Gedanken über den großen Gott in einem kleinen Brot

Was Fronleichnam mit Zellkernen und Uhrwerken zu tun hat

Es ist das „Geheimnis des Glaubens“ – und bleibt doch auch Gläubigen mysteriös: Gott in Brot und Wein. Die Theologie nennt das Eucharistie, besonders verehrt an Fronleichnam. Ob ein Blick in den menschlichen Körper oder eine Uhr helfen, das Geheimnis zu verstehen?

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Es ist das „Geheimnis des Glaubens“ – und bleibt doch auch Gläubigen mysteriös: Gott in Brot und Wein. Die Theologie nennt das Eucharistie, besonders verehrt an Fronleichnam. Ob ein Blick in den menschlichen Körper oder eine Uhr helfen, das Geheimnis zu verstehen?

Der ganze große Gott in einer dünnen Hostie? Ja, genau. Für den katholischen Glauben ist das zentral: In der kaum einen Millimeter dicken Scheibe Brot ist der Gott gegenwärtig, der die Welt erschaffen hat, der als Mensch vor 2000 Jahren unter uns gelebt hat, getötet wurde, wieder zum Leben auferstand – und die Welt erlöst hat. Genau dieser Gott. Voll und ganz.

Weil das Grund genug ist, stolz und dankbar zu sein, gibt es Fronleichnamsprozessionen. Weil wir aller Welt zeigen wollen: Seht her, es gibt Gott; hier ist er.

 

Kein Vergleich, kein Symbol

 

Das Evangelium vom Hochfest Fronleichnam (Lesejahr B) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal.

Und doch bleibt es schwer zu glauben, dass dieses Stück Brot nicht nur ein Vergleich oder Symbol für das Letzte Abendmahl ist, das man hochhielte und dann wüsste: Ach ja, so ähnlich hat das Jesus ja auch gemacht, damals mit seinen Jüngern. Nein, der katholische Glaube sagt: Gott ist in diesem Brot hier, jetzt und bleibend greifbar, vereinnehmbar, essbar da.

Wie soll das gehen? Schließlich sehen die Hostie und auch der Wein vor und nach der Wandlung im Hochgebet der Messfeier gleich aus. Unverändert. Und schmecken vorher und nachher genau gleich. Und doch sollen sie etwas gänzlich anderes sein?

 

Brot bleibt Brot, Wein bleibt Wein

 

In der Tat: Die Zutaten bleiben unverändert, das Brot bleibt Brot, der Wein bleibt Wein. Aber im Kern, in der „Substanz“ sind diese Gaben gewandelt (was die Sache meines Erachtens besser trifft als das Wort „verwandelt“, das doch eher an Zauberhände, bunte Tücher und ein weißes Kaninchen erinnert).

Wie Gott als der Mensch Jesus unter uns „wohnte“, wie man sagt, ohne dass kaum mehr als einige Tausend Menschen zwischen Galiläa und Jerusalem ihn vor 2000 Jahren zu sehen bekamen – so ähnlich „wohnt“ Gott unsichtbar im gewandelten Brot, im gewandelten Wein.

 

Wie viel da drin steckt!

 

Gibt es nicht ohnehin ganze Welten in uns und um uns herum, von denen wir keine Ahnung haben, die wir Durchschnittsmenschen nicht sehen, wahrnehmen, kennen? Das gilt für den Makrokosmos aus Galaxien, Planeten und Gestirnen – das gilt genauso für den Mikrokosmos unseres Körpers: Mit bloßem Auge sind Zellen mit ihren Kernen und Chromosomen nicht zu sehen; und doch „wohnt“ in ihnen der ganze Mensch, sämtliche Informationen, die üblicherweise unverwechselbar sind. Natürlich – unterm Mikroskop werden sie sichtbar. Legte man eine Hostie unter die Linse – man fände Gott so nicht. So gesehen hinkt der Vergleich.

Vielleicht geht es so besser: Ein aus vielen Kleinstteilen bestehendes Ding – eine Uhr etwa – macht nicht nur wegen dieser faszinierenden Kleinteiligkeit staunen. Wenn man ein bisschen darüber nachdenkt, geht einem auf: Wie viel Arbeit in diesem Wunderwerk steckt! Darum ginge es: Unsere Augen sehen die vielen kleinen Teile, doch die Arbeit, die Mühe, die Leidenschaft – sie sieht man nicht. Und doch machen sie diese Uhr aus, „wohnen“ gewissermaßen in dem feinen Werk.

 

Glaubt jeder Katholik besser?

 

Natürlich hinkt auch dieser Vergleich wie jeder andere, der sich müht, die Eucharistie zu verstehen. Sie alle bleiben Annäherungen – wie natürlich auch der Glaube jedes Einzelnen vom Papst bis zum Erstkommunionkind eine Annäherung bleibt, lebenslang. Wer könnte also sagen, ob ein Katholik, nur weil er Katholik ist, besser, mehr und richtig davon verstanden hat als ein Protestant, der sich danach sehnt, mit seiner katholischen Partnerin die Kommunion empfangen zu dürfen?

„Die Kommunionbank ist keine Richtbank“, hat Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck einmal gesagt. Und Papst Franziskus betont, die Eucharistie sei „nicht Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen“.

Es wäre viel gewonnen und vermutlich verstanden, wenn mit derselben Energie, mit der über einen Ausschluss vom Sakrament diskutiert wird, der Kern unseres Glaubens ergründet und gefeiert würde: Gott gibt sich hin. Bedenkenlos.

Sämtliche Texte der Lesungen vom Hochfest Fronleichnam (Lesejahr B) finden Sie hier.

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