Trauerbegleiter gibt Ratschläge

Wenn Männer trauern - wie kann man helfen?

Männer trauern häufig anders als Frauen, davon ist Thomas Achenbach aus Osnabrück überzeugt. Der Trauerbegleiter spricht aus Erfahrung. Achenbach hat darüber ein einfühlsames, praxisnahes Buch geschrieben.

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Trauernde Frauen, sagt Thomas Achenbach, holen häufig die Papiertaschentücher heraus, fangen an zu weinen. Oder sie suchen das Gespräch mit ihrer besten Freundin. Bei Männern dauert es länger, bis sie anderen Menschen ihre Trauer mitteilen können.

Ist zum Beispiel ein Kind gestorben, muss jeder Elternteil seinen eigenen Weg finden, damit fertig zu werden. Drastische Klischees, etwa „Frauen weinen, und Männer fressen alles in sich rein“, hält Achenbach allerdings für zu simpel.

 

„Längere Aufwärmphase nötig“

 

Ein Mann braucht nach seiner Einschätzung oft eine längere Aufwärmphase, bevor er anfange, über den Verlust eines geliebten Menschen zu sprechen. In diesem Fall rät der Trauerbegleiter davon ab, nachzubohren. „Dann machen viele Männer erst recht zu.“

Achenbach, Jahrgang 1975,  schöpft aus mehrjährigen Erfahrungen. Wie ist er dazu gekommen, Trauerbegleiter zu werden? Nach dem Tod seiner Mutter erlebte er, dass viele Menschen in seiner Umgebung sprach- und hilflos wurden. „Da wollte ich selber sprachfähiger werden.“

 

Seminare für Hospizgruppen

 

Er qualifizierte sich und darf sich seither zertifizierter Trauerbegleiter des Bundesverbandes Trauerbegleitung nennen. In seinem Haus betreibt er ein Beratungsbüro, und er bietet unter anderem Seminare für Hospizgruppen an.

Diese Arbeit übt er nebenberuflich aus; im Hauptberuf arbeitet Achenbach drei Tage in der Woche als Lokalredakteur in Bad Essen im Landkreis Osnabrück.

 

Trauergruppen bestehen überwiegend aus Frauen

 

In der Trauerbegleitung sieht der Journalist weniger den überschaubaren finanziellen Gewinn, sondern in ers­ter Linie eine sinnstiftende Tätigkeit. Über das Thema schreibt er seit drei Jahren auch Beiträge in einem Blog (https://trauer-ist-leben.blogspot.com/). Sein Buch „Männer trauern anders“ ist einfühlsam geschrieben, es schöpft aus vielen praktischen Beispielen. Mit seinen Ratschlägen und Hinweisen will er es Freunden, Kollegen und Angehörigen er­leichtern, trauernde Männer zu verstehen, die mit dem Verlust ihrer Frau, eines Kindes oder eines Elternteils klarkommen müssen.

Thomas Achenbach.
Redakteur Thomas Achenbach ist im Nebenberuf Trauerbegleiter. | Foto: Christof Haverkamp

Frauen suchen dann oft Gleichgesinnte in Trauercafés oder Trauergruppen, und das Publikum auf der Fachmesse „Leben und Tod“, die jedes Jahr in Bremen Besucher anzieht, besteht ebenfalls ganz überwiegend aus Frauen.

 

Gespräche im geschützten Rahmen

 

Die wenigen Männer, die an einer gemischtgeschlechtlichen Trauergruppe teilnehmen, „geben sich oft zurückhaltend, bleiben schweigsam, reden wenig“, hat Achenbach festgestellt.

In rein männlich besetzten Gruppen ist das nach seiner Erfahrung anders. In diesem geschützten Rahmen öffnen sie sich leichter, werden emotionaler. Achenbach stellt für solche Gruppengespräche klare Regeln auf, zum Beispiel:

• Alles, was wir besprechen, bleibt im Raum und wird nicht nach außen getragen.
• Es gibt für jeden eine maximale und eine für alle gleich lange Redezeit.
• Jeder muss drankommen können.

 

Mit Currywurst und Bier

 

Statt einer Trauergruppe könnten womöglich ganz andere Angebote hilfreich sein, ist der Fachmann überzeugt. Etwa ein „Dämmerschoppen“ in einem Bauernhaus-Restaurant, wie ihn das Hospiz „Haus Hannah“ in Emsdetten organisiere. Oder einen „Männertrauerstammtisch mit Currywurst und Bier“, wie ihn Familientrauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper in Gelsenkirchen anbiete.

Die gestaltete Mitte dagegen, das Basteln einer Erinnerungskerze für das verstorbene Kind, farbige Tücher in der Mitte: Sicher alles gut gemeint, aber so etwas spreche in vielen Fällen Frauen an, nicht aber Männer. Weg vom Stuhlkreis, hin zum Tun und Machen: Das hält der Trauerbegleiter bei der männlichen Zielgruppe für den besten Weg.

 

Witwer brauchen Hilfe beim Kochen und Bügeln

 

Witwer, so hat der Experte festgestellt, benötigen vor allem praktische Hilfe bei der Gestaltung des Alltags – im Haushalt, beim Kochen oder beim Bügeln. Und sie beschäftigen sich mit der Frage, mit wem sie künftig in Urlaub fah­ren.

Daher hält er eine Koch- und Lerngruppe für verwitwete Männer für eine gute Idee. Denn wer heute um die 70 Jahre alt ist, der ist in einer Generation aufgewachsen, in der die Frauen kochten und für den Haushalt sorgten, während die Männer das Geld verdienten. Mit der Folge, dass Männer heute vor dem Problem stehen, dass sie nie wirklich gelernt haben, sich zu versorgen und zu kochen.

 

Näh- und Haushaltskurs

 

„Hier kann eine gemeinsame Lerngruppe helfen“, ist der Trauerbegleiter überzeugt. „In dieser erfahren Männer, dass es auch anderen so geht.“ Wer dann schon gemeinsam kocht, der wird auch gemeinsam essen. Und dann können die Witwer auch über die sonstigen Themen des Lebens sprechen.

Ähnlich hilfreich wäre für Achenbach ein Näh- und Haushaltskurs. In so einer Gruppe könnten Männer ebenfalls ihre Fähigkeiten und Kenntnisse austauschen, die sie bisher nicht gelernt hätten. Nach seiner Erfahrung haben Männer auch noch etwas anderes nicht gelernt: ihre Gefühle zu zeigen. „Männer wirken oft wie erstarrt oder wie unbeteiligt“, sagt er und empfiehlt, darin nicht eine Distanz zu sehen, sondern die Möglichkeit, mit ihrer Trauer umzugehen.

 

„Empfindsamkeit war in Kriegszeiten lebensgefährlich“

 

Das heutige Männerbild sei schließlich immer noch geprägt vom 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der beiden Weltkriege. Da mussten Soldaten hart gegen sich und andere sein, um selbst zu überleben. „Zartheit und Empfindsamkeit bei Männern war in Kriegszeiten nicht gefragt, war verboten und lebensgefährlich“, schreibt Achenbach.

„Ein Mann, der leidet, war in diesem Stereotyp nicht vorgesehen – einer, der sich selbst umbringt, war in dieser Sichtweise vielen schon eher verständlich.“ Dazu passende, gängige Sprüche lauten: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ und „Ein Junge darf nicht weinen“.

 

Drei Thesen zur Trauer

 

Aufgrund dieser Erfahrungen nennt Achenbach drei Thesen zur Trauer:
• Männer trauern im Geheimen; äußerlich ist das kaum erkennbar. „Statt über ihren Kummer zu sprechen, machen sie ihn lieber mit sich selbst aus.“
• Männer reden weniger über ihre Gefühle, jedenfalls solange sie sich nicht rundum wohlfühlen.
•  Männer gehen mit dem Verstand an Themen wie Trauer und Verzweiflung heran, sie wollen Wissen sammeln.

Wie lange darf Trauer eigentlich dauern – ab wann sollte alles wieder „normal“ sein? Das ist eine oft gestellte Frage. Sie lässt sich nicht klar beantworten, denn nach Ansicht des Trauerbegleiters ist es sehr unterschiedlich, wann die Zeit des Schmerzes und des Leidens vorbei ist. „Jede Zeitdauer, die Sie, der Betroffene, für sich benötigen, ist genau die Zeit, die ganz normal ist“, stellt Achenbach dazu fest.

Buchtipp
Thomas Achenbach, „Männer trauern anders“, Patmos-Verlag, 167 Seiten, ISBN 978-3-8436-1131-2, Preis: 17 Euro. Das Buch können Sie hier bequem bestellen.

 

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