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Wenn am Mittwoch in NRW die Schule wieder losgeht, ist vieles anders. Für Marlies Baar ist es das erste Schuljahr als Leiterin der Marienschule in Münster. Was sagt sie über nervige Maskenmuffel, politisches Management und katholische Mädchenschulen?
Wenn am Mittwoch in Nordrhein-Westfalen die Schule wieder losgeht, ist vieles anders: Maskenpflicht, Erfahrungen mit digitalem Lernen – und für Marlies Baar ist es das erste Schuljahr als Leiterin der Marienschule in Münster. Was sagt die Neue über nervige Maskenmuffel, politisches Management und katholische Mädchenschulen?
Frau Baar, Anfang März war die Marienschule eine der ersten in Münster, die wegen Corona-Fällen geschlossen wurden. Jetzt geht das Schuljahr wieder los – inklusive Maskenpflicht im Unterricht und einer neuen Schulleiterin, nämlich Ihnen. Wie groß ist Ihre Freude über den Schulstart?
Ich freue mich sehr! Natürlich habe ich auch großen Respekt, weil ich mit der neuen Aufgabe jetzt an vorderster Front stehe und wir nicht so unbeschwert starten wie sonst nach den Ferien. Jetzt haben wir Hygienekonzept und Maskenpflicht, wir haben uns viele Gedanken über Desinfektion und Einbahnstraßen gemacht, damit sich die Schülerinnen nicht so oft begegnen. Aber ich freue mich wirklich darauf, dass alle wieder da sind und wir gemeinsam ins neue Schuljahr starten. Das ist auch für uns Kollegen sehr beglückend. Denn Schule heißt vor allem, in Gemeinschaft zu lernen. Das hat in den letzten Monaten gefehlt. Darauf freue ich mich besonders.
Ihre Schülerinnen müssen auch während des Unterrichts Masken tragen. Haben Sie mal getestet, wie sich das acht Stunden lang anfühlt?
Marlies Baar (48) unterrichtet Geschichte und Latein und ist seit August neue Leiterin des bischöflichen Gymnasiums Marienschule in Münster. | Foto: privat
Das habe ich in der Tat getestet, weil wir im Mai bereits die Abiturientinnen mit Masken unterrichtet haben. Das ist schon anstrengend, keine Frage. Aber ich halte es für sinnvoll, zumal die Infektionszahlen wieder steigen. Die Regel gilt ja zunächst zwei Wochen, das müssen wir abwarten und schauen, wie sich die Zahlen entwickeln. Dann entscheidet das Schulministerium in Düsseldorf. Als Sicherheit für alle halte ich die Maskenpflicht auf jeden Fall für gut. Wir wollen zwar auch so viel wie möglich mit den Schülerinnen rausgehen. Aber wir sprechen von 900 Menschen – und wenn das alle Schulen in Münster machen, ist die Promenade ziemlich schnell dicht.
Wie gehen Sie mit Maskenmuffeln unter Schülerinnen und Lehrenden um?
Eine Maske ist Pflicht! Wenn sich jemand nicht daran hält, müssen wir mit dem Bistum Münster als Schulträger, dem Schulministerium und der Bezirksregierung reden, wie damit umzugehen ist.
Für Busse und Bahnen ist das mit Strafen belegt und für die Schulen gibt es nicht einmal eine Regelung?
Ich denke, dass es jetzt erst einmal um Erfahrungen geht, bevor man Verstöße regelt. Das halte ich auch für richtig. Ohne Juristin zu sein, ist das für mich aber auch eine Frage der Schulpflicht. Wir haben wieder den Präsenzunterricht – und zwar mit der Maskenpflicht, unabhängig davon, ob mir die Maske gefällt. Ich kann ja auch nicht einfach sagen: „Ich mag Mathe nicht, also gehe ich nicht zum Unterricht.“
Wie zufrieden sind Sie überhaupt mit dem Handeln des NRW-Schulministeriums in der Corona-Krise?
Die Krise war und ist für alle eine gewaltige Herausforderung. Nach den Ferien sind wir frühzeitig und klar informiert worden, es gab klare Vorgaben, die man gut umsetzen kann. Vor den Ferien haben wir uns als Schule mitunter alleingelassen gefühlt, weil Entscheidungen spät und wenig einheitlich getroffen wurden. Wenn man abends um 20 Uhr eine Mail mit Anordnungen bekommt, die am nächsten Tag umgesetzt werden müssen, ist das einfach schwierig. Aber wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir mit Masken in die Schule gehen müssen? Das ist ein Szenario aus Netflix-Serien, das wir real nie für möglich gehalten haben.
Wie hat Corona die Zukunft der Schule verändert?
Es hat einen großen Schub in Sachen Digitalität gegeben. Die Arbeit mit digitalen Medien wird den Unterricht weiter verändern. Wir haben gesehen, dass digitales Lernen machbar ist – auch für die Kolleginnen und Kollegen, von denen manche vorher skeptisch waren. Wir haben Fortbildungen angeboten, um alle fit zu machen. Und wir merken: Es ist wirklich eine gute Möglichkeit, Unterricht zu gestalten.
Wie sieht es mit der technischen Ausstattung aus? Stellt die Schule Laptops oder Tablets zur Verfügung?
Der Schulträger, also das Bistum, ist dabei, allen Schülerinnen und Schülern weitere Möglichkeiten für vernetztes digitales Lernen zu geben. Es gibt das Online-Netzwerk „Schulbistum“, das großartig für einen modernen Unterricht ist. Damit können wir übrigens auch den Schülerinnen in ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und in ihrem Leistungsstand gerecht werden.
Was ist mit Familien, die sich das nicht leisten können?
Es gibt ja eine Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen, die diese Ungerechtigkeiten ausgleichen will. Weil wir nicht wissen, wie die Situationen zu Hause aussehen, sind wir gerade dabei, das mit einer Befragung herauszufinden. Und dann braucht es natürlich ein pädagogisches Konzept, denn es kann ja nicht sein, dass zwar die Geräte da sind, sie aber im Unterricht nicht genutzt werden. Wichtig ist eine gute Mischung aus digitalem und analogem Lernen.
Das Ansehen der Kirche in der Gesellschaft hat in letzter Zeit stark gelitten. Wie macht sich das bei den Anmeldezahlen an Ihrer Schule bemerkbar, die ja eine bischöfliche Schule ist?
Rund 900 Schülerinnenbesuchen das bischöfliche Mädchen-Gymnasium Marienschule in Münster. | Foto: Annette Saal
Interessanterweise überhaupt nicht. Wir hatten selber große Bedenken, schon als uns die Missbrauchskrise alle sehr beschäftigen musste. Wir sind vierzügig und sind das in den letzten Jahren immer geblieben. Die Anmeldezahlen sind durchweg stabil geblieben, steigen sogar – wie übrigens auch an den anderen kirchlichen Gymnasien. Einige müssen auch weiterhin Absagen verschicken, weil sie nicht alle Bewerberinnen und Bewerber aufnehmen können.
Wie erklären Sie sich das?
Eltern hören sich schlichtweg um: Wo wird eine gute Arbeit gemacht? Wo ist mein Kind gut aufgehoben? Wo kann es in den nächsten Jahren gut lernen? Katholische Schulen genießen weiterhin einen sehr guten Ruf.
Können auch evangelische, muslimische oder nichtgläubige Mädchen an Ihrer Schule aufgenommen werden?
Das geht alles. Man muss unsere Grundsätze mittragen: das christliche Menschenbild und gemeinsame Schulgottesdienste beispielsweise. Feste Quoten gibt es nicht.
Was unterscheidet für Sie als Schulleiterin eine katholische Schule von einer staatlichen?
Das ist dieselbe Basis, die ich gerade genannt habe. Das trägt unsere gemeinsame Arbeit. Ein Kind besteht eben nicht nur aus einer Note, sondern ist ein Mensch mit Schwächen und Stärken. Das ist uns wichtig. Darüber hinaus bieten wir immer wieder an, sich mit kirchlichen Themen auseinanderzusetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden – und das nicht nur in Religion, sondern auch in anderen Fächern. Das entwickelt mich als Mensch weiter, meine Wertehaltung und mein Urteilsvermögen.
Wie sieht katholischer Sport- oder Mathe-Unterricht aus?
(lacht) Naja, Mathe bleibt Mathe, natürlich. Aber bei Mannschaftssport wie Fußball oder Basketball ist es schon eine Frage, mit der wir uns auseinandersetzen, ob ich andere einfach umrenne, damit mein Team gewinnt, oder ob wir bei allem Ehrgeiz respektvoll miteinander umgehen. Bei Mathe ist das zugegebenermaßen etwas schwieriger. Aber auch da geht es darum, wie ich als Lehrkraft mit Schülerinnen und Schülern umgehe, die nicht so gut mitkommen.
Warum würden Sie einem Mädchen eine Mädchenschule empfehlen?
Solange wir über unerfüllte Frauenquoten sprechen, sind Mädchenschulen angesagt. Oder wie es eine Kollegin von mir sagt: Die Zukunft ist weiblich – oder sie ist gar nicht.