Markus Gehling zur Überfrachtung des Weiheamts – und zum Zölibat

Warum es Zeit ist, neue Ämter zu entdecken

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Es fehlt in der Kirche nicht an Berufungen, wohl aber an jener zu einem ehelosen und mit Aufgaben und Traditionen überfrachteten Weiheamt, sagt Pastoralreferent Markus Gehling. Er wirbt dafür, dessen Aufgaben auf neue Dienste und Ämter zu verteilen.

Ich bewundere Leute, die ihr Leben ganz in den Dienst einer Sache stellen. Politiker, Künstler, Geistliche, die von ihrer Aufgabe ausgefüllt sind und dafür sogar auf ein Liebesleben verzichten. In der Kirche ist es gute Tradition, dass Priester zölibatär leben. Ich habe das immer richtig gefunden, auch wegen des Beispiels Jesu.

Inzwischen wankt diese Überzeugung. Sie wird erschüttert, wenn ich von einem Ehrendomherrn höre, hoch angesehen in kirchlichen Kreisen. Jetzt kommt heraus, dass er persönlich und moralisch verwahrloste und als Missbrauchs­täter ein jämmerliches Doppelleben führte.

Wenn Überzeugungen wanken

Sie wankt, wenn ich bei der Beerdigung eines Pfarrers von seiner Sehnsucht nach Liebe erfahre, die ihn zum Trinker werden ließ. Sie wankt, wenn mir ein alter Pater sagt, erst im Pflegeheim habe er echte Menschlichkeit erfahren. Sie wankt, wenn Priester im Alter vereinsamen oder nicht wissen, wo und bei wem sie ihren Lebensabend verbringen sollen. Wer zahlt den Preis für ein allzu hohes Ideal?

Sie wankt aber auch, wenn ich sehe, dass wir die Räume um die noch verfügbaren Priester immer größer ziehen. In der Nachbarschaft werden drei Messen, die der Pfarrer am Wochenende feiern kann, auf neun Kirchen aufgeteilt.

Es fehlt die Berufung zum zölibatären Weiheamt

Der Autor
Markus Gehling ist Pastoralreferent in St. Peter und Paul Voerde mit eigenem Blog auf www.kreuzzeichen.blogspot.com

Kirchenpolitisch wird mit harten Bandagen ums Amt gestritten – mit dem Zölibat als goldenem Kalb der Rechtgläubigkeit. Dabei verschwindet es längst aus dem kirchlichen Alltag. Mit ihm schwinden Quelle und Höhepunkte des ganzen christlichen Lebens. Die Frage „Braucht es Priester?“ stellt sich nicht, wenn diese sich in weiten Räumen verlieren.

Natürlich liegt der Priestermangel nicht allein am Zölibat. Es mangelt in der Kirche nicht an Berufungen – wenn auch an jener zu einem ehelosen und mit Aufgaben und Traditionen überfrachteten Weiheamt.

Neue Ämter und Dienste entdecken

Es ist meine feste Überzeugung, dass wir als katholische Kirche nicht sein können ohne Amt und Sakrament. Weil man sich aber an ein Priesterideal klammert, legt man die Axt an die Wurzeln der Kirche. Wie kann Gemeinde leben, wenn ihr innerster Wesenskern, die Sakramentalität, aus dem Glaubensalltag verschwindet?

„Er setzte die einen als Apostel ein, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer.“ Nachdem wir jahrhundertelang all diese Dienste den Priestern allein aufgebürdet hatten wird es höchste Zeit, neue Dienstämter zu entdecken, zu qualifizierten, zu beauftragen. Papst Franziskus hat uns mit dem Amt der Katechisten eine erste Tür geöffnet.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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