Ordensgemeinschaften verzeichnen bundesweit Steigerung der Anfragen um 20 Prozent

Warum sich Gäste eine Auszeit im Kloster gönnen

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Einige Tage bei Ordensgemeinschaften zu verbringen – das boomt trotz nachlassender Kirchenbindung. „Kirche+Leben“ hat sich stichprobenartig in einigen Klöstern im Bistum Münster umgehört. Die Gründe für Auszeiten sind zuweilen überraschend.

Einige Tage bei Ordensgemeinschaften zu verbringen – das boomt trotz nachlassender Kirchenbindung. „Kirche+Leben“ hat sich stichprobenartig in einigen Klöstern im Bistum Münster umgehört. Die Gründe für Auszeiten sind zuweilen überraschend.

Das Interesse an Gast-Aufenthalten in deutschen Klöstern steigt weiterhin. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Deutschen Ordensobernkonferenz. Demnach hat sich die Zahl der Gäste pro Kloster in den vergangenen fünf Jahren um rund 20 Prozent erhöht. Ein ungebrochenes bis gestiegenes Interesse bestätigt sich auch bei einer Umfrage unter einigen Ordensgemeinschaften  im Bistum Münster.

 

Gästehaus in Dinklage ist ausgelastet

 

Weit über das Offizialat Oldenburg hinaus bekannt ist die Benediktinerinnen-Abtei Burg Dinklage. Rund 4000 Übernachtungen und 1000 Gäste verzeichnen die Schwestern pro Jahr. Damit ist das Gäste­haus ausgelastet. Schwester Lydia, die für die Betreuung zuständig ist, beobachtet eine „leicht steigende Tendenz“ bei den Anfragen. Da gilt es, die Balance zu halten: „Wir sind ja kein Gäste-Betrieb, sondern ein Kloster, das einen Gäste-Bereich hat“, stellt sie klar.

Alle Altersgruppen sind im Gäst­ebereich zu finden. Nicht allein katholische und evangelische Christen melden sich für eine Auszeit im Kloster an, sondern auch Nichtchristen, die auf der Suche sind. „Sie schätzen die klösterliche Atmosphäre, die den Raum öffnet für Erfahrungen mit Gott“, so bringt es Schwester Lydia auf den Punkt. Das bedeutet auch: Allein sein mit sich, mit Gott und den wirklich wichtigen Fragen abseits alltäglicher Geschäftigkeit. „Viele nehmen die Chance wahr, bei sich zu sein und mit Ruhe und Wohlwollen ihr Leben zu betrachten“, sagt Schwester Lydia.

 

Liturgie, Ruhe und Austausch

 

Die Benediktinerinnen bieten Exerzitien an, die Gäste können ihren Aufenthalt aber auch ganz eigenständig gestalten. Viele nehmen an der Liturgie teil, die die Schwestern fünfmal am Tag feiern. Alle schätzen die schöne Umgebung, die sie zur Ruhe kommen lässt. „Und den Austausch mit anderen Gästen, die man sonst nicht kennen gelernt hätte“, sagt Schwester Lydia.

Weil die Benediktinerinnen diese Kommunikation miteinander fördern wollen, liegt für Einzelgäste  der Preis unter dem für Gruppenreisende. 39 Euro zahlen Besucher, die allein kommen, für eine Übernachtung mit Vollverpflegung. „Das Gäste­haus muss sich tragen“, räumt Schwester Lydia ein. Sie verweist aber in erster Linie auf die benediktinische Gastfreundschaft: „Das ist Teil unseres Charismas.“

 

„Weltoffener als zunächst angenommen“

 

Auch die Clemensschwestern in Münster bieten – in kleinerem Umfang – die Möglichkeit an, für einige Tage Stille zu genießen und das Ordensleben kennen zu lernen. Schwester Susanne, die die Gäste betreut, verzeichnet ein steigendes Interesse am Ordensleben. Dabei bekommt die Ordensfrau häufig die Rückmeldung, die Schwestern seien „viel weltoffener als zunächst angenommen“.

Wegen einer umfangreichen Baustelle im Klosterbereich kommen zurzeit allerdings weniger Einzelgäste. Aufgenommen werden verheiratete und unverheiratete Frauen. Für sie stehen zwei Gästezimmer zur Verfügung. Die Übernachtung kostet für Einzelgäste 40 Euro, bei Studentinnen läuft es auf Spendenbasis. Wer möchte, kann die Liturgie mitfeiern oder das Angebot zu Gesprächen nutzen. Da die Zimmer zum Innenhof hin ausgerichtet sind, ist es für die Gäste normalerweise „mitten in der Stadt wohltuend ruhig“, sagt Schwester Susanne.

 

Ausgepowerte Hausfrauen klopfen an

 

Eine wachsende Gruppe unter den Interessentinnen für eine Auszeit im Kloster benennt Schwester Susann, Franziskanerin von Lüdinghausen: „Ausgepowerte Hausfrauen – insbesondere, wenn sie zusätzlich berufstätig sind. Sie wollen nicht Urlaub, sondern Abstand, Stille, verbunden mit einer Anbindung an das religiöse Leben bei uns.“ Es sei ein „Suchen mit Sinn-Perspektive“ – so bringt es Schwes­ter Susann auf den Punkt: „Sich neu ausrichten. „Nach Gott fragen.“ Vier Stammgäste kommen regelmäßig. Auch Ordensschwestern aus anderen Konventen melden sich zu Auszeiten im Antoniuskloster Lüdinghausen an.

Eine Gruppe wird nach Erfahrungen von Schwester Susann derzeit größer: erwachsene Kinder, die für ihre Eltern eine Auszeit buchen wollen –wenn beispielsweise ein runder Geburtstag ansteht. „Dafür haben wir aber nicht die Kapazität“, sagt die Ordensfrau. „Es würde auch den Menschen und ihren Wünschen nicht gerecht.“

 

Was steckt hinter den Anfragen?

 

Dann braucht es Fingerspitzengefühl: Steckt bei den Kindern eher die Hoffnung dahinter, den Festtag nicht gestalten zu müssen? Oder der ehrliche Wunsch nach einigen besinnlichen Stunden im Klos­ter? In letzterem Fall suchen die Schwes­tern eine Lösung, die aber keine Übernachtung beinhaltet.Dann braucht es Fingerspitzengefühl: Steckt bei den Kindern eher die Hoffnung dahinter, den Festtag nicht gestalten zu müssen? Oder der ehrliche Wunsch nach einigen besinnlichen Stunden im Klos­ter? In letzterem Fall suchen die Schwes­tern eine Lösung, die aber keine Übernachtung beinhaltet.

Wer sich für ein paar Tage als Gast anmeldet, zahlt dort keine feste Summe, sondern gibt eine Spende. Damit unterstützen die Franziskanerinnen ihre Mitschwestern in Afrika beim Bau eines Wasser-Reservoirs.

 

„Logische Weiterentwicklung“ der Ordens-Aufgaben

 

Noch eher am Anfang der Gäste-Aufnahme steht die Ordensgemeinschaft der Schwestern Unserer Lieben Frau in Coesfeld. Dort gibt es die Möglichkeit, in zwei Häusern eine Auszeit zu nehmen: in Haus Emmaus, einer internationalen Kommunität mit vier Schwes­tern aus vier Nationalitäten, oder in Haus Julia, dem Provinzialat der Gemeinschaft.

Aus Altersgründen wird der Bereich der Schulen und Kindergärten, wo die Schwestern seit jeher tätig sind, kleiner. Da sei es „eine logische Weiterentwicklung“, Menschen aufzunehmen, die Stille, das Gespräch und eine geistliche Umgebung suchten, sagt Provinzoberin Schwester Josefa Maria Bergmann. Beispielsweise habe sich eine Frau angemeldet, deren Mann fortscheitend erkrankt war. Gespräche über diese belastende Situation hätten sich beispielsweise während der Mahlzeiten ergeben: „Das Kloster ist ein Ort, wo man nicht allein ist.“

 

Einladendes Kloster und Gästehaus in Gerleve

 

Einige Ordensgemeinschaften gehen mehrere Wege  – wie das Benediktiner-Kloster in Gerleve bei Coesfeld. Dort bieten die Mönche bis zu zehn Männern eine Auszeit im Kloster an. Im Jahr 2018 nahmen 656 Suchende dieses Angebot wahr.

Zum Kloster gehören weiter das Jugendhaus St. Benedikt und das Gäs­te- und Exerzitienhaus Ludgerirast mit einem umfangreichen Kurs- und Exerzitienangebot. Dort werden auch Einzelgäs­te aufgenommen. Von ihnen haben im vergangenen Jahr Frauen mit 70,4 Prozent den größten Anteil ausgemacht. In Haus Ludgerirast kos­tet die Übernachtung inklusive Vollverpflegung 65 Euro.

 

Pause von der täglichen Verfügbarkeit

 

Die Zahl der Anfragen sei in etwa stabil, berichtet der Leiter des Hauses, Andreas Geilmann. Bei der Gestaltung des Aufenthalts sei vieles möglich: „Gespräche mit den Ordensleuten, Teilnahme an den Gebetszeiten, aber auch das stille Genießen der Natur.“

Das passt zum Leitbild des Hauses, in dem Entschleunigung und Reizreduzierung eine wichtige Rolle spielen. „Den Menschen tut es gut, mal loszulassen von der täglichen Verfügbarkeit“, sagt Geilmann.

 

Auch Entscheidungen und Beziehungskrisen sind Gründe

 

Im Canisiushaus in Münster sind die Erfahrungen ähnlich. Außer festen Tagungsgruppen bietet die Brüdergemeinschaft auch Einzelnen die Möglichkeit einer Auszeit. Deren Zahl sei „eher konstant“, sagt Bruder Christoph Gerenkamp, der die Gäste betreut.

Gefragt sind Einzel-Exerzitien, geistliche Begleitung, Anschluss an das klös­terliche Leben – oder einfach Stille. Hin und wieder suchen auch Jakobs-Pilger dort eine Unterkunft. Eine Auszeit von der Arbeit, eine schwierige Entscheidung oder eine Beziehungskrise seien ebenso Anlässe für einige Tage im Klos­ter, nennt Konventleiter Bruder Thomas Wierling weitere Beispiele.

 

Vorteil: nicht gesehen werden

 

Die Kirchenbindung der Gäs­te sei unterschiedlich, bemerken die Canisianer. Willkommen sind sie alle. „Es sind Menschen auf der Suche“, sagt  Bruder Christoph. Dabei spielten Klöster eine wichtige Rolle. „Bei vielen ist die Hemmschwelle größer, in ein Pfarrhaus zu gehen als in ein Klos­ter“, ist er sich sicher. „Wenden sie sich an ein Kloster, empfinden es viele als Vorteil, nicht gesehen zu werden. Wir spüren immer wieder: Es ist ein großes Vertrauen da.“

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