Sprechstunde für Menschen ohne Krankenversicherung boomt

Warum die Malteser in Oldenburg dringend Frauenärztinnen suchen

  • Die Malteser in Oldenburg behandeln seit sieben Jahren Menschen ohne Krankenversicherung.
  • Der Dienst wurde als Angebot für Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus gegründet.
  • Das Problem: Schwangere Frauen suchen dort vermehrt Hilfe, aber es gibt keine Frauenärztinnen im Helfer-Team.

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Die Malteser in der Stadt Oldenburg stehen vor einem Ärztemangel ganz eigener Art: „Wir suchen dringend Frauenärztinnen“, sagt Malteser-Stadtgeschäftsführer Roland Keller. Ein ungewöhnlicher Wunsch für einen Verband, der sich in Oldenburg etwa im Rettungsdienst und in der Erste-Hilfe-Ausbildung engagiert, aber eigentlich nicht in der medizinischen Grundversorgung.

Mit einer Ausnahme: Seit 2015 bieten die Malteser in Oldenburg eine kostenlose ärztliche Sprechstunde für Menschen ohne Krankenversicherung an. Derzeit sind dort vier Ärztinnen und Ärzte ehrenamtlich tätig. 2020 verzeichneten sie 102 Kontakte, davon 26 schwangere Frauen. Sieben gaben eine deutsche Staatsbürgerschaft an, 35 einen illegalen Aufenthaltsstatus, 60 machten keine Angaben - eine solche Anonymität ist ausdrücklich möglich. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat sich die Zahl deutscher Patienten fast verdreifacht.

Gedacht für illegale Flüchtlinge

Bei Gründung 2015 hieß der Dienst noch „Malteser Migranten Medizin“, was die Zielgruppe beschreibt. Mit dem Zustrom von Flüchtlingen vor sieben Jahren stieg die Zahl derer, die sich nicht um Asyl bewarben oder deren Antrag abgelehnt wurde. „Die fielen dann durchs Raster“, sagt Keller. Eine Meldung bei Krankenversicherung oder Sozialamt kamen für sie nicht infrage.

Medizinische Hilfe brauchten sie trotzdem, am besten anonym. Genau dafür gründeten die Malteser ihre wöchentliche Sprechstunde am Mittwochnachmittag in den Räumen ihrer Geschäftsstelle. Im ehrenamtlichen Einsatz waren dort meist Allgemeinmediziner.

Schwangere kommen häufiger

Roland Keller, Stadtgeschäftsführer der Malteser in Oldenburg. | Foto: Malteser
Roland Keller, Stadtgeschäftsführer der Malteser in Oldenburg. | Foto: Malteser

Schon damals aber gab es das Problem der wenigen Frauenärzte. Schwangere machen ein Drittel der Kontakte im Jahr aus. Eine stetige Begleitung bis hin zur Entbindung – die konnten die Allgemeinmediziner nicht leisten.

Das Problem ist geblieben, denn auch Sprechstunde gibt es noch. Nur inzwischen unter dem Namen „Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung“.

Bedarf ist weiter da

Der Bedarf für diesen Dienst sei nämlich ungebrochen, berichtet Keller. Ausländische Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung gebe es auch im siebten Jahr nach dem Flüchtlings-Herbst immer noch. Zudem werde die Sprechstunde zunehmend von Deutschen besucht, die keine Krankenversicherung haben.

Das gilt etwa für Obdachlose, die jeden Kontakt zu Ämtern und anderen Behörden meiden. „Aber auch die werden krank und brauchen Hilfe“, sagt Keller.

Keine Chance auf Versicherung

So hat es in Oldenburg 2015 angefangen: Allgemeinarzt Bernhard Wefer aus Visbek behandelt ehrenamtlich Flüchtlinge in der „Malteser Migranten Medizin“. | Archiv-Foto: Franz Josef Scheeben
So hat es in Oldenburg 2015 angefangen: Allgemeinarzt Bernward Wefer aus Visbek behandelt ehrenamtlich Flüchtlinge in der „Malteser Migranten Medizin“. | Archiv-Foto: Franz Josef Scheeben

Das gilt auch für Menschen, die einmal selbständig waren. Oft können sie nach einer Krise und der Geschäftsaufgabe ihre Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht mehr zahlen. „Und die gesetzliche Krankenversicherung nimmt sie nicht.“ Die Sprechstunde der Malteser ist dann ihr Aus-weg.

Behandelt werden die Menschen in einem Nebenraum der Dienststelle. Dort stellt das Team am Mittwochnachmittag eine Liege auf, legt Medikamente und Material bereit. Weitere Medikamente können Patienten auf Rezept über eine bestimmte Apotheke erhalten, die Kosten übernehmen die Malteser aus Spenden.

Auch Arzthelferin gibt es

Auch Arzthelferinnen gibt es: Eine der jungen Frauen, die einen Freiwilligendienst bei den Maltesern leisten, übernimmt diese Aufgabe. Aber auch Roland Keller geht den Ärzten schon mal zur Hand. „Die Erste-Hilfe-Ausbildung haben wir ja alle.“ Jetzt fehlen nur noch die Frauenärztinnen.

In Deutschland leben nach offiziellen Angaben mindestens 80.000 Menschen ohne eine Krankenversicherung, obwohl die seit 2009 gesetzlich vorgeschrieben ist. Bundesweit haben die Malteser 2020 an 19 Standorten in speziellen Sprechstunden gut 5.000 Menschen versorgt. Auffällig war, dass die Zahl der Menschen deutscher Staatsangehörigkeit um ein Drittel stieg.  Ebenso auffällig: Ein Drittel der Patienten waren Schwangere. Bundesweit sind rund 300 Ehrenamtliche in den speziellen Sprechstunden tätig. (fjs)

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