Was passiert, wenn es mit einer Ordensgemeinschaft zu Ende geht

Wie eine Schwester ein Kloster abwickelt

Schwester Diethilde ist von Münster nach Essen gegangen, um als Generaloberin für einen anderen Orden alten Schwestern die letzte Phase dieses Ordens zu organisieren. Andere Gemeinschaften haben das beobachtet – für die eigene Zukunft.

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Schwester Diethilde hat sich die Baustelle genau angesehen. Im ehemaligen Kloster der Elisabeth-Schwestern in Essen baut ein Investor ein Flüchlingsheim. „Da schlägt das Herz jeder Schwester höher“, sagt die Generaloberin. Die soziale Not von Menschen mindern – das sei ja schon immer Aufgabe der Schwestern gewesen. „Wenn wir nur jünger wären!“

Sie sind aber nicht jung. Sie sind alt. Zwischen 64 und 94 Jahre alt, im Durchschnitt 83 Jahre: die „Barmherzigen Schwestern von der heiligen Elisabeth“ in Essen.  Und sie sind wenige: Heute leben noch 30 Schwestern.

 

Der Bischof holt eine fremde Generaloberin

 

Ein Problem für die Generaloberin: Schwester Diethilde Bövingloh aus Münster ist eine Fremde im Orden. Eine Mauritzer Franziskanerin, die der Bischof von Essen holte, als die Elisabethschwestern in einer Krise steckten.

Vielleicht ihrer tiefsten: alt, pflegebedürftig, das Mutterhaus in einem herrlichen Wald- und Wiesengelände – aber alt und baufällig. Und viel zu groß: Seit vierzig Jahren ist keine junge Frau mehr eingetreten.

 

Orden findet selbst keine Oberin mehr

 

Höhepunkt der Krise ist das Generalkapitel 2014. Die Schwestern finden keine Oberin mehr. Sie können ihr Leben nicht mehr organisieren.

Schwester Diehilde.
Schwester Diethilde Bövingloh aus Münster. | Foto: Achim Pohl (Bischöfliche Pressestelle Essen)

Der Bischof von Essen setzt Schwester Diethilde als Generaloberin ein, sie soll den Übergang organisieren. Den Übergang in ein würdevolles Ende der Gemeinschaft.

Die Franziskanerin hat zuletzt an der Spitze einer Stiftung das Schicksal von katholischen Krankenhäusern mitbestimmt. Sie kennt sich aus mit der Arbeit von Ordensfrauen. Als 71-Jährige denkt sie aber auch viel über deren Zukunft nach.

 

Das Mutterhaus verkauft

 

Sie spricht mit viel Wärme von „der Kraft und der Strahlkraft“, mit der die Elisabethschwestern „karitativ weit über das Ruhrbistum hinaus“ gewirkt hätten. Aber: Vielleicht sei bei ihnen das Nachdenken über die Zukunft nicht intensiv genug gewesen.

Schwester Diethilde packt an. Als erstes will sie das alte Mutterhaus verkaufen. Inzwischen ist es zu groß und baufällig, für die alten Schwestern auch unpraktisch. „Mit dem Rollator kommt man überhaupt nicht mehr ins Chorgestühl.“ Ein Kloster verkaufen – keine leichte Aufgabe. In der Immobilienbranche gibt es dafür keinen Markt. Aber Schwester Diethilde findet einen Käufer.

 

Ein neues Mutterhaus

 

Nicht alle Elisabethschwestern kommen mit ihrem Eifer zurecht. Die Generaloberin erinnert sich: Eine alte Schwester, 90 Jahre alt, habe sie gebeten: „Lassen Sie alles ruhiger angehen und warten Sie noch zehn Jahre, dann bin ich tot.“ Schwester Diethilde lächelt. „Verständlich, aber nicht befriedigend für die anderen Schwestern.“

Für die baut sie mit dem Geld aus dem Verkauf des alten ein neues Mutterhaus. Moderner Standard mit eigenem Bad, angebunden an ein Altenheim. Das klösterliche Leben geht weiter, aber unkomplizierte Pflege ist möglich. Und mit einem besonderen Akzent in der Eingangshalle: Alle 1.253 Elisabethschwestern sind auf einer großen Wandtafel mit ihren Namen verewigt.

Schwester Diethilde kennt sich aus ihrer Arbeit bei den Franziskerinnen gut aus in solchen Fragen von Finanzen und Organisation. Sie hat aber nie den Blick dafür verloren, wie schwer ein solcher Schritt den alten Elisabethschwestern fallen muss. „Als die eigene Kirche profaniert wurde – das war sehr schwer für uns alle.“

 

Neue Strukturen

 

Schließlich: Die Elisabethschwestern konnten ihr Ordensleben nicht mehr selbst organisieren. Wie sollte es weitergehen, wenn die Gemeinschaft sich Schritt für Schritt mit dem Sterben von Schwestern auflöste?

Wie bereiten sich Orden auf ihr Ende vor? Interview mit der Vorsitzenden der Deutschen Ordensobernkonferenz, Schwester Katharina Kluitmann, in unserer gedruckten Ausgabe. Sie können sie hier bestellen.

Schwester Diethilde schuf neue Strukturen, zusammen mit Fachleuten des Kirchenrechts. Denn dort ist nicht vorgesehen, dass sich ein Orden einfach selbst auflöst. Und wie das gehen könnte.

 

Ein Mann kann leiten

 

Schwester Diethilde entwickelte ein neues Leitungsmodell. Mit einer „Generalad­ministratorin“. Ein Amt, das möglichst eine Ordensfrau bekleiden sollte – das nach der neuen Satzung aber auch einem Mann offen steht. Noch bekleidet Schwester Diethilde dieses Amt, jetzt wieder von Münster aus.

Sie hat auch ein weiteres  Amt begründet: die „Ordenskoordinatorin“. Die begleitet das tägliche Leben; sie muss eine Frau – aber nicht eine Ordensfrau sein.

 

„Sorgt bloß zeitig vor“

 

Feinheiten und Weichenstellungen. Hinter denen steht für Schwester Diethilde eine entscheidende Frage: „Wie lange haben Schwestern noch die Kraft, ihre Entscheidungen über ihre Zukunft verantwortlich und selbst zu treffen?“ Für sie ist klar: Ordensfrauen sollten das noch selbst tun. „Vielleicht sind es ihre letzten souveränen Entscheidungen.“

Aus ihrer Arbeit in Essen weiß Schwester Diethilde jetzt: „Gemeinschaften müssen sich früh genug dieser Frage stellen, niemand sollte die Augen verschließen.“ Sie fährt jetzt oft zu anderen Gemeinschaften und berichtet von ihrer Arbeit. Dann sagt sie immer: „Sorgt bloß zeitig vor.“ Und warnt mit einem Augenzwinkern: „Sonst sorgen eines Tages andere für Euch. Dann bekommt ihr eine wie mich.“

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