Gedanken nicht nur zum 10. Mai

Vom Segen und Segnen

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In diesen Tagen macht der Segen von sich reden. An vielen Orten wird er jenen angeboten, die so lange eher ein Nein denn ein Ja erfahren mussten: gleichgeschlechtlichen, aber auch wiederverheirateten Paaren. Auch Verliebten, Verlobten und Verheirateten. Es scheint: An Gottes Segen ist allen gelegen.

Segnen kann jeder. Das sagen viele in dieser Zeit, auch um auszudrücken, dass der Zuspruch göttlichen Schutzes nicht nur geweihten Männern anheimgegeben ist, die mit großer Geste und womöglich gesungen, an Sonn- und Festtagen mit dreimaligem Amen bekräftigt einen feierlichen Segen über die Gemeinde legen.

In der Tat hat mir meine Mutter, die eine gleichermaßen emanzipierte wie fromme Frau war, oft ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet, nachdem sie zuvor ihren Daumen ins gesegnete Wasser des kleinen, zinnenen Weihwasser­beckens gleich neben der Haustür gesenkt hatte. „Geh mit Gott“, hat sie oft dabei gesagt. Nicht jedesmal, wenn ich das Haus verließ. Aber doch, sobald Größeres anstand: eine Reise, eine Prüfung, ein wie auch immer schwerer Gang.

Ihr Segnen ließ uns einen Moment die Zeit an- und uns innehalten und öffnete tatsächlich ein bisschen so etwas wie den Himmel über dem, was sich an Sorge zusammengebraut hatte. „Geh mit Gott“ ließ Gott mit mir gehen, an meiner Seite. Oder besser: Erinnerte mich daran, dass ich nicht allein ging. Nicht allein war und bin. Weil er ja immer da ist.

 

„Segnen kann nur Gott“

 

Das sagt der Segen: Nicht, dass Gott kommen möge, sondern dass er ja da ist. Kein Segensspruch ist ein Zauberspruch, kein Kreuzzeichen mechanischer Auslöser des Gnadenflusses, kein Segen Magie. Es wird nichts gut, sobald oder weil es gesegnet ist. Der Segen sagt – oder wie man hier treffender sagt: offenbart das Gute, offenbart, dass Gott da ist.

Und dann ist es gar nicht richtig, wenn wir sagen: „Jeder kann segnen.“ Vielmehr ist es so: „Segnen kann nur Gott.“ So schreibt es schon der große Religionsphilosoph Romano Guardini: „Was im Segen eigentlich wirkt, was darin strömt, ist Gottes eigenes Leben. Er segnet mit sich selbst, segnend gibt Er sich selbst.“

 

Siegel Gottes, Signal der Liebe

 

Das kommt auch in den Begriffen fein zum Ausdruck. Das kirchliche Latein spricht von „benedicere“, das in unserem Fremdwort „Benediktion“ zu erkennen ist. Benedicere besteht aus zwei Wörtern: „bene“, was „gut“ bedeutet – und „dicere“, was „sagen heißt“. „Benedicere“ meint aber weit mehr als einfach „Gutes sagen“, sondern „gutheißen“. Es rührt an das Grundgute im Menschen. Daran, dass er Geschöpf Gottes ist. Das ist das Grundgute, das Göttliche. Trotz aller Fehler, trotz aller Schuld, trotz alles Bösen des Menschen bleibt dieses Göttliche.

Die Bibel erzählt schon ganz zu Beginn von Kain, der seinen Bruder erschlug. Und doch „machte der Herr dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage“. Das Kainsmal nicht als Warnhinweis für alle: „Achtung, Mörder, nehmt euch in acht!“ Sondern vielmehr als Schutzzeichen, dass ihm keiner Böses antut. Es ist ein Siegel Gottes, dass das Grundgute bewahrt. Ein Signal der Liebe. Und von diesem Zeichen, lateinisch „signum“, kommt unser deutsches Wort „segnen“.

 

Offenbaren und bestätigen

 

So ist es mit jedem Segen: Kein Segen segnet, macht und tut. Kein Segen bewirkt und bewahrt. Keiner segnet den oder die andere. Und kein Segen ist ein Gnadenerweis der Kirche, kein Gnadenakt von ihr über jemandem.

Schon gar nicht über Liebende. Denn da werden dann nicht etwa die Menschen gesegnet – wer auch immer sie seien, wie auch immer sie leben, wie gut und richtig und aufrichtig, wie halbherzig, unzufrieden und böse sie irgendwo ja doch auch alle immer sind. Nein. Wer liebt, wird nicht gesegnet; wer liebt, ist gesegnet. Allein in und durch die Liebe. Das sagt – offenbarend und bestätigend – der Segen.

 

Kein gnädiges Ja der Kirche

 

Darum freilich müsste es doch auch bei den Segnungsgottesdiensten gehen, die um den 10. Mai vielerorts angeboten werden: Nicht als Erstes um ein gnädiges Ja der Kirche zu dieser oder jener bisher oft missachteten Lebensform oder Sexualität. Nicht um einen kirchenrechtlichen Akt.

Sondern um eine Feier, in der Gott als die Liebe zweier Menschen öffentlich wird und in der diese zwei Menschen festlich diese Liebe annehmen, die sie verbunden sein lässt und in der Gott längst bei ihnen ist.

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