Analyse von Kirche+Leben-Chefredakteur Markus Nolte

Weltsynode startet: Kommen endlich Impulse für große Veränderungen?

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Die katholische Weltsynode ist in diesen Tagen bereits Thema der Vollversammlung der deutschen Bischöfe; ab kommender Woche tagt dann die abschließende Synodalversammlung in Rom. Die Erwartungen an der Basis sind nicht überall groß. Womöglich zu Unrecht? Analyse von Kirche+Leben-Chefredakteur Markus Nolte.

Explosiv war bislang nur eines in der vatikanischen Audienzhalle „Paul VI.“, in der ab kommender Woche 270 Bischöfe, rund 100 weitere Männer und auch Frauen über die Zukunft der katholischen Kirche beraten. Explosiv war dort bislang vor allem die 40-Tonnen-Bronzeskulptur an der Stirnseite des riesigen Saals – ein 20 Meter breites, mit gewaltiger Dynamik auseinanderstiebendes Chaos, darin eine aufsteigende Figur.

Der italienische Bildhauer Pericle Fazzini schuf das Werk 1975: Aus dem Krater einer explodierten Atombombe steht Christus von den Toten auf. Im nächsten Jahr sind es 50 Jahre, seit dieser revolutionäre Megatonnenmoment da steht; statisch geronnene Hyperenergie. Als Kulisse für päpstliche Audienzen, Konzerte – oder wie jetzt für ein modernes Bischofssynoden-Setting à la Franziskus. Mit Tischrunden und einem leicht erhöhten Präsidium für den Heiligen Vater.

Viele an der Basis sind der Debatten müde

Wie explosiv, dynamisch und die Kirche nachhaltig verändernd das Finale dieser 2021 begonnenen Weltsynode sein wird – darüber gehen die Erwartungen äußerst weit auseinander. Viele Engagierte in den Gemeinden, so ist zu hören, sind trotz der Tatsache, dass die Synode auch die Ortskirchen um ihre Einschätzungen fragte, der vielen Debatten müde – nach dem folgenlosen Alibi-„Gesprächsprozess“ im Gefolge des aufgebrochenen Missbrauchsskandals ab 2011 und dem in vielerlei Hinsicht erfolgreichen, aber massig Energie und Hoffnung verbrauchenden, zudem großteils unter römischem Vorbehalt stehenden Synodalen Weg.

Im vergangenen Jahr um diese Zeit trafen sich die Weltsynodalen schon einmal. Jene, die dabei waren, lobten das Treffen. In einem Abschlussdokument wurde 2023 der „Konsens der Gläubigen“ als ein Kriterium für Glaubensfragen genannt. Ausdrücklich befürwortete die Synode das Bemühen um eine veränderte Sexualmoral sowie um eine verständliche und geschlechtergerechte Sprache bei Gottesdiensten. In der Frage des Zugangs von Frauen zu kirchlichen Weiheämtern hielt die Synode unterschiedliche Meinungen fest, die nicht in einen Konsens mündeten.

Deutsche Bischöfe: 2023 fehlte der Mut

Zu den verabschiedeten Vorschlägen der ersten Session zählte die Stärkung nationaler und kontinentaler Bischofsversammlungen. Ferner sollte die kirchliche Basis stärker an Bischofsernennungen beteiligt werden.

Die Teilnehmer der Deutschen Bischofskonferenz lobten die vierwöchigen Beratungen, aber es gebe doch weiteren Klärungsbedarf, es brauche weitere Schritte. Insgesamt habe nicht weniger als Mut gefehlt, sagte damals Georg Bätzing als Vorsitzender der Bischofskonferenz. Und der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck forderte offenere Gespräche über die kontroversen Themen der Weltkirche für das Treffen 2024.

Bleiben Sprengstoff-Themen Experten-Zirkeln vorbehalten?

Nun, das sah der Papst offenbar gänzlich anders und nahm eine ganze Reihe der Sprengstoff-Themen aus dem Beratungs-Portfolio der Weltsynode heraus. Im März beauftragte er zehn Expertengruppen mit der Prüfung solcher Themen: etwa der Priesterausbildung, der Rolle der Bischöfe (mit Bischof Felix Genn als Leiter) und grundsätzliche Fragen der Ämter in der Kirche, darunter auch der Diakonat für Frauen.

Unter anderem der Münsteraner Synodenberater Thomas Söding sieht diese Entscheidung ambivalent: All diese Themen seriös im Plenum zu bearbeiten, sei wohl kaum machbar. Andererseits sei es aus seiner Sicht konsequent, auch alle inhaltlichen Themen, für die jene Studiengruppen eingesetzt worden seien, auf synodale Weise zu behandeln – also nicht nur in exklusiven Zirkeln. „Aber diese Konsequenz ist noch nicht da“, sagte Söding.

Expertengruppen informieren die Synode gleich zu Beginn

Zudem ist zu hören, dass die Mitglieder der Studiengruppe über den Diakonat der Frau (über das Priestertum der Frau wird erst gar nicht gesprochen) als einzige nicht öffentlich bekannt sind.

Bischof Genn berichtet, „seine“ Studiengruppe habe in der Zwischenzeit dreimal getagt und etwa über die Aufgabe, Auswahl und Ausbildung von Bischöfen beraten. Sie werde dies auch weiter unter seiner Leitung tun, wenn er im März 2025 voraussichtlich emeritiert werde. Die bisherigen Erkenntnisse nun werden gleich zu Beginn der Weltsynode allen Teilnehmenden vorgestellt. Laut Programm sollen das auch sämtliche andere Kommissionen tun, gleich am ersten Tag.

Wie kritisch dürfen Rückmeldungen sein?

Die große Frage aber ist, was dann damit geschieht: Wird es eine Diskussion der verschiedenen Themen geben? Wie kritisch dürfen Rückmeldungen sein? Wie werden solche Rückmeldungen in die weitere Erarbeitung der Themen eingehen? Grundsätzlich: Wie synodal und damit auch frei wird die Weltsynode auch bei (diesen) strittigen Themen sein, sein dürfen? Das Programm der zweiten Session gibt darauf keinen Hinweis.

Synodalität jedenfalls ist das große und wohl auch eigentliche Thema. Für manche bleibt es ein schwer zu fassender Begriff. Für andere hat er explosive Kraft, weil er einen neuen, eben nicht nur hierarchischen Weg aufzeichnet, wie die Kirche insgesamt ihre Aufgaben in Zeit und Welt erkennen und angehen will. Dazu gehört das wache Hören und Wahrnehmen – auch fremder Positionen, auch von Nicht-Bischöfen. Und das alles in einem geistlichen Prozess, der in aller thematischer Beratung immer wieder auch Raum gibt für die Heilige Schrift, das Gebet, die Stille. Genau so „arbeitet“ die Synode in den nächsten vier Wochen in Rom.

Synodale Sprengkraft für etwas noch Größeres?

Mit dieser zweiten Session geht die Weltsynode offiziell zu Ende. Völlig unklar ist, was der Papst damit macht, wie er die Beschlüsse in sein Abschlussdokument aufnimmt. Nicht immer – wie etwa bei der Amazonas-Bischofssynode – machte er sich alles zu eigen. Wie viel Hierarchie also verträgt Synodalität?

Womöglich aber will Papst Franziskus mit dem Format Weltsynode auch noch etwas ganz anderes. Womöglich verbirgt sich in diesem in vielerlei Hinsicht als übergeistigt, zu wenig konkret und zu zaghaft kritisierten Modell eine noch völlig ungeahnte Sprengkraft. Womöglich versteht Franziskus dieses „Format Weltsynode“ als Energie-Aufladung, als dynamisches Einüben und Installieren einer kraftvollen Methode, mit der sich die Kirche mit ihrer Botschaft in dieser Zeit erst noch fundiert und nachhaltig verorten soll – in einem neuen Konzil.

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