Ausstellung zum Stadtjubiläum eröffnet

Wie Menschen in Wilhelmshaven seit 150 Jahren glauben

Wilhelmshaven feiert sein 150-jähriges Stadtjubiläum. 150 Jahre Stadt bedeuten auch 150 Jahre Religion in der Stadt. Eine Ausstellung erinnert daran. Sie zeigt, wie Menschen aller Religionen an der Küste ihren Glauben lebten und leben.

 

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Vielleicht ist das anrührendste Ausstellungsstück: eine Bibel auf Vietnamesisch. Wie kommt sie in die Ausstellung „Wilhelmshaven glaubt. 150 Jahre religiöse Vielfalt an der Jade“? Flüchtlinge aus Vietnam haben sie leihweise zur Verfügung gestellt, Katholiken, die vor 40 Jahren vor dem Terror der kommunistischen Regierung flohen – in kleinen Booten aufs Meer. „Boat people“ hießen sie damals. Sie hofften, dass Retter sie aufnehmen würden.

Viele fanden dank des Rettungsschiffs „Cap Anamur“ in Deutschland eine neue Heimat, einige bildeten in Wilhelmshaven eine kleine katholische Gemeinde. Was sie als Leihgabe für die Ausstellung geben könnten?

 

Flüchtlinge nahmen Bibel mit nach Wilhelmshaven

 

Miguel-Pascal Schaar hat sie das gefragt, er hat diese Ausstellung gestaltet. Für die Vietnamesen war schnell klar: diese Bibel. Abgestoßen, mit Packband geklebt, kein Schmuckstück, wie man es sonst in Museen zu sehen bekommt. Die Flüchtlinge hatten kaum genug Proviant und Wasser auf das Meer mitnehmen können – aber eben auch diese Bibel.

Museumsdirektorin Christina Wawrzinek fühlte sich von der Bibel spontan angesprochen; sie verweist aber auch auf das Marienbild neben den Bibeln; die Flüchtlinge haben ihr berichtet, in höchster Seenot hätten sie das Bild auf den Motor gelegt und auf die Fürsprache der Gottesmutter vertraut.  Ein Zeichen, wie Menschen, die heute Wilhelmshavener sind, damals geglaubt und gehofft haben.

 

Ausstellung lebt von vielfältigen Leihgaben

 

Miguel-Pascal Schaar, Kurator der Ausstellung, ist sehr einverstanden mit diesen Leihgaben. Weil sie die Vielfalt zeigen, mit der die Wilhelmshavener seit jetzt 150 Jahren ihren Glauben leben. Schaar hat diese Ausstellung im Jahr des Stadtjubiläums „150 Jahre Wilhelmshaven“ im Küstenmuseum zusammengestellt.

Kurator Miguel-Pascal Schaar und Direktorin Christina Wawrzinek vor Leihgaben der Wilhelmshavener Schönstattschwestern. | Foto: Franz Josef Scheeben
Kurator Miguel-Pascal Schaar und Direktorin Christina Wawrzinek vor Leihgaben der Wilhelmshavener Schönstattschwestern. | Foto: Franz Josef Scheeben

Der Kurator arbeitet für das neue Religionenhaus in Wilhelmshaven, ein Projekt auch des evangelischen Kirchenkreises Wilhelmshaven-Friesland. Es soll das Gespräch zwischen Religionsgemeinschaften der Stadt beleben oder überhaupt erst in Gang bringen.
Das gehe auch über eine solche Ausstellung, überlegte Schaar vor einem Jahr. Mit vielen Freiwilligen schrieb er alle Religionsgemeinschaften der Stadt an und bat um Hilfe. Besonders um Leihgaben, Ausstellungsstücke aus dem Alltag der Gemeinden.

 

Katholiken in Wilhelmshaven waren sofort für die Ausstellung

 

Dankbar war er für die Hilfe der St.-Willehad-Gemeinde, für Gewänder, Kelche und andere liturgische Geräte. „Dort war man von Anfang an für dieses Projekt, das hat Mut gemacht. Und die erste Zusage für unsere Vortragsreihe kam von Weihbischof Theising.“ Vor allem die Schönstatt-Schwestern seien mit „größter Freude“ dabeigewesen, berichtet Schaar. Sie hätten Bilder und Altäre zur Verfügung gestellt. „Sie haben mir auch gesagt: Wir beten für Sie.“ Schaar klingt gerührt.

Hilfe aus den Kirchen – am Anfang stand Schaar da vor Problemen. Überrascht war er bei einem ersten Treffen nach seinen Rundbriefen. „Die Hauptberuflichen hatten eher Bedenken, ob man das alles in so kurzer Zeit schaffen könne. Die Ehrenamtlichen dagegen waren von der Idee begeistert und überzeugt, dass es geht.“ Sie hätten dann die anderen mitgerissen.

 

Ausstellung will Vielfalt in Wilhelmshaven zeigen

 

Schaar konnte solche Hilfe immer wieder brauchen, Denn oft war es schwierig, überhaupt an Ausstellungsstücke zu kommen. Eine jüdische Gemeinde etwa gibt es seit der Nazi-Zeit in Wilhelmshaven nicht mehr. Schaar besorgte von außerhalb eine Thorarolle („von 1760!“) und fand im Stadtarchiv Baupläne der alten Synagoge.

Andere Glaubensgemeinschaften blieben sehr zurückhaltend, andere sagten auch offiziell ab. So hätte Schaar sich vorstellen können, mehr Ausstellungsstücke der Muslime zeigen zu können; außer Gebetsteppich, Koran und Gebetskette kann er aber nichts zeigen. Für ihn sei das jedoch einfach ein Ansporn, das Gespräch immer wieder neu zu suchen.

 

Viele Gespräche schon vor der Ausstellung

 

Gespräche: In der Ausstellung selbst klappt das hervorragend, berichtet Schaar. Schon bei Aufbau und Gestaltung hätten viele Besucher aus dem eigentlichen Museum in die Sonderausstellung hineingeschaut, ihn bei der Arbeit in Gespräche verwickelt. Überhaupt: „Die Besucher sind begeistert, die kommen immer wieder.“ Das Museum habe deshalb schon eine Flatrate für den Eintritt eingerichtet.

Jetzt, im alltäglichen Ausstellungsbetrieb, erlebe er auch, wie interessiert viele Besucher vor den Vitrinen stünden, vor Kreuzen und Kelchen. „Da flammen häufig Gespräche auf.“ Auch vor den vielen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Kirchen und Kapellen in der Stadt. „Da geht es ganz oft um Trauer und die Erfahrung von Schmerz – denn viele dieser Kirchen gibt es ja gar nicht mehr.“ Opfer des Bombenkrieges, der die Stadt im Zweiten Weltkrieg besonders traf.

 

Wilhelmshavens mal aus einer anderen Sicht

 

Die Ausstellung wird von einem Zusatzprogramm mit Vorträgen begleitet. Thema: Frieden und Toleranz aus der Sicht der jeweiligen Religionsgemeinschaft. „Wilhelmshaven steht als Marinestützpunkt eher für Krieg und Konflikt“, sagt Schaar. „Deshalb nun dieses Thema.“

Dafür stehen im Vorraum etwa 100 Stühle. Schwarze Zweckstühle des Museums. Aber Schaar hat auch hier einen Akzent gesetzt. Er bat Gemeinden, ihm einfach irgendwelche Stühle zu leihen. Die stehen nun verstreut zwischen den normalen: rote Polsterstühle etwa, vielleicht aus einem Pfarrheim. Aber ganz hinten auch eine alte, klobige „Küsterbank“ aus der evangelischen Kirche Neuende. Religiöse Vielfalt also auch beim Zuhören, während der vielfältigen Vorträge.

Die Ausstellung und ihre Vorträge
Die Ausstellung „Wilhelmshaven glaubt. 150 Jahre religiöse Vielfalt an der Jade“ ist noch bis zum 15. September im Küstenmuseum Wilhelmshaven zu sehen. Das Museum liegt an der Weserstraße 58 und ist dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt für Erwachsene 5 Euro, ermäßigt 3,50 Euro. Zum Programm gehört eine Vortragsreihe über die Vorstellungen von Frieden und Toleranz in den jeweiligen Religionen, jeweils sonntags um 15 Uhr. Eine Flatrate-Karte für alle 13 Vorträge ab dem 4. August nebst Muserumsbesuch kostet 22 Euro, ermäßigt 17 Euro, einzelne Vorträge 7 Euro, ermäßigt 5 Euro. Von der katholischen Kirche sprechen zu diesem Thema: am Sonntag, den 25. August, 15 Uhr, Schwester Diethilde Bövingloh, Vertreterin der Mauritzer Franziskanerinnen in Münster, am Donnerstag, 29. August, 19 Uhr, Weihbischof Wilfried Theising, und am Donnerstag, 5. September, 19 Uhr, Monsignore Reinhard Schadt, Leitender Miliärdekan aus Kiel. Daneben gibt es Vorträge von Vertretern aus Buddhismus, liberalem Judentum, liberalem Islam, evangelisch-reformierter und evangelisch-lutherischer Kirche, der Inneren Mission, der neuapos­tolischen und der altkatholischen Kirche.
Weitere Informationen unter www.wilhelmshavenglaubt.de

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