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Justin Welby, Ehrenoberhaupt der weltweiten anglikanischen Christen, ist zurückgetreten. Wer ist der bisherige Erzbischof von Canterbury?
Nach dem "Markin Report" zu sexualisierter Gewalt in der "Church of England" und wachsendem Druck ist Justin Welby (68), der 105. Erzbischof von Canterbury, zurückgetreten. Er war Ehrenoberhaupt von etwa 85 Millionen anglikanischen Christen weltweit. Höhepunkt seiner Amtszeit war am 6. Mai 2023 die Krönung von König Charles III. in der Londoner Westminster Abbey.
Welby ist ein kirchlicher Quereinsteiger. Der Jurist, Öl-Manager und Familienvater wurde erst 1993 zum Priester und 2011 zum Bischof geweiht.
Welby: Vom Finanzmanager zum Bischof
Der frühere Finanzexperte des Konzerns "Elf Aquitaine" steht für Realitätssinn, rasche Auffassungsgabe und Weltläufigkeit. Die Berufsausbildung makellos: Schulabschluss in Eton; Jura und Geschichte in Cambridge und Dublin; Managerposten in Paris und London zur Finanzierung von Ölförderprojekten in Nigeria.
Der Unfalltod seiner kleinen Tochter, eines seiner sechs Kinder, brachte ihn der Religion näher. 1989 orientierte er sich radikal um: Welby studierte Theologie, wurde später Dekan der Kathedrale von Liverpool. Im britischen Oberhaus sitzt er heute im Ausschuss für Bankenaufsicht.
Welby stand zu Zweifeln an Gott
Als Kirchenoberhaupt äußerte Welby 2015, nach den islamistischen Anschlägen von Paris, auch Zweifel an Gott - und begründete auch das autobiografisch: Dort in Paris hätten er und seine Frau einst ihre glücklichste Zeit erlebt.
Der Erzbischof kann Schwäche zeigen und Verletzungen einräumen. So sprach er 2019 zum Welttag der seelischen Gesundheit offen über seinen Kampf gegen Depression. Er habe 2018 erkannt, dass er Hilfe brauche, auch wenn das nicht einfach gewesen sei.
Mit 60 Jahren erfuhr das Oberhaupt von Englands Staatskirche 2016 durch einen DNA-Test, dass er der uneheliche Sohn eines Privatsekretärs von Ex-Premier Winston Churchill ist. Auch das kommunizierte Welby souverän - und erntete dafür großen Respekt.
Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren.
Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das "Book of Common Prayer".
Der englischen Mutterkirche steht König Charles III. als weltliches Oberhaupt vor. Geistliches Oberhaupt, Primas der Kirche von England und Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft ist der Erzbischof von Canterbury. Er hat jedoch als “Erster unter Gleichen” keine Weisungsbefugnis für die Nationalkirchen. Außerhalb Englands gibt es fünf Nationalkirchen, darunter in den USA, Australien und in mehreren Ländern Afrikas.
Die vergangenen Jahrzehnte waren von innerkirchlichen Spannungen geprägt. Streitfragen sind die in vielen Nationalkirchen zugelassene Weihe von Frauen zu Geistlichen, teils auch zu Bischöfinnen, sowie der Umgang mit Homosexuellen. Seit Dezember 2023 können in Gottesdiensten der "Church of England" homosexuelle Paare gesegnet werden. Die anglikanische Staatskirche betont allerdings, es handle sich nicht um eine Trauungszeremonie. | KNA
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