Landpfarrer über Seelsorge und Freundschaftsdienst – auch in Pastoralen Räumen?

Warum Pfarrer Hatwig in Reken bei der Maisernte hilft

  • Reken im westlichen Münsterland ist landwirtschaftlich geprägt.
  • Als Seelsorger hat Pfarrer Thomas Hatwig über die Jahre Beziehungen zu Landwirten aufgebaut und hilft - wie jetzt wieder - auch schonmal bei der Maisernte.
  • Er befürchtet, in Zukunft in größeren pastoralen Räumen weniger Zeit für Begegnung mit Menschen zu haben.

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Ungewohnte Perspektive: Statt Menschen in Kirchenbänken hat Pfarrer Thomas Hatwig ein Lenkrad vor sich und einen Anhänger mit „CCM“ hinter sich. Den spezielle Maisschrot für die Schweinemast transportiert er zum Silo – den ganzen Tag, bis zu Einbruch der Dunkelheit.

Gemeinsam mit einem Freund half er als Fahrer bei der Maisernte eines Landwirts in Reken mit. Seit 2015 ist Hatwig leitender Pfarrer der Gemeinde St. Heinrich in Reken im westlichen Münsterland. Der Landwirtschaftliche Ortsverein ist wie die Landjugend katholisch geprägt, ebenso viele Familien, die in der Landwirtschaft arbeiten, aber Hatwig hatte kaum eine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht: „Ich habe dann vorgeschlagen: 'Ich will mal bei euch auf den Höfen vorbeischauen und eure Arbeit und euch besser kennenlernen“, erzählt Pfarrer Thomas Hatwig im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.

 

Dem Busführerschein hat Hatwig auch

 

So wuchsen aus Hatwigs „Praktikumstagen“ im Kuhstall beim Melken oder beim Rüben Verziehen auf dem Feld auch Freundschaften. „Die Anfrage, ob ich bei der Maisernte Trecker fahren wolle, fiel just auf meinen freien Tag, das passte also“, freut sich Hatwig rückblickend.

Der Umgang mit schweren Fahrzeugen ist dem Pfarrer nicht fremd: Der gelernte Technische Zeichner für Maschinenbau hat als sogenannter „Spätberufener“ früher während seines Theologiestudiums als Busfahrer gejobbt.

 

Frische Luft, keine Kopfgeschichten

 

So ein Zuggespann mit voller Ladung bleibt eine Herausforderung. „Der Junior hat mich zwei Runden auf der Maschine eingewiesen, und dann ging es hin und her, aufs Feld und zurück zum Silo.“

Für den Seelsorger eine willkommene Auszeit: „Das ist einfach schön! Frische Luft, kein Stress, keine Kopfgeschichten, und du kannst einfach mal einen Tag abschalten“, schildert Hatwig. Die Anfrage des Landwirts, mit dem Hatwig mittlerweile eine Freundschaft verbindet, ist für den 48-Jährigen auch Seelsorge: „Kirche muss vor Ort Gesicht zeigen“, findet er.

 

Seelsorger haben viele Aufgaben

 


Ungewohnte Perspektive: Statt Menschen in Kirchenbänken hat Pfarrer Thomas Hatwig einen Tag lang Trecker und Erntemaschinen vor sich. | Foto: privat

Wie viele seiner Kollegen in der Seelsorge ist er Ansprechpartner und Präses allein für drei Verbände, dazu kommen die Leitung und Verwaltung der Pfarrei von 9.768 Mitgliedern, Vorsitzender des Kirchenvorstandes, Mitglied im Vorstand des Pfarreirats, Ansprechpartner für Personalangelegenheiten, Hauptverantwortlicher für die Liturgie, liturgische und seelsorgerische Dienste, sowie Ansprechpartner für die Messdiener und Jugendarbeit.

Ob Hatwig in Zukunft diese Art von Freundschaftsdiensten und Seelsorge so noch handhaben wird, bleibt ungewiss: Wie im ganzen Bistum, ist auch im Kreisdekanat Borken der Diskussionsprozess um die Gestaltung von Pastoralen Räumen gestartet. Die Pfarreien sollen eigenständig bleiben, aber kooperieren: „Ehrlich gesagt, habe ich Angst davor“, gibt Hatwig unumwunden zu: „Für mich funktioniert Seelsorge durch persönlichen Kontakt, dadurch, dass ich Menschen kenne, dadurch, dass ich im Alltag, im Dorf und bei Veranstaltungen dazwischen bin.“ Als Beispiel nennt er seine Mitgliedschaft bei der Freiwilligen Feuerwehr: „Da kamen jetzt Paare auf mich zu, die sich nach langer Zeit dazu entschieden haben sich doch auch kirchlich trauen zu lassen.“

In den größer werdenden Pastoralen Räumen sehe er diese Art von Begegnungen für sich als große Herausforderung: „Wir müssen die kirchlichen Strukturen anpacken, das ist auch klar. Kirche nimmt ab.“ Wie es dann in Zukunft im Pastoralen Raum um Reken, Gescher und Velen bestellt ist, wird im nächsten Jahr diskutiert.

Wie Sie Ihre Meinung zu den Pastoralen Räumen einbringen:
Die Entscheidungsphase ist für Mitte 2023 anberaumt. Fragen und Anregungen zum Prozess im Kreisdekanat Borken können per E-Mail an strukturprozess-bor@bistum-muenster.de gerichtet werden.

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