Den Mitarbeitern am Telefon helfen Fortbildungen

Wie die Telefonseelsorge Recklinghausen hilft

Wer Not hat, kann sich alles von der Seele reden. Mitarbeiter der Telefonseelsorge Recklinghausen sortieren gemeinsam mit den Anrufern Fragen und Probleme. Um guter Gesprächspartner sein zu können, gibt es Fortbildungen.

 

Anzeige

Ehrenamtliche Mitarbeiter bieten am Telefon-Hörer anderen Menschen Ohr und Herz, sind „Anteilnehmer“ und „Zuhörkünstler“. So auch die 73 Mitarbeitenden der Telefonseelsorge im Kreis Recklinghausen. Für sie stehen die Anrufenden mit ihren konkreten Nöten im Mittelpunkt.

„Die häufigsten Probleme, mit denen Menschen bei der Telefonseelsorge anrufen, sind Partnerschaftsprobleme, Familienkonflikte, Sucht­erkrankungen, Einsamkeit und psychische Störungen“, sagt Gunhild Vestner. Die evangelische Pfarrerin leitet die ökumenisch getragene Telefonseelsorge in Recklinghausen.

 

15.000 Anrufe im Jahr

 

Die Mitarbeiter bemühen sich, die Anrufenden in schwierigen Lebensphasen zu begleiten, indem sie im Gespräch Entlastung bieten, gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten suchen und Informationen über weitere Hilfsangebote mitteilen. Im vergangenen Jahr erreichten die Telefonseelsorge Recklinghausen fast 15.000 Anrufe, die zu etwa 10.000 Seelsorge- und Beratungsgesprächen geführt haben.

Um Belastbarkeit, Einfühlungsvermögen und Gesprächsführung zu erzielen, veranstaltet die Telefonseelsorge für ihre Mitarbeiter regelmäßig Fortbildungen, wie jüngst mit dem Sozialwissenschaftler Stephan Marks, der über die „Scham als verdrängte Emotion“ sprach.

 

Regelmäßige Fortbildungen

 

„Psychosoziale Themen sind wichtig für unsere Arbeit“, sagt Ursula Funken. Sie berät seit zwölf Jahren und  ermutigt zu einem bewussten Umgang mit Scham. „Man kann Menschen mit Scham erfüllen, indem man ihnen Anerkennung verweigert.“

Ähnliche Erfahrungen hat auch Petra Stoltenberg gemacht, die neben dem Telefondienst im Chat berät: „Um die eigene Scham nicht fühlen zu müssen, werden andere gezwungen, sich zu schämen. Sie werden beschämt, verhöhnt, erachtet, bloßgestellt und gemobbt.“ Man zeige außen eine Fassade von Arroganz, sodass niemand die Selbstwertzweifel erkennen könne, mein Stoltenberg.

 

Zweifel am Selbstwert

 

Schamgefühle würden oft durch Suchtmittel betäubt, erklärt Heiner Fehlker, der seit sechs Jahren Ratsuchenden hilft. Ein Problem könne so formuliert werden: „Ich schäme mich, weil ich trinke, und ich trinke, weil ich mich schäme.“

Die Fortbildung mit dem Sozialwissenschaftler Marks habe geholfen, wie ein Gespräch in eine richtige Richtung gebracht werden könne. „Auch wir in der Telefonseelsorge wissen nicht alles, aber wir wollen gut sein“, sagt Fehlker. In Gesprächen mit Telefonseelsorgern sollten Anrufende erleben, dass sie respektiert und verstanden werden. „Ihre schmerzlichen Schamgefühle werden im Gespräch nicht verdrängt, sondern können als Entwicklungsimpuls genutzt werden.“

 

Anonymität im Chat

 

Aber auch die geschützte Kommunikation im Chat gibt Hilfesuchenden Anonymität, die höher sei als beim Telefonat, meint Stoltenberg. „Der Chat kann mit einem Klick beendet werden.“

Am 5. November beginnt ein neuer Ausbildungskurs für diejenigen, die in der Telefonseelsorge mitarbeiten möchten. Nähere Auskunft dazu geben Gunhild Vestner und ihr Leitungsteam unter Telefon 0 23 61/2 78 98.

Es wäre schön, so Vestner, hätte die Telefonseelsorge in dem wachsenden Feld der Beratung noch mehr digital erfahrene junge Menschen, die sich zu einer ehrenamt­lichen Ausbildung vor allem im Chat-Angebot entschließen würden.

Anzeige