Interview mit Donald Baker: Innere Spaltungen Amerikas unüberwindbar

Wie ein New Yorker Pfarrer Trumps Sieg deutet

Donald Baker ist katholischer Pfarrer in New York City. Im Gespräch mit Kirche+Leben sagt er, warum ihn die Wahl Donald Trumps nicht überrascht und warum er sich große Sorgen macht.

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Donald Baker ist katholischer Pfarrer in New York. Im Gespräch mit Kirche+Leben sagt er, warum ihn die Wahl Donald Trumps entsetzt, aber nicht überrascht.

Kirche+Leben: Donald Trump ruft in seiner ersten Ansprache zu Einigkeit in den USA auf. Kann das gelingen, nachdem vor allem gesellschaftliche Spaltungen den Wahlkampf bestimmt haben?

Pfarrer Donald Baker: Natürlich will Donald Trump jetzt Einigkeit haben. Er hat gewonnen und will sein Programm ohne große Einwände durchführen. Er kann behaupten, nicht ohne Grund, dass die Mehrheit der Amerikaner gesprochen hat. Diese Mehrheit hat ihn monatelang gehört und hat nicht gegen ihn gewählt, seinen Schwächen zum Trotz. Ganz ihm Gegenteil: Die Mehrheit der Amerikaner hat gegen die Demokraten gewählt. Darauf wird er sein Plädoyer für Einigkeit bauen. Ob das gelingen kann? Ich glaube nicht, dass die inneren Spaltungen Amerikas zwischen Rot und Blau zu überwinden sind. Aber die Mehrheit hat gesprochen – und wir sind eine Demokratie. Die Demokraten müssen sich damit abfinden und versuchen, ihre Werte auf eine demokratische Weise zu schützen und für sie zu werben.

Wie erklären Sie sich den Sieg Trumps, der zwar demokratisch zustande kam, aber dennoch auch in Deutschland viele Menschen entsetzt?

Zur Person
Donald Baker (56) ist Priester des Erzbistums New York. Seit 2003 war er Pfarrer einer Gemeinde in der Lower East Side, zu der viele Hispanics und Chinesen gehören. Seit einigen Monaten leitet er eine neue Gemeinde in der Upper East Side. Baker hat unter anderem in München studiert, spricht perfekt Deutsch und unterhält eine enge Beziehung zur Pfarrei St. Joseph in Münster. | Foto: Markus Nolte

Die Amerikaner haben nicht gegen die Demokratie gewählt. Die meisten haben nicht für die Werte Trumps gewählt. Sie haben gegen die Clintons und Obama gewählt. Ich glaube, dass ein Vergleich mit Weimar wichtig ist. Nicht dass die Demokratie in Amerika so schwach ist wie damals, aber nach Jahrzehnten deutscher Schwäche auf der Weltbühne, gesellschaftlichen Umwälzungen und ökonomischen Krisen haben damals viele einfach für jemanden gewählt, der versprochen hat, das alles zu beenden und das gute alte Deutschland wiederherzustellen. Genau dasselbe ist hier passiert. Nach der Meinung vieler Amerikaner hat die Demokratische Führung ein schwaches, allzu kapitulationsfähiges Amerika vertreten.Viele in den USA glauben an Amerikas Einzigartigkeit, ohne zu verstehen, dass diese Einzigartigkeit gerade in den von Trump vergewaltigten Werten zu finden ist. Man darf auch nicht die Rolle der sozialen Medien vergessen – Twitter, Facebook und so weiter machen es möglich, rasend schnell ein Bild von jemandem zu schaffen und zu bewahren. Wer nur auf seinen Twitterfeed achtet, erhält keine zweite, keine andere Meinung.

Wie wird der Wahlsieg in Ihrer Gemeinde wahrgenommen?

Amerika hat Donald Trump gewählt – aber nicht New York! Es ist zu früh zu sagen, wie die Wahl hier in der Gemeinde wahrgenommen wird, aber ich habe schon von einigen gehört, dass sie entsetzt, bestürzt und traurig sind. Man hat vor acht Jahren geglaubt, wir wären liberaler, großzügiger – einfach besser geworden. Wir haben vergessen, dass Angst und Rassenhass immer da waren. Alles, was man brauchte, um dies wieder zu entzünden, war jemand mit einer Stimme und einem Slogan. Jemand, der alles vereinfacht erklären und dadurch eine Mehrheit gewinnen kann.

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