Diesmal ist alles anders

Weihnachten mit neuem Partner

Über Jahrzehnte haben zwei Paare Weihnachten nach festem Ablauf gefeiert. Dann sterben die Partner. Die neue Ehe wirft die Frage auf: Wie feiern wir Heiligabend? Mit jetzt sechs Kindern und ganz anderen Gewohnheiten? Maria Heseding und Joseph Kenkel berichten.

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Nach langem Leiden verstorben – in Traueranzeigen liest es sich wie eine Floskel. Wer es miterlebt, der weiß, wie grausam es ist. Joseph Kenkel aus Dinklage hat das lange Leid und den Tod seiner Frau Elisabeth erlebt; er blieb mit drei halbwüchsigen Kindern zurück. Wie sollte das Leben weitergehen? Und: Wie sollte er Weihnachten gestalten?

Auch Maria Heseding aus Vechta hat es erlebt, das Leid und den Tod ihres Ehemanns Fritz. Sie blieb mit drei halbwüchsigen Kindern zurück. Wie sollte das Leben weitergehen? Wie sollte sie Weihnachten gestalten?

 

Kaffeetrinken am Nachmittag – Ein festes Ritual

 

Bei Hesedings war Weihnachten das große Familienfest. Eltern und Schwiegereltern wohnten nebenan und auf der anderen Straßenseite; die Feier wechselte von einem Haus zum anderen und endete spätabends bei Maria und Fritz Heseding zuhause, bei selbst gemachtem Heringssalat und Bier.

Als Altenpflegerin hatte Maria Heseding an diesem Tag oft schon hart gearbeitet. Aber das gemeinsame Kaffeetrinken am frühen Nachmittag mit den Eltern nebenan musste sein, das war ein festes Ritual für die Familie.

 

Gottesdienst um 18 Uhr, dann Kartoffelsalat und Fischplatte

 

 Maria Heseding und Joseph Kenkel
Maria Heseding und Joseph Kenkel haben beide ihren Partner verloren. Jetzt sind sie verheiratet. | Foto: Franz Josef Scheeben

Maria Heseding stellte dafür traditionell einen Frankfurter Kranz auf den Tisch, selbst gebacken. Sie liest die Weihnachtsgeschichte vor und stimmt die Familie auf das Fest ein. Aber die Kinder warten schon auf das Glöckchen und die Bescherung.

Den Gottesdienst besucht die Familie um 18 Uhr, dann kommen alle zur Feier bei den Schwiegereltern, mit Kartoffelsalat und Fischplatte, sie bleibt bis zum späten Abend.

 

Dann stirbt Fritz. Was nun?

 

Ein fester, schöner Ablauf. Dann stirbt Fritz Heseding. Da ist Maria Heseding 42 Jahre. Was nun?

Zunächst versucht sie, sich den Feiern an Heiligabend zu entziehen; sie meldet sich im Altenheim bewusst für die Spätschicht an diesem Tag und gestaltet für die Bewohner einen festlichen Abend. Aber die Trauer bleibt – wenn auch im Hintergrund.

 

Gottesdienst um 17 Uhr, dann Hawaii-Toast

 

Joseph Kenkel aus Dinklage hat es ähnlich erlebt. Der Außendienstmitarbeiter lebte mit seiner Frau Elisabeth und den drei Kindern im Haus der Eltern. An Heiligabend servierte Elisabeth Kenkel geröstetes Weißbrot, überbacken mit Schinken, Schmelzkäse und Ananas – den Hawaii-Toast; praktisch an einem Festtag mit drei aufgeregten Kindern, „das mochten alle“, erinnert sich Joseph Kenkel.

Solange die Kinder klein waren, besuchte die Familie nachmittags um fünf die Messe. Zwei seiner Brüder, die im Ort lebten, kamen abends noch zu Besuch.

Ein fester, ein schöner Ablauf. Dann stirbt seine Frau. Joseph Kenkel ist da 45 Jahre. Was nun?

 

Ein Familienfest wie früher gibt es nicht mehr

 

Beide berichten von Einsamkeit, von der Suche nach neuen Wegen. Auch für Heiligabend.
Ganz besonders Maria Heseding. Zwei ihrer inzwischen erwachsenen Kinder leben nun weit weg, im Rheinland und in Württemberg. Ein Familienfest wie früher gibt es nicht mehr; sie hält aber zunächst den Rahmen bei Eltern und Schwiegereltern ein.

Joseph Kenkel feiert inzwischen bei seiner Tochter Daniela, sie ist ausgezogen und lebt mit ihrem Mann im Ort. Er ist zum Kaffee und Abendessen eingeladen und geht um 23 Uhr zur Christmette, oft als Kommunionhelfer. Aber alles ist anders als früher.

 

Neue Ehe – neues Weihnachtsfest?

 

Dann, vor sechzehn Jahren, begegnen sich Maria Heseding und Joseph Kenkel. Sie fassen Vertrauen zueinander, sie spüren Nähe, sie feiern Geburtstage mit Freunden und Verwandten – die ersten gemeinsam gestalteten Feste. Im Februar 2007 heiraten sie.
Aber wie gestaltet ein Paar den Heiligabend neu, wenn jeder Partner ihn anders gestaltet und erlebt hat? Wie soll das Fest jetzt aussehen?

 

Alles ist anders – aber immer wieder schön

 

Für Maria Heseding bleibt es ein ganz anderes Fest, denn immer noch leben zwei ihrer Kinder weit weg. So verbringt sie Heiligabend bei Josephs Tochter in Dinklage, inzwischen auch Mutter zweier Kinder. Auch die beiden Söhne Joseph Kenkels kommen zum Kaffee und zur Bescherung.

Anfangs sei sie wegen der Entfernung zu ihren eigenen Kindern bei aller Festfreude „sehr, sehr traurig“ gewesen, erinnert sich Maria Heseding.

Zu Hause, im neuen gemeinsamen Heim, lässt das Paar den Tag bei einer gegenseitigen Bescherung ausklingen. Alles ist anders als früher. Die Feiern an Heiligabend sehen in nichts so aus wie früher gewohnt. Aber immer wieder schön, versichern die Eheleute.

 

Dieses Jahr wird es fast so wie früher

 

Für dieses Jahr planen sie etwas Besonderes: Alle Kinder reisen an und feiern in Dinklage. Da gilt es Wohnraum zu beschaffen für acht Personen – im Haus und im eigenen Wohnmobil. Das Essen zu planen – vor allem Kartoffelsalat mit Würstchen.
Nach der Krippenfeier in der Kirche versammelt sich die Familie zum Chor vor dem Weihnachtsbaum und singt Lieder, die auch die Kinder können. Bis das Glöckchen zur Bescherung klingelt.

Ein großes Familienfest, in das Maria Heseding viel Herzblut legt. Es ist ein Fest, ganz anders, aber fast so wie früher.

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