Männer allein zu Haus

Wie ein alleinerziehender Vater seinen Alltag meistert

Patrick zieht seinen vierjährigen Sohn allein groß. Mit Unterstützung der Großeltern, des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und seines Arbeitgebers hat sich die kleine Familie eingespielt. Einen „Muttertag“ gibt es alle zwei Wochen am Telefon, wenn die Mama anruft.

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Der große Esstisch im hellen Wohnzimmer ist beladen mit Wäschestücken. Patrick (alle Namen geändert) setzt seinen Rucksack mit seinen Arbeitsklamotten ab, hängt seine Jacke auf und macht sich daran, Kinder-Socken, Männer-Socken, Kinder-Lätzchen und Männer-Hosen zu falten.

Er schaut auf die Uhr, die Zeit ist knapp: „Gleich muss ich los, Jakob abholen. Der Kindergarten ist etwa 30 Minuten zu Fuß entfernt“, sagt der 34-Jährige und rückt unbewusst die rechteckige, modische Brille auf seiner Nase zurecht. Er besitzt kein Auto. Daher muss er die Wege zwischen Kindergarten und Arbeit rechtzeitig planen. Die Stunde zwischen Job und Jakob nutzt er für den Haushalt, zum Einkaufen, oder wenn es gut läuft, für eine Tasse Tee.

 

Jung geheiratet

 

„Mir war es wichtig, dass Jakob in einen guten Kindergarten kommt“, erzählt er. Dafür nimmt er auch den langen Fußweg in Kauf. „Ist doch gesund“, sagt er mit einem Achselzucken. In der Kita wird für Jakob frisch gekocht, das war ihm wichtig: „Kochen konnte ich schon vorher einigermaßen“, sagt Patrick.

Zahlen und Fakten
Die Zahl der Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern hat sich zwischen 1996 und 2014 von 1,3 Millionen um 335.000 auf gut 1,6 Millionen erhöht.
Der Anteil der alleinerziehenden Mütter hat sich nur geringfügig verändert. 1996 lag er bei 87 Prozent, 2014 waren es 89 Prozent.
Im Jahr 2013 gab es in Deutschland rund 385 000 alleinerziehende Väter und rund 2.294.000 alleinerziehende Mütter.
(Quellen: Caritas, Statistisches Bundesamt)

Mit „Vorher“ meint er die Zeit, als er, Jakob und seine damalige Frau noch eine Familie waren. Jung haben sie geheiratet, „das war in meiner Familie immer so, dabei stammen wir noch nicht mal aus dem Osten“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Sie war 22, er 26 Jahre alt. Patrick hatte gerade seinen Ausbildungsvertrag zum Facharbeiter für Lagerlogistik in der Tasche. Nach drei Jahren wurde Jakob geboren.

Die Liebe habe ihn blind gemacht, meint Patrick heute: „Irgendwie lief es die ganze Zeit schief zwischen uns, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Wir hatten viel zu wenig gemeinsame Interessen, saßen nur auf der Couch herum, weil sie nicht mit meinen Freunden raus wollte.“

Nach und nach stellte sich heraus, dass seine junge Frau von nicht verarbeiteten Erlebnissen aus ihrer Jugend belastet war. Sie kämpfte außerdem mit ihrer eigenen, auseinander brechenden Familie, der Vater wurde schwerkrank, ihre Oma, der sie nahe stand, wurde dement: „Sie war einfach nicht stabil“, sagt Patrick.

Vier Wochen nach der Geburt blieb Jakobs Mutter das erste Mal über Nacht weg und kam nicht wieder: „Da stand ich mit Jakob und wusste nicht, was nun!“ Zum Glück konnte sich erst einmal die Schweigermutter frei nehmen und sich um den Kleinen kümmern, denn Patrick musste zur Arbeit.

 

Zeit für Verzweiflung gab es nicht

 

„Das nächste Mal war ich schon vorgewarnt, als meine Frau verkündete, zu Freunden nach Dortmund fahren zu wollen“, erzählt er langsam. Wieder kam sie nicht zurück, diesmal endgültig. Da war Jakob sechs Wochen alt: „Ich hatte ihn auf dem Arm, als ich nachts mit meinem Schulfreund in ­Eng­land ge­scyped habe.“ Stundenlang redete er sich über das Internet die Trennung von der Seele.

Zeit für Verzweiflung blieb Patrick nicht, er musste funktionieren, Jakob zuliebe. Das Jugendamt vermittelte ihn an die Familienhilfe vom Sozialdienst Katholischer Frauen in Osna­brück. Patrick bekam die nächsten zwei Jahre viel Unterstützung. „Die Mutter lehnte die Beratung ab“, sagt er kurz. Losen Kontakt zu ihrem Sohn hält sie trotzdem bis heute. Ein Bruch, der Patrick aber nicht gebrochen hat, obwohl nicht immer alles glatt gelaufen war in seinem Leben.

 

„Jakob geht vor“

 

Nach dem Abitur folgte ein abgebrochenes Studium und eine gekündigte Lehre. Umso ehrgeiziger ist der junge Vater heute. Im Wohnzimmer hängen keine Familienbilder, dafür zwei große Fotos seiner Abitur-Schulklasse und ein Foto von Patrick im Anzug mit einer Urkunde in der Hand: Als Landesbester hat er seine Ausbildung abgeschlossen. Er will alles richtig machen.

„Jakob geht vor“, sagt er auf dem Weg durch die gepflegte Vorstadtsiedlung mit frisch renovierten Hochhäusern, bis er den Kindergarten in einer ruhigen 30er-Zone erreicht. „Ich hab extra auf dich gewartet“, ruft Jakob schon im Gang und fällt Patrick um den Hals. „Papa, ich hab dich so lieb!“

Zahlen und Fakten
Die Zahl der alleinerziehenden Väter ist seit 2000 um 57.000 im Jahr 2015 angestiegen.
In jeder fünften Familie in Deutschland lebt ein Elternteil mit Kind allein.
40 Prozent der Alleinerziehenden erhalten Grundsicherung. Sie haben weniger als 1.300 Euro pro Monat zur Verfügung. Fast jedes zweite Kind, das von Armut bedroht ist, wächst bei nur einem Elternteil auf.
(Quellen: Caritas, Statistisches Bundesamt)

Momente wie dieser entschädigen grenzenlos für wache Nächte, Stress auf der Arbeit, Missverständnisse mit der Ex. Der Papa freut sich natürlich, sieht aber müde aus und gibt sich trotzdem alle Mühe, seinem Sohn die volle Aufmerksamkeit zu widmen: „Du hast deine Schuhe falsch herum an“, meint er. „Nein!“, protestiert Jakob. „Na, dann hab ich wohl falsch herum geguckt“, erwidert Patrick lächelnd. „Helf mir“, meint Jakob plötzlich, und Patrick korrigiert gelassen die „Ziegenfüße“. Von seinem leiblichen Vater habe er diese Geduld und Zugewandtheit nicht, meint Patrick. Zu ihm hat er keinen Kontakt.

Es ist der Vater seiner Stiefschwester, mit dem er Weihnachten verbringt, sich über Erziehungsfragen austauscht. Seine Mutter hat wieder einen neuen Partner und einen Sohn. „Sie besuchen uns manchmal“, berichtet Patrick.

Der Heimweg ist anstrengend. Es ist mittlerweile 16.30 Uhr. Der Kleine ist müde von dem langen Tag im Kindergarten, und der Vater ist müde von der Arbeit. „Ist doch irgendwie komisch. Als alleinerziehender Vater klopfen sie dir alle auf die Schulter, aber wer macht das bei Frauen, die ihre Kinder allein erziehen?“, fragt Patrick, während er mit Jakob auf dem Rücken die Wohnhäuser entlang läuft. Er hält diese Einstellung für gesellschaftlichen Sexismus.

Seine Firma hat sich auf den Alleinerziehenden eingestellt. Patrick konnte drei Jahre Elternzeit nehmen und arbeitet 25 Stunden Teilzeit. Ein Kollege nimmt ihn auf dem Rückweg im Auto mit.

 

„Ist Mama ganz weg?“

 

Familie – das ist für den Vater ein dehnbarer Begriff geworden: „Für mich ist Jakob meine Familie und die Menschen, mit denen wir uns gut verstehen“, so formuliert es Patrick. Auch seine Ex-Schwiegereltern gehören dazu. „Für Jakob ist das ein Geschenk. Er hat viele Menschen, die sich liebevoll um ihn kümmern.“

Und die Mutter? „Er fragt nach ihr.“ Was sagt er seinem Sohn dann? „Dass sie weggegangen ist, weil sie krank war, das reicht ihm mittlerweile.“

Für die Zukunft wünscht sich Patrick, dass seine Ex-Frau am Ball bleibt und weiterhin alle zwei Wochen mit Jakob telefoniert.

Termine für Alleinerziehende
Auf der Internetseite des Bistums Münster gibt es viele Treffs und Beratungsangebote für Alleinerziehende in Kooperation mit der Caritas oder dem SkF: www.bistum-muenster.de >Ehe+Familie.
Seminar „Gemeinsam sind wir stark“, 31. Juli bis 3. August, mit Workshops, Musik und Austausch, in Zusammenarbeit mit dem Rotary-Club Warendorf und der Katholischen Landvolkshochschule „Schorlemer Alst“, Am Hagen 1, 48231 Warendorf-Freckenhorst, Telefon 0 25 81/9 45 80, unter der Leitung von Klaus Woste, E-Mail: woste(at)bistum-muenster.de
Inseltage für Alleinerziehende, 30. Oktober bis 3. November, im Haus Meeresstern auf der Insel Wangerooge, Veranstalter: Kolping-Bildungswerk Diözesanverband Münster, Telefon 0 25 41/80 34 73, www.kolping-ms.de
Tag für getrennt Lebende und Geschiedene, 10. November, ab 19 Uhr im Forum St. Peter, Peterstraße 22-26, Oldenburg.

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