15.000 junge Leute begeistern sich für Europa

Warum das Taizé-Treffen in Madrid Jugendliche so bewegt

Rund fünf Monate vor der Europawahl kommen in Madrid 15.000 Jugendliche zusammen, um gemeinsam zu singen, zu beten und zu diskutieren. Das Taizé-Treffen in Madrid ist ein Fest des Glaubens und zugleich gelebtes Europa.

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Vom Brexit, dem Damokles-Schwert über dem politischen Europa, keine Spur. Auch nicht von Populisten, die in vielen Ländern Europas immer lauter werden. Einfache Antworten scheinen in Madrid beim 41. Europäischen Jugendtreffen der Gemeinschaft von Taizé nicht gefragt. Es geht um Austausch und Miteinander; um die Suche nach Antworten, nach Gott und sich selbst.

Das Treffen steht im Zeichen der Gastfreundschaft. Der Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Frère Alois, hat für die Teilnehmer fünf „Vorschläge für 2019“ formuliert. Sie drehen sich etwa um Gastfreundschaft, um die eigenen Grenzen oder um Großzügigkeit. Jenseits von Unterschieden zwischen Religion, Lebenseinstellungen oder politischen Ansichten bringe Gastfreundschaft Menschen zueinander, betonte Frère Alois beim Abendgebet. Spaltungen würden dadurch nicht aufgehoben, erschienen aber in einem anderen Licht.

 

Stärker als alle Spaltungen in Europa

 

Wer sich darauf einlässt, sitzt beim Abendgebet auf dem Boden der Messehalle neben Menschen aus Spanien, Italien, Polen, Lettland, Slowenien oder Großbritannien. Tausende Jugendliche singen, beten und reden miteinander. Mittendrin die 23-jährige Maria aus Portugal. Manches in Europa drohe auseinanderzudriften, sagt sie. Das Treffen erinnere daran, dass es einen Sinn für Gemeinsamkeit gebe. „15.000 junge Menschen, die Ja zum Frieden sagen - das ist viel stärker als Spaltungen.“

Manche kommen von weit her nach Spanien: Rund 3.500 reisten aus Polen an, 1.300 aus Kroatien und 2.000 aus der Ukraine. Für sie wird die Teilnahme zu einer echten Europa-Reise. Illia fuhr von der Ukraine 3.000 Kilometer über Prag, Colmar, Dijon und Lourdes nach Spanien. Für ihn ist Europa ein Sinnbild für Freiheit und Freizügigkeit. Die Ukraine ist kein EU-Land. Als Außenseiter sieht sich Illia trotzdem nicht – der Glaube verbinde. Die Entscheidung der Briten, aus der EU auszutreten, kann der 30-Jährige nicht nachvollziehen. Er spricht von einer „schlechten Wahl“ – wünscht er sich doch so sehr, dass seine Ukraine der EU beitreten könnte.

 

Europa – Festung oder Zuhause für alle?

 

Gastfreundschaft – dieses Motto wirft angesichts von Migration und Abschottungstendenzen in der EU Fragen auf. Einige Probleme werden in Madrid offen angesprochen. Die „Initiative Christen für Europa - IXE“ fragte die Jugendlichen nach ihrem Europa-Bild: „Festung oder Zuhause für alle Menschen?“ Ein Spannungsfeld, für das es keine schnellen Antworten gebe. Die Europawahl im Mai sei auch eine Entscheidung darüber, „welche Art Europa wir wollen“, so Clemens Ladenburger vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das auch IXE-Mitglied ist. Die Würde des Menschen dürfe nicht aus dem Blick geraten.

Workshops zur Verantwortung gegenüber Migranten oder illegalem Menschenhandel gehen auf Herausforderungen ein. Menschen, die mit Geflüchteten arbeiten, stellen ihre Geschichte vor. Zugleich berichten Christen aus arabischen Ländern über ihre Erfahrungen und teilen etwa ihre Musik mit den Besuchern.

 

Mischung aus Religion und Lebensgefühl

 

Sophie aus Frankreich hat „eine Mischung aus Religion und Lebensgefühl“ nach Madrid gezogen, wie sie sagt. „In Taizé ist mir mehr bewusst, wer ich bin.“ Hautfarbe, Religion oder Herkunft seien zweitrangig. „Wir teilen den Glauben - aber ich denke, wir teilen auch den Gedanken: Zuerst ist da ein Mensch.“ Das Jugendtreffen sei eine Chance, Menschen aus anderen Ländern kennenzulernen, zu diskutieren und einen Blick dafür zu bekommen, was andere Menschen im Alltag bewegt.

Die Schweizerin Juliette übernachtet in Madrid gemeinsam mit einer anderen Schweizerin, zwei Polen und vier Slowenen bei einer spanischen Ordensfrau – eine bunt gewürfelte Gruppe, die auch zusammen zu den Gebeten und Gesprächen zieht. „Hier sind die Menschen viel offener“, so die 22-Jährige. Es werde viel schneller und tiefer diskutiert – auch mit Fremden. Europa, das sind doch hauptsächlich Bürokratie und Regeln, so ein Einwand vieler Kritiker. Die jungen Menschen beim Taizé-Treffen in Madrid setzen ein eindrückliches Zeichen dagegen: Europa als gelebte Gemeinschaft.

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