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Haila Manteghi ist eine Frau aus dem Iran, die unter einem theokratischen Regime zur Schule und in die Universität gegangen ist. Sie hat unter diesen islamischen Gesetzen gelebt und gelitten. „Ich weiß, wovon ich spreche“, sagt die 41-Jährige.
Im August dieses Jahres war die Religions- und Kulturwissenschaftlerin, die seit einigen Jahren in Münster lebt, im Iran unterwegs und hat erlebt, wie mutig die Frauen in ihrem Heimatland sind. Ihre Eltern und ihr Bruder leben im Iran. „Ich spreche fast jeden Tag mit ihnen und kann bestätigen, dass die Menschen im Iran voller Hoffnung sind, dass wir dieses Mal endlich gewinnen.“
Frauenrechte werden im Iran missachtet
Teilnehmer der Kundgebung in Münster erwarten von Bundeskanzler Olaf Scholz mehr Solidarität mit der Oppositionsbewegung im Iran. | Foto: Johannes Bernard
Es geht um das Ende des Mullah-Regimes, das in seinem religiösen Fundamentalismus die Menschenrechte und besonders die Rechte von Frauen missachtet. Seit am 16. September 2022 die 22-jährige Jina Mahsa Amini von der iranischen Sittenpolizei zu Tode geprügelt wurde, laufen im ganzen Land Proteste gegen das Regime. „Frauen stehen an vorderster Stelle, um zu zeigen: Frauenrechte sind Menschenrechte“, sagt Haila Manteghi.
In vielen Ländern solidarisieren sich besonders die aus dem Iran stammenden Menschen mit der Protestbewegung. Auch in vielen Städten Deutschlands kommen sie zu Demonstrationen zusammen. In Münster wird fast wöchentlich demonstriert.
„Wir wollen eine Demokratie“
Eine der Organisatorinnen ist Shouresh Shakibapour. Die 42-Jährige kam 1987 als Flüchtlingskind nach Münster. Über das Ziel der Solidaritätskundgebungen sagt sie: „Das iranische Volk strebt nach einer Demokratie, in der jeder entscheiden kann über seine politische Meinung, religiöse Zugehörigkeit und sexuelle Identität. Wir wollen eine Demokratie, in der Meinungs- und Pressefreiheit herrschen.“
Shouresh Shakibapour reiste ebenfalls vor wenigen Monaten in den Iran, um Verwandte zu besuchen. Aus Sicherheitsgründen wird sie das Land derzeit nicht betreten können. „Wer sich für die Abschaffung der Islamischen Republik einsetzt, lebt gefährlich. Jede und jeder kann einfach so verhaftet werden.“
Moschee-Besuch ohne Kopftuch braucht Mut
Haila Manteghi (links) und Shouresh Shakibapour trauen sich, bei den Protesten in Münster ihr Gesicht zu zeigen und das Regime im Iran anzuklagen. | Foto: Johannes Bernard
Es verlangt viel Mut, sich im Iran für die Frauenrechte einzusetzen. Es sind kleine oder große Gesten, die auf Veränderungen abzielen. Als Haila Manteghi während ihrer Reise im Sommer eine Moschee in Isfahan besuchte, ließ sie sich ohne Kopftuch fotografieren.
Frauen haben im Iran nicht dieselben Rechte wie die Männer. Manteghi, eine international anerkannte Religionswissenschaftlerin und Dozentin, erklärt dazu: „Rechte und Pflichten der Frau im islamischen Regime Iran leiten sich von der Scharia und ihrem Rechtssystem aus dem siebten Jahrhundert ab, also ein Leben wie im Mittelalter.“
Unterdrückung im Iran allgegenwärtig
So gelte die obligatorische Kopf- und Körperbedeckung. „Die Ideologie hinter dem Kopftuch basiert auf einem verwirrten Verstand“, mein Manteghi. „Frauen müssen sich bedecken, um Männer nicht sexuell zu provozieren. Welch ein Unsinn!“ In Europa gebe es gebe nur wenige Iranerinnen, die das Kopftuch trügen.
Die Unterdrückung der Frauen im Iran ist allgegenwärtig, meinen die beiden in Münster lebenden Frauen. So dürfe eine Frau das Land nicht ohne Erlaubnis des Ehemanns verlassen. Eine Frau habe kein Sorgerecht für ihre Kinder. Das Erbschaftsrecht bevorteile den Mann. Frauen dürften Stadien nicht betreten. Eine Frau dürfe nicht Richterin werden. Ehrenmorde seien im Iran ein weit verbreitetes Phänomen.
Hoffnung auf Erfolg der Proteste
Manteghi und Shakibapour hoffen auf einen Erfolg der Proteste und der Solidaritätskundgebungen. „Es gibt keinen Weg zurück. Wir werden nicht aufhören, bis das islamische Regime zerstört ist“, sagen sie.
Wie Shakibapour sagt, wünschten sich die Menschen im Iran eine säkulare Regierung. „Die Erfahrung dieser 43 Jahre des islamischen Regimes hat uns gezeigt, dass Religion und Politik getrennt sein müssen.“
Mehr Solidarität gewünscht
Manteghi ergänzt: „Wenn wir es schaffen, das Regime im Iran zu stürzen, wird das die ganze Region verändern und beeinflussen. Die Renaissance in Europa begann in Italien. Die Niederlage des Regimes im Iran könnte der Beginn einer Renaissance in der islamischen Welt sein.“
Zudem wünschen sich die Frauen mehr Solidarität hierzulande. Shakibapour hat für die nächste Zeit mehrere Protestzüge in Münster angemeldet: „Je mehr Leute wir sind, desto mehr werden wir von der Politik gehört. Aber auch die Menschen im Iran sehen, dass wir solidarisch sind. Die Welt darf nicht wegschauen, was im Iran passiert.“