Christbaum, Krippe und Kartoffelsalat

Wie das Weihnachtsfest in die Familien kam

Guido Fuchs, Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg und Leiter des Instituts für Liturgie- und Alltagskultur in Hildesheim, schildert, wie sich das Brauchtum rund um das Fest der Geburt Christi entwickelt hat.

 

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Guido Fuchs, Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg und Leiter des Instituts für Liturgie- und Alltagskultur in Hildesheim, schildert, wie sich das Brauchtum rund um das Fest der Geburt Christi entwickelt hat.

Inbegriff der deutschen Weihnacht ist der Heilige Abend einschließlich Glöckchenläuten, Bescherung unterm Tannenbaum und Würstchen mit Kartoffelsalat. Zwischen 16 und 22 Uhr findet unter deutschen Dächern am 24. Dezember das Fest statt, das in vielen anderen Ländern erst am 25. gefeiert wird.

Die Heiligabendfeier zeigt in vielen Familien eine erstaunliche Übereinstimmung in den Elementen und Ritualen, die zum Teil auch religiöser Natur sind: etwa das Lesen des Weih­nachts­evangeliums, das Singen von Liedern und Sprechen von Gebeten, das Aufstellen einer Krippe und die Gestaltung einer kleinen Feier vor dieser –  über die Konfessionen hinweg.

 

Ablauf in vielen Familien ähnlich

 

Das ist insofern bemerkenswert, als solche religiösen Ausdrucksformen in der Familie über das Jahr sonst kaum ein Pendant haben, wie das vielleicht noch vor Jahrzehnten der Fall war. Woher rührt diese Art häuslicher Andacht und warum ist sie gerade mit dem Heilig­abend verbunden?

Die Feier der Geburt Jesu ist uns für das vierte Jahrhundert in Rom bezeugt. Sie fand in einem Gottesdienst am Vormittag des 25. Dezember statt. Im Laufe des sechsten Jahrhunderts kamen zwei weitere Feiern dazu, darunter eine in der Nacht. Dieser Mitternachtsgottesdienst erfreute sich auch später großer Beliebtheit. Allerdings verursachte er manche Probleme wegen der Dunkelheit – vor allem aber wegen der Gottesdienstbesucher selbst, die oft angeheitert zur Kirche kamen.

 

Nächtlichen Gottesdienst auf den Tag verlegt

 

Deswegen begann man in der evangelischen Kirche, diesen nächtlichen Gottesdienst zu verlegen – entweder auf den frühen Morgen des 25. Dezember oder auf den Nachmittag beziehungsweise Abend des 24. So rutschte der ursprünglich nächtliche Gottesdienst in den Nachmittag oder Abend des 24. Dezember – was katholischerseits bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht möglich war.

Christmette
Der Besuch der Christmette hat für viele Familien eine lange Tradition. | Foto: Michael Bönte

In die Familien und Häuser kam die weihnachtliche Feier über die häuslichen Andachten, wie sie auf evangelischer Seite üblich waren. Insbesondere der Hausvater hatte die Pflicht, die Hausangehörigen – auch das Gesinde – morgens, mittags und abends zu versammeln und mit ihnen zu beten, sie auch regelmäßig im Katechismus zu unterweisen.

 

Vater leitete die Andacht

 

Die Andachtsbücher boten häufig einen Vorschlag zur Gestaltung des Heiligen Abends mit Liedern, Schriftlesung(en) und Auslegung, Gebeten. Die Leitung oblag dem Vater, der nicht nur das Weihnachtsevangelium las, sondern sogar eine kleine Auslegung dazu halten konnte.

Katholischerseits war der Heilige Abend bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein als Vortag des Weihnachtsfestes ein Buß- und Fastentag. Der erste Weihnachtsgottesdienst war die Christmette, die nicht vor 24 Uhr beginnen konnte.

 

Rosenkranz und "Engel des Herrn"

 

Der Heilige Abend stand daher ganz im Zeichen der Vorbereitung auf das Christfest. Als Andachtsformen waren der Rosenkranz und auch der „Engel des Herrn“ (Angelus) üblich. Erst als auch in der katholischen Kirche der nächtliche Gottesdienst schon am Abend gefeiert werden konnte, kam es zu Änderungen.

Zu den alten Ritualen zählen auch das Gedenken und Bedenken der Armen, der Brauch des Christbaums und der Krippe. Eine zunehmende Inszenierung (der Eltern für die Kinder) führte zum besonderen „Weihnachtszimmer“ und dessen Freigabe mit dem Läuten eines Glöckchens. Das Zitieren von biblischen Verheißungsversen mutierte mit der Zeit zu Gedichten und anderen Sprüchen, die es aufzusagen gilt, um Zutritt zum Weihnachtszimmer oder zu den Geschenken zu erhalten.

 

Geschenke immer mehr im Zentrum

 

So veränderten sich die alten Andacht-Elemente, wie überhaupt der ursprünglich religiöse Kern zunehmend zum „Accessoire“ mutiert und die früher untergeordneten Elemente immer häufiger das Zentrum der Feier bilden. Vor allem die Geschenke und kreatives Auspacken sind wichtig geworden, inzwischen auch das Essen und dessen Zubereitung.

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