Wissenschaftliche Studie über sexuelle und körperliche Gewalt in Ordensschule

Wie Dominikaner in Vechta gewalttätig wurden

  • Vor zehn Jahren wurden Fälle von sexueller und körperlicher Gewalt in Internat und Schule der Dominikaner in Vechta bekannt.
  • Die deutschen Dominikaner fördern inzwischen eine wissenschaftliche Studie über das Geschehen und sein Umfeld.
  • Maria Anna Zumholz, Historikerin an der Universität Vechta, berichtet von ihren ersten Forschungs-Ergebnissen.

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Die Fälle von sexueller und körperlicher Gewalt in Schule und Internat der Dominikaner in Vechta sind lange bekannt. Aber warum konnte es überhaupt dazu kommen? Eine wissenschaftliche Studie dazu schreibt die Historikerin und Bildungsforscherin Maria Anna Zumholz, Privatdozentin an der Universität Vechta. Auf Anregung und mit Förderung  der deutschen Dominikaner.

Es geht um das Kolleg St. Thomas in Vechta. Das Internat betrieben die Dominikaner von 1947 bis 1990. Dort und in der Schule, die sie bis heute betreiben, kam es in den 1950er und 1960er Jahren zu diesen Fällen von Gewalt.

 

Wie haben die Dominikaner gearbeitet?

 

Maria Anna Zumholz
Die Vechtaer Historikerin Maria Anna Zumholz erforscht die Geschichte von Dominikaner-Internat und -Schule und die Gewaltfälle dort. | Foto: Andreas Kathe

Sie werde den Blick aber weiter fassen, betont Zumholz. „Welche dominikanischen Erziehungstraditionen  gab es?“ Oder „Wie stand es um Profil und Qualifikation der Dominikaner dort?“ Sie wolle ein Gesamtbild der Bedingungen beschreiben, unter denen dort die Gewaltfälle möglich wurden.

Konkret geht es auch um Fälle, die seit 2011 öffentlich bekannt sind. Damals hatten sich bei der Provinzleitung der Dominikaner in Köln neun Betroffene gemeldet. Die ehemaligen Schüler berichteten von sexuellem Missbrauch und körperlicher Gewalt. Die Dominikaner hatten damals öffentlich um Vergebung gebeten, in zwei Fällen Entschädigungszahlungen geleistet sowie Therapiekosten übernommen. Zugleich beschlossen die Dominikaner, eine unabhängige Studie über die pädagogische Arbeit in Vechta anzuregen und zu fördern. „Das sind wir den Betroffenen schuldig“, sagt Provinzial Pater Peter Kreuzwald heute.

 

Zumholz arbeitet unabhängig

 

Pater Peter Kreuzwald
Pater Peter Kreuzwald fördert als Provinzial der deutschen Dominikaner die historische Studie über Ordensschule und -internat in Vechta. | Foto: Dominikanerprovinz Teutonia

Maria Anna Zumholz arbeitet seit mehr als einem Jahr an dieser Studie. Die Historikerin und Bildungsforscherin an der Universität wird völlig unabhängig arbeiten und veröffentlichen, das stellt sie im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ klar. Der Orden gewähre ungehinderten Zutritt zu seinen Archiven. Er habe auch die Adressen von ehemaligen Schülern zur Verfügung gestellt, die zu einer Zusammenarbeit bereit waren.

Bei ihren Forschungen sei der erste Teil so gut wie abgeschlossen, berichtet sie. Auf etwa 900 Anfragen zu Erfahrungen als Schüler habe sie inzwischen mehr als 160 Antworten bekommen, „ein erstaunlich hoher Rücklauf“, wie Zumholz sagt. Die Antworten seien zu zehn Prozent – wie angeboten – anonym gegeben worden, aber immer sehr persönlich und zum Teil „schonungslos offen“. Die bekannten Taten zweier Dominikaner würden in aller Deutlichkeit geschildert. Beide Priester sind inzwischen verstorben.

 

Schüler in Vechta wurden gedemütigt

 

Ein Pater habe sich von 1956 bis 1961 Jahre sexuell an Schülern vergangen. „Er hat schweres Leid angerichtet, das noch nach Jahrzehnten aus den Äußerungen der ehemaligen Schüler spricht.“ Der zweite Dominikaner sei immer wieder durch körperliche Gewalt aufgefallen. In Familie und Schule habe man Prügelstrafen damals zwar wie eine selbstverständliche Erziehungsmaßnahme gesehen. Aber sogar vor diesem Hintergrund „stellten diese Züchtigungen oft Formen einer strafrechtlich relevanten Körperverletzung dar“. Viele Schüler hätten die Taten als „äußerst demütigend“ beschrieben und seien heute noch traumatisiert, berichtet Zumholz.

Nach Zumholz' bisherigen Ergebnissen lasse sich das Schul- und Internatsleben in zwei Phasen einteilen: eine „von sehr strenger Erziehung und Übergriffen“ geprägte Nachkriegsphase und nach einem Übergang  ab 1968 durch eine „von Emanzipation geprägte“ neue Phase.

 

Dominikaner geben widersprüchliches Bild

 

In ihren bisherigen Forschungen habe sie eine große Bandbreite von Stimmungen und „ein oft widersprüchliches Bild“ gefunden, berichtet die Forscherin. Von: „Diese Zeit wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht“ bis zu: „Es war die schönste Zeit meines Lebens.“ Das gelte auch für die erste Phase in Internat und Schule.

Die Auswertung der persönlichen Zeugnisse der Schüler wolle sie nun ergänzen durch die Erforschung des Materials in den Archiven der deutschen Dominikaner, berichtet Zumholz. „Die Arbeit soll auf einer möglichst breiten Quellenbasis stehen.“ Die Veröffentlichung bei einem Verlag in Münster sei für Ende kommenden Jahres geplant.

Kolleg St. Thomas Vechta
Das Kolleg St. Thomas, eine Schule der Dominikaner in Vechta, wurde 1908 gegründet, mit einem angeschlossenen Internat. Sie war zunächst nur für den Ordensnachwuchs gedacht. Seit 1947 arbeitet sie als freie Internatsschule. Die Schule hat sich schrittweise geöffnet. Bis 1970 hatte sie nur Internatsschüler aufgenommen, bis 1994 nur katholische Schüler, bis 2006 nur Jungen. | fjs

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