72-Jährige aus Haltern war lange konfessionslos

Warum Gabriele Oltmans in die katholische Kirche eingetreten ist

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Wenn jedes Jahr Zehntausende Menschen der katholischen Kirche den Rücken kehren und aus ihr austreten, ist ein Eintritt bemerkenswert. Die Entscheidung, katholisch zu werden, hat Gabriele Oltmans aus Haltern getroffen. Warum sie diesen Schritt getan und welche Rolle freundliche katholische Studierende und Dozenten in Münster dabei gespielt haben, verrät sie im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.

„Ich fühle mich in der katholischen Kirche wohl. Schlicht und einfach. Die Kirche spricht mich emotional an.“ Wie selbstverständlich spricht Gabriele Oltmans über die katholische Kirche, als wäre sie ein Leben lang in ihr beheimatet gewesen.

Dabei ist sie erst seit wenigen Wochen Mitglied dieser Kirche. Im Rahmen eines Gottesdienstes in der Annaberg-Kapelle in Haltern, einem kleinen Wallfahrtsort im Bistum Münster, ist die 72 Jahre alte Ärztin in die Kirche aufgenommen worden.

 

Aufnahme im kleinen Kreis

 

Ein kleiner Kreis, bestehend aus zwei Paten und vier Freunden, ist es gewesen, der den schlichten Gottesdienst mit Pfarrer Klemens Emmerich zum „offiziellen Eintritt“ mitgefeiert und später bei einem netten Beisammensein das neue Kirchenmitglied begrüßt hat.

„Eine größere Feier war nicht geplant. Meine wenigen Familienangehörigen halten nicht viel von Religion. Die meisten sind konfessionslos. Aber das ist mir egal“, sagt die couragierte Frau, die viele Jahre als Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen im Gesundheitsamt Gelsenkirchen arbeitete und seit 30 Jahren in Haltern lebt.

 

Religionsfernes Umfeld

 

Gabriele Oltmans stammt aus Hannover. Sie ist evangelisch getauft und konfirmiert. Später, Mitte der 1970er Jahre, als sie ihren Mann heiratete, trat sie aus der evangelischen Kirche aus. „Mein Ex-Mann hielt nichts von Religion und Kirche.“ In ihrem eigenen familiären Umfeld gab es auch kaum jemanden, der im kirchlichen Bereich engagiert war und sie von einem Austritt habe abhalten können.

Ihr Vater, jüdischer Abstammung und evangelisch-reformiert, der mit Glück die Nazi-Zeit überlebte, habe sich in der Nachkriegszeit immer mehr vom christlichen Glauben entfernt und sich später dem Buddhismus zugewandt, sagt Oltmans.

 

Konfessionslose Sinnsuche

 

Sie selbst habe ihren Kirchenaustritt nicht bedauert. Sie habe sich als konfessionslose Sinnsucherin verstanden. Schon immer habe sie sich auch ohne Kirche für religiöse und philosophische Fragen interessiert.

„Woher komme ich? Wohin gehe ich? Mit den menschlichen Grundfragen habe ich mich immer gern beschäftigt und Antworten gesucht bei den Weltreligionen und Philosophen. Ich wollte wissen: Was ist meine eigene Religion?“, sagt die Ärztin.

 

Studium in Münster ruft Erinnerungen hervor

 

Als sie vor 13 Jahren in den Ruhestand trat, war für sie klar, in Münster einige Studienfächer zu belegen. Musikwissenschaft war immer schon ein Hobby von ihr gewesen, aber auch die Religionspädagogik weckte wegen ihrer Themenvielfalt ihr Interesse. „Ich habe mich einfach im katholischen Fachbereich einschreiben lassen. Katholisch zu werden, war damals gar nicht meine Absicht.“

Dass es doch die katholische Fakultät wurde, entsprang vielleicht einem Impuls, dem Oltmans folgte. In jungen Jahren erlebte sie nach ihrer ersten Ausbildung zur Krankenschwester einen Abschluss-Gottesdienst im Hildesheimer Dom, der Erinnerungen weckte. „Ich erinnerte mich noch an diese feierliche Liturgie, die mich ansprach“, sagt sie.

 

Beschäftigung mit der Reformation

 

Dass eine Annäherung an die evangelische Kirche nicht anstand, begründet sie so: „Das Evangelische ist mir einfach zu kahl. Sola scriptura, das ist nichts für mich.“

Der lateinische Ausdruck „sola scriptura“ („allein durch die Schrift“) bezeichnet einen theologischen Grundsatz der Reformation und der reformatorischen Theologie, nach dem die Heilsbotschaft allein durch die Bibel vermittelt wird und keiner Ergänzung durch kirchliche Überlieferungen bedarf. „Diese Abgrenzung zur katholischen Kirche ist halt nicht meine Sache.“

 

Nette katholische Studierende

 

Als Oltmans in Münster im Alter von 59 Jahren das Studium begann, wurde sie von den Studierenden und Dozenten gleich akzeptiert. „Ich habe mich am Fachbereich sofort wohlgefühlt. Ich habe gute Lehrkörper und vor allem nette Studierende kennengelernt, die mir das Studieren einfach gemacht haben.“

Die Tage an der Universität gefielen ihr schließlich so gut, dass sie das Studium der katholischen Theologie aufnahm, das sie 2019 mit dem Magister abschloss. Ihre Abschlussarbeit beim Kirchenhistoriker Professor Alfons Fürst handelte über den lateinischen Kirchenlehrer und Heiligen Ambrosius.

 

Begeistert von Hans Küng

 

Das Eintauchen in die Theologie, das Erlernen der altgriechischen Sprache und das Lesen vieler Bücher haben Gabriele Oltmans begeistert. Sie hat fast alle Werke des Schweizer Theologen Hans Küng gelesen und vieles über den Zustand der heutigen Kirche wie das aktuelle Buch des Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke „Die Täuschung – Haben Katholiken die Kirche, die sie verdienen?“, das Oltmans für zu pessimistisch hält: „Für mich hat die Kirche eine Zukunft.“

Zu Kirchenthemen hat die „junge Katholikin“ eine klare Meinung: Mit Weihrauch und Marienfrömmigkeit kann sie wenig anfangen, die verpflichtende Ehelosigkeit für Priester hält sie für überholt und nicht zu rechtfertigen.

 

Gute Predigten

 

Mit Klerikalismus kann sie ebenso wenig etwas anfangen. „Ich wünsche mir Reformen. Die Gleichberechtigung von Frau und Mann steht für mich außer Frage.“ Eine übereifrige Kirchgängerin werde sie nicht sein, bekennt sie, aber sie freue sich über jede gute Predigt. „Pfarrer Michael Ostholthoff in Haltern kann das gut“, nennt sie einen Namen.

Vor ihrem Kircheneintritt, der für die Ärztin der logische Abschluss einer Entwicklung war, wurde sie Mitglied in der katholischen Friedensbewegung Pax Christi und absolvierte eine Ausbildung zur ehrenamtlichen seelsorglichen Begleiterin in der Krankenhausseelsorge, eine Qualifikation, die das Bistum Münster anbietet.

 

Mitarbeit in der Krankenhausseelsorge

 

Diesen Dienst übt die engagierte Katholikin schon seit einiger Zeit im Elisabeth-Krankenhaus in Recklinghausen-Süd aus. „Ich denke, dass mir die Krankenhausseelsorge gut liegt“, sagt sie.

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