Jurist und Generalsekretär der unabhängigen nicaraguanischen Vereinigung für Menschenrechte ANPDH, Alvaro Leiva, schrieb vor wenigen Tagen einen Brief an den Papst und merkte an: "Es gibt wenige Dinge, die so ohrenbetäubend sind wie die Stille."

Was für ein Schweigen sprechen könnte

Warum sich der oberste Repräsentant der katholischen Kirche bislang nicht äußert, ist unklar. Ein nicaraguanischer Kirchenkenner vermutet, der Erzbischof von Managua, Kardinal Leopoldo Brenes, habe ihn gebeten, vorerst zu schweigen, damit die Situation nicht weiter eskaliere.

Anfang August war bekannt geworden, die sandinistische Regierung von Daniel Ortega habe ein halbes Dutzend Radiostationen der Diözese Matagalpa geschlossen. Zur Begründung gab die Telekommunikationsbehörde eine fehlende Sendeerlaubnis an; Kirchenvertreter entgegneten, Anträge lägen seit 2016 vor und würden seitens des Staates nicht bearbeitet.

Unruhen seit 2018

Matagalpas Bischof Rolando Alvarez befindet sich seit knapp zwei Wochen in einer Art Hausarrest. Ihm wirft die Justiz Anstachelung zur Gewalt und Aufruhr vor.

Seit Ende 2018 sind laut Medienberichten etwa 1.200 Nichtregierungsorganisationen in Nicaragua die rechtlichen Grundlagen für die Fortsetzung ihrer Arbeit entzogen worden. Auch kirchliche oder der Kirche nahestehende Organisationen sind betroffen. Basis der Zahlen ist eine Datenbank, die das Internetportal "Confidencial" angelegt hat.

Kirche kritisiert Rechtsverstöße

Nicaragua erlebt seit 2018 eine Krise mit landesweiten Protesten gegen die linksgerichtete Ortega-Regierung. Seit Beginn kamen rund 350 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt. Nicaraguas Kirche, Menschenrechtler und unabhängige Medien kritisierten immer wieder in scharfer Form die Rechtsverstöße der Machthaber.

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