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Vor allem junge Menschen fühlen sich von Taizé angezogen. Bei den Jugendtreffen in Frankreich tauschen sie sich intensiv über ihren Glauben aus. Doch was begeistert selbst kirchenferne Jugendliche an der Gemeinschaft?
Seit Jahrzehnten gehört es zur Jugendarbeit vieler Gemeinden dazu, einmal ins französische Burgund zur Gemeinschaft von Taizé zu fahren und dort eine Woche des einfachen, aber intensiven und friedlichen religiösen Miteinanders zu erleben.
Mehr als 100 Brüder unterschiedlicher Konfessionen leben in der ökumenischen Bruderschaft von Taizé und haben den kleinen Ort bei Cluny weit über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt gemacht. Bis zu 100.000 junge Menschen aus ganz Europa kommen seit den 60er Jahren für eine Woche zu ihnen, um zu singen, zu beten und Gottesdienst zu feiern, Stille zu finden und miteinander über den Glauben und das Leben zu sprechen.
Nach dem Sinn des ermorderten Gründers
Gründer der Gemeinschaft ist der Schweizer Frère Roger Schutz. Er zog 1940 nach Frankreich, um notleidenden Menschen und Flüchtlingen zu helfen und Versöhnung zu leben. Die Idee vom gemeinsamen Leben der Konfessionen begeisterte ihn. Ökumenische Offenheit, Spiritualität und Solidarität machen den besonderen Geist von Taizé aus.
2005 wurde Frère Roger ermordet. Die Gemeinschaft lebt weiter in seinem Sinn.
„Taizé trifft nach wie vor einen Nerv“
Für Jugendreferent Sven Diephaus aus dem emsländischen Haselünne ist Taizé vor allem ein Platz, an dem man geerdet wird. Wo stehe ich, wo will ich hin? Passt das so? Das seien Fragen, die Jugendliche in Taizé bewegten. Und die sie in vielen Gesprächen stellen können. War Taizé früher durchaus auch politisch und gesellschaftskritisch unterwegs, sind es heute eher Glaubens- und Sinnfragen, die für viele im Vordergrund stehen.
„Die Brüder strahlen eine große Offenheit aus, man kann gut mit ihnen reden. Und sie lassen den Jugendlichen Raum, jugendlich zu sein und zu sich selbst zu finden“, erzählt Sven Diephaus. Er fährt seit 15 Jahren mit Jugendlichen nach Burgund und hat beobachtet: „Taizé trifft nach wie vor einen Nerv.“
Ein Ort ohne Luxus
Das bestätigt auch Lehrerin Anke Lührsen aus Twistringen, die ebenfalls mit Schülern und Jugendgruppen regelmäßig dort ist: „Selbst kirchenferne Jugendliche werden angesprochen. Sie finden es in Taizé plötzlich spannend.“
Taizé ist sehr einfach. Es gibt keinen Luxus. „Wenn man Glück hat, findet man eine Steckdose fürs Handy“, berichtet Anke Lührsen schmunzelnd. Die Teilnehmer schlafen entweder in Sechs- oder Acht-Bett-Zimmern in den „Baracken“ oder zelten auf dem Gelände. Auch das Essen ist sehr schlicht.
Beten, Arbeiten, Freizeit
Der Tag teilt sich auf in drei Gebetszeiten, dazwischen sind Bibelstunden und Kleingruppengespräche sowie eine Zeit, in der die Jugendlichen auf dem Gelände Arbeiten verrichten, die für einen reibungslosen Tagesablauf wichtig sind: Sie helfen in der Küche oder im Garten, putzen die Bäder, leeren Mülleimer oder räumen die Kirche auf.
Das freundliche und herzliche Miteinander macht Taizé zu einem einzigartigen Ort. „Es gibt auch viel Freizeit, in der die jungen Menschen zusammen singen, tanzen und feiern“, erzählt Sven Diephaus und weiß, dass sich so ein straffer Tagesablauf erst mal fremd anhört: „Taizé kann man schlecht beschreiben. Man muss es erleben.“
Gleiche Struktur
Dreimal am Tag ist in Taizé Gebetszeit. Das bedeutet: Gottesdienst für alle. Viele merkten dabei schnell: „Diese Zeit tut gut“, erzählt Anke Lührsen. Die Gottesdienste sind immer gleich aufgebaut: Ruhige eingängige Gesänge, ein Bibeltext, eine Zeit der Stille. „Das ist sehr entspannend und entschleunigend“, so Lührsen. Jugendliche entdeckten Werte wie Schweigen, Zuhören, zur Ruhe kommen. „In den Gottesdiensten wird nicht viel erklärt, sondern die Besucher hören einen Text und singen in einer einfachen Sprache. Das verbindet.“ Für sie persönlich sei der Aufenthalt wie eine Oase: „Ich genieße es jedes Jahr.“
Taizé strahlt aus: durch Taizégebete, die in der Gemeinde entstehen, durch Taizélieder, die der Chor einstudiert, oder politische Aktionen für Gerechtigkeit, die die Jugendlichen organisieren. Das ist auch der Auftrag, mit dem die Brüder die Jugendlichen nach einer Woche wieder in ihre Heimatländer schicken und wie es auch Frère Roger stets betonte: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.“