Sieben Gedanken von Kirche+Leben-Chefredakteur Christof Haverkamp

Weihnachten – kein Fest der Idylle

Was bedeutet uns Weihnachten? Jedenfalls haben wir in einer Zeit von Unsicherheit und Ungewissheit eine tiefe Sehnsucht nach dem großen Fest. Und doch ist Weihnachten nicht nur das, sondern ganz anders. Dazu sieben Gedanken. 

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Was bedeutet uns Weihnachten? Jedenfalls haben wir in einer Zeit von Unsicherheit und Ungewissheit eine tiefe Sehnsucht nach dem großen Fest. Und doch ist Weihnachten nicht nur das, sondern ganz anders. Dazu sieben Gedanken.

 

1

 

Die Kernbotschaft hat zunächst einmal nichts mit Idylle zu tun. Die Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium ist, wie wir heute sagen würden, ziemlich spaßbefreit. Angenommen, ein Mann wäre mit seiner hochschwangeren Partnerin unterwegs, und das nicht freiwillig, sondern weil sie unbedingt bei einer Behörde vorsprechen müssen. So ähnlich können wir uns die Weihnachtsgeschichte vorstellen, in Albanien oder Kamerun, in Uruguay oder Vietnam. Dann setzen auch noch die Wehen ein, doch das Paar findet weder Hotel noch Pension, geschweige denn ein Krankenhaus.

Das Kind kommt unter widrigen Umständen zur Welt – in einer Notunterkunft. Kurz darauf muss die junge Familie auch noch aus dem Land flüchten, weil Mörder des Herrschers Kinder töten wollen. Das ist die harte Realität der Weihnachtsgeschichte. Um sie richtig zu verstehen, muss man die Sache wohl verfremden – so wie bei unserem Bild einer Krippe, das in ein Foto aus dem Kriegsgebiet im syrischen Aleppo montiert ist.

 

2

 

Gott wird Mensch – und uns fällt nicht mehr auf, wie sensationell das ist. Weil wir diese Formulierung schon so oft gehört haben, hat uns das offenbar abgestumpft. Dass Gott Mensch wird, nehmen wir daher wie selbstverständlich hin. Wir sprechen davon im Glaubensbekenntnis, ohne darüber intensiver nachzudenken.

Aber es ist schon einzigartig, dass derjenige, der die Erde, die Milchstraße, die Galaxien, ja das gesamte Weltall geschaffen hat, der Allmächtige – dass dieser Gott seinen Sohn auf die Welt schickt. Und zwar nicht in einer glanzvollen Art, wie sie in den bunten Wochenblättern über den Nachwuchs von Königshäusern steht. Sondern äußerst bescheiden.

 

3

 

Weihnachten kann auch die hartherzigsten Menschen verwandeln. Das Fest mit dem Licht in der Dunkelheit des Winters rührt unsere Seele an. Aus gutem Grund wird gerade in der Zeit um Weihnachten besonders viel gespendet. Es ist das Fest des Schenkens und des Teilens. Wir denken an andere, und das kann verwandeln. Beispielhaft steht dafür die berühmte Geschichte des englischen Schriftstellers Charles Dickens, in der selbst der geizige Geschäftsmann Ebenezer Scrooge sein Herz erweichen lässt. Die Geschichte von 1843 bleibt aktuell.

 

4

 

Weihnachten ist ein Fest aller Sinne, mit Lichtern und Liedern. Es bewegt die Kinder genauso wie die Erwachsenen. Auch wenn es oft nicht gelingt: Wir wünschen uns ein behagliches, stimmungsvolles Fest in der dunkelsten Zeit des Jahres, mit Lichterglanz und leuchtenden Augen. Auch wenn es Streit und Ärger geben kann: Es ist ein Fest der Familie, und es holt uns mit seinen Bräuchen und Ritualen, mit Harmonie und Tradition aus der Routine des grauen Alltags heraus. Das ist legitim – aber nur dann, wenn wir da­rüber die zentrale Botschaft von Weihnachten (siehe Punkt 1 und 2) und die Leidenden nicht vergessen.

 

5

 

Christen sind aufgefordert, die Weihnachts-Botschaft wachzuhalten. Die Kommerzialisierung und ein abnehmendes Glaubenswissen führen dazu, dass auch in vielen deutschen Städten und Regionen der tiefere Sinn von Weihnachten entweder in den Hintergrund rückt oder aber gar nicht mehr bekannt ist. Weihnachten? Da war doch was! Aber was?

Aktive Gläubige wissen, was es mit Bethlehem und den drei Weisen aus dem Morgenland auf sich hat, mit Maria, Josef, den Engeln und den Hirten. Selbstverständlich ist das aber nicht mehr. Überall dort, wo der Glaube verdunstet, sind Christen gefragt, wieder auf das Weihnachts-Evangelium aufmerksam zu machen.

 

6

 

Was also will Gott uns mit dem Evangelium von Weihnachten sagen? Er lässt uns mit unserem Schicksal nicht allein. „Wenn Gott Mensch geworden ist, dann ist es gut, ein Mensch zu sein“, hat Papst Benedikt XVI. einmal formuliert. Die Botschaft von der Geburt des Retters und Erlösers gilt gerade denen, die tief in Leid und Unheil verstrickt sind. „Fürchtet euch nicht“ – dieser Aufruf des Engels ermutigt zum Einsatz für eine bessere Welt.

 

7

 

Trotz allem bleibt Weihnachten ein Fest des Friedens und der Freude. Trotz der Zerstörungen in Aleppo und der Toten auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, trotz aller Konflikte, Einsamkeit und Krankheit. Christen streben nicht billige Vertröstung oder Beschönigung von Leid an (sie sollten es zumindest nicht). Aber sie vertrauen darauf, dass das Leben Jesu mit der Gerechtigkeit Gottes eng verknüpft ist. Das gibt ihnen Grund zur Freude, zu Glaube, Liebe und Hoffnung.

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