Fragen und Antworten zum Urheberrecht im kirchlichen Bereich

Wer hat die Rechte an „Gute-Nacht-Geschichten?“

  • Die Urlauberkirche an der Küste streicht vorsichtshalber das Vorlesen von Geschichten aus dem Programm.
  • Grund ist das Urheberrecht, das auch beim Vorlesen von Texten greift, wie Bernhard Moormann, Referent beim Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) der Deutschen Bischofskonferenz, informiert.
  • Es gibt aber auch Ausnahmen, wo das Vorlesen weiterhin unbedenklich ist, zum Beispiel für feste Messdienergruppen.

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Die Wellen rauschen, die Abendsonne schickt ihre Strahlen über den Strand und in „Willis Urlauberkirche Butjadingen“ lesen Ehrenamtliche kleinen Kindern und ihren Familien eine „Gute-Nacht-Geschichte“ vor.

Was bisher als schönes Angebot im Rahmen der Urlauberseelsorge an der Küste stattfand, wurde nun gestrichen: „Vorsichtshalber“, wie Diakon Christoph Richter von „Willis Urlauberkirche“ betont. Die Urlauberkirche ist an die Gemeinde St. Willehad in Nordenham, Butjadingen und Stadland angegliedert.

Eine kirchlich engagierte Teamerin, die ebenfalls ehrenamtlich bei der Betreuung der Gäste im Sommer mitgeholfen hatte, machte die Leiter der Urlauberkirche auf die Rechtslage aufmerksam: „Wie ist das bei Gute-Nacht-Geschichten? Habt ihr euch die Rechte für die Nutzung eingeholt? Habt ihr eine Lizenz, dass ihr das Werk öffentlich nutzen dürft?“ Für die junge Frau eine ganz normale, sachliche Frage, ohne Hintergedanken, wie Richter ergänzt, denn sie arbeitet als Coach für junge Autoren und verfasst selbst Werke.

 

Dürfen Geschichten einfach so vorgelesen werden?

 

„Seit Jahren haben wir immer ein Buch ausgewählt, rausgeholt, vorgelesen und fertig“, sagt Richter. Zwar hat er vor fünf Jahren eine CD mit Weihnachtsliedern zum Mitsingen herausgebracht, doch da war die Sache klar. „Über die Rechteverwertung für Musik, die GEMA, gibt es ganz transparente Regelungen“, so der Diakon.

Wie sieht es nun aus bei Texten, Geschichten und Impulsen? Darf jedes Buch einfach im Gottesdienst, in der Kinderkirche oder am Lagerfeuer beim Zeltlager verwendet werden?

„Auch das Vorlesen von Texten ist urheberrechtlich relevant, sofern der Urheber des jeweiligen Textes noch nicht länger als 70 Jahre verstorben ist und der urheberrechtliche Schutz damit entfällt. Das Recht liegt beim Urheber zu bestimmen, wie mit dem Text umzugehen ist und wer ihn nutzen darf“, sagt Bernhard Moormann, Referent beim Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) der Deutschen Bischofskonferenz auf Anfrage von Kirche-und-Leben.de. Dem zugrunde liegt das Urheberrechtsgesetz (UrhG). Nach § 15 Abs. 2 hat allein der Urheber das Recht, sein Werk öffentlich wiederzugeben. Grundsätzlich müssen Texte, wenn sie öffentlich wiedergegeben werden, bei den Rechteinhabern gemeldet werden. Die Rechte werden in der Regel von der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort wahrgenommen. Im Einzelfall können aber auch die Verlage Rechteinhaber und damit Ansprechpartner sein.

 

Entscheidende Frage: Ab wann besteht „Öffentlichkeit?“

 

„Willis Urlauberkirche Butjadingen“ macht jede Saison viele Angebote in der Tourismusseelsorge im Offizialat Oldenburg. Vorlesegeschichten sind allerdings vorerst gestrichen. | Foto: pd
„Willis Urlauberkirche Butjadingen“ macht jede Saison viele Angebote in der Tourismusseelsorge im Offizialat Oldenburg. Vorlesegeschichten sind allerdings vorerst gestrichen. | Foto: pd

Der entscheidende Punkt ist also, ob das Vorlesen für eine Öffentlichkeit geschieht. Das „Netzwerk Vorlesen“ der Stiftung Lesen informiert dazu: „Wenn ehrenamtliche Vorleser/-innen einem oder mehreren Kindern aus Büchern vorlesen, können grundsätzlich alle Texte verwendet werden, an denen Kinder Freude haben und die für sie geeignet sind. Erst wenn Texte in einer öffentlichen Veranstaltung vorgelesen werden, Lesungen gefilmt oder sie ins Internet gestellt werden, muss die Einrichtung vorher mit den Rechteinhabern wegen der Nutzungsrechte Rücksprache halten.“

Bernhard Moormann erklärt dazu: „Der VDD schließt im Auftrag der (Erz-)Diözesen Pauschalverträge mit den Verwertungsgesellschaften für die Nutzung von Werken, unter anderem in der Gemeindearbeit. Der VDD hat für Vervielfältigungen von Texten für zum Beispiel den Erstkommunionunterricht oder Firmkatechese solche Pauschalverträge mit der VG Wort abgeschlossen.“ Wenn Texte allerdings innerhalb einer festen Gruppe, wie beispielsweise einer Messdienergruppenstunde, vorgelesen würden, handele es sich nicht um eine „öffentliche Veranstaltung“. „Das ist urheberrechtlich unbedenklich, da sich der Vortrag dann auf besondere Personen beschränkt, die einer abgegrenzten Gruppe angehören.“ Wenn es sich um eine „Schnupperstunde“ handle, wo Freunde von außen oder noch weitere Personen dazu kommen, wäre die Gruppe öffentlich zugänglich, der Text, abgesichert durch das Urhebergesetz, müsste freigegeben werden.

 

Viele religiöse Werke stehen zur freien Verfügung

 

Es gebe auch Ausnahmen für konkrete Veranstaltungen für Einrichtungen der Sozialhilfe, Jugendhilfe, Wohlfahrtspflege oder Altenhilfeeinrichtungen, wo aus sozialen Zwecken und einem begrenzten Personenkreis vorgelesen wird. Solche Privilegierungen seien im UrhG aber die Ausnahme. Im Grundsatz gilt, dass der Urheber dem Gebrauch des Textes zustimmen muss.

Diakon Christoph Richter hat nun direkt bei Verlagen nachgefragt und sich informiert. Nach seiner Erfahrung zeigen diese sich häufig kulant. „Es wird auch empfohlen, sich zum Beispiel Lizenzen zu kaufen, dass aus dem Buch öffentlich vorgetragen werden darf.“ Das könne zum Beispiel für drei Wochen 50 Euro sein. Für religiöse Werke sehe die Sache nochmal ganz anders aus: „Oft finden sich in diesen Werken der Hinweis „zur freien Verfügung“, erklärt Richter. Auf Anfrage gibt die Rechtsabteilung des Bistums Münster die „dringende Empfehlung, vor der Verwendung fremder Inhalte die erforderliche Zustimmung des Urhebers einzuholen. Dies gilt sowohl für die Verwendung fremder Inhalte im Rahmen seelsorgerischer Angebote als auch für die Verwendung bei gemeinschaftsstiftenden Angeboten.“

Trotzdem heißt es für die Vorleseabende der Urlauberkirche noch nicht „Gute-Nacht“, wie Christoph Richter von „Willis Urlauberkirche“ versichert: „Im November oder Januar, wenn wir hier weniger Touristen haben, werden wir uns mit der Rechtslage nochmal eingehend auseinandersetzen.“

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