Michael Hirschfeld: Münsterlandhalle in Cloppenburg ist religiöser Erinnerungsort

Warum ein Kirchenhistoriker eine Tierauktions-Halle erhalten will

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Wegen schwerer Schäden an Dach und Konstruktion soll die 92 Jahre alte Münsterlandhalle in Cloppenburg anstelle einer Sanierung möglicherweise durch einen Neubau ersetzt werden. Dagegen protestiert der Historiker Michael Hirschfeld aus Vechta. Die Halle, traditionell ein Ort für Tierauktionen, Märkte und Versammlungen, müsse als Erinnerungsort an den Oldenburger Kreuzkampf 1936 erhalten bleiben.

Herr Professor Hirschfeld, ist die Münsterlandhalle wirklich so bedeutsam, dass die Region gegen einen Abriss protestieren müsste?

Der Oldenburger Kreuzkampf vom November 1936 wurde europaweit bekannt: Stilisierte Darstellung in einer französischen Zeitung: die entscheidenden Kundgebung am 25. November in der Münsterlandhalle Cloppenburg mit NS-Gauleiter Carl Röver. | Foto: Offizialatsarchiv
Der Oldenburger Kreuzkampf vom November 1936 wurde europaweit bekannt: Stilisierte Darstellung in einer französischen Zeitung: die entscheidende Kundgebung am 25. November in der Münsterlandhalle Cloppenburg mit NS-Gauleiter Carl Röver. | Foto: Offizialatsarchiv

Ja, denn sie ist über fast ein Jahrhundert ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Mittelpunkt der Region gewesen. Vor allem aber ist sie zu einem Erinnerungsort des Oldenburger Münsterlandes geworden, seit der NS-Gauleiter Carl Röver hier am 25. November 1936 auf Druck der aufgebrachten Massen seinen berüchtigten Kreuzerlass zurücknehmen musste. Nicht ohne Grund wurde 25 Jahre später, 1961, neben der Münsterlandhalle ein großes Kreuz als Mahnmal errichtet. Seitdem ist deutlich: Die Münsterlandhalle ist auch ein religiöser Erinnerungsort, weil hier das Kreuz über das Hakenkreuz triumphiert hat.

Warum sind diese Ereignisse heute noch so bedeutsam?

Professor Michael Hirschfeld ist Historiker an der Universität Vechta und erforscht auch regionale Kirchengeschichte. | Foto: Franz Josef Scheeben
Professor Michael Hirschfeld ist Historiker an der Universität Vechta und erforscht auch regionale Kirchengeschichte. | Foto: Franz Josef Scheeben

Der Kreuzkampf war der einzige wirksame Massenprotest einer gesamten Region gegen die NS-Diktatur. Das hat Wellen bis ins Ausland geschlagen und Cloppenburg mit der Münsterlandhalle in die Geschichtsschulbücher getragen. Dazu kommt, dass etliche Familienväter in der Folge von der Gestapo inhaftiert wurden, weil sie aktiv am Kreuzkampf teilgenommen hatten. Angesichts zunehmender Popularität rechter Bewegungen bei uns, aber auch in vielen Teilen Europas sollte die Zivilcourage dieser Laien einen stärkeren Platz in der Erinnerungskultur erhalten.

Könnte man nicht auch ohne das Gebäude die Ereignisse im Blick behalten?

Die Menschen benötigen gerade in einer zunehmend als unsicher empfundenen Zeit sichtbare Orte des Gedenkens. Stätten zum Anfassen haben Potenzial. Daher sind die Entscheidungsträger in der Verantwortung, dass die Münsterlandhalle nicht zu einem „lost place“ wird.

Oldenburger Kreuzkampf
Die NS-Landesregierung im Freistaat Oldenburg ordnete am 4. November 1936 an, alle Kreuze aus staatlichen und kirchlichen Schulen zu entfernen. Die Menschen setzten sich sofort zur Wehr. Bei einer Kundgebung im Wallfahrtsort Bethen protestierten 3.000 Menschen. In den Dörfern wurden Mitglieder der NSDAP verprügelt. Abordnungen aus den Gemeinden protestierten in Oldenburg bei der Regierung. Gauleiter Carl Röver fuhr deswegen zu einer Kundgebung in die Münsterlandhalle in Cloppenburg. Er kam aber vor fast 1.000 wütenden Menschen nicht zu Wort, zog den Kreuz-Erlass dort spontan zurück. Diese Form des Widerstands blieb damals einzigartig in Deutschland. | fjs

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