Zum 75. Geburtstag des weltberühmten Regisseurs

Wim Wenders – Vom Engel über Berlin zu Franziskus nach Rom

„Der Himmel über Berlin“ machte ihn einem breiten Publikum bekannt, „Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes“ nicht nur dem katholischen. Früher wollte Wim Wenders sogar Priester werden. Am 14. August feiert der Regisseur seinen 75. Geburtstag.

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Für Wim Wenders haben Künstler eine große Aufgabe: „nämlich zu zeigen, dass hinter dem vordergründigen Schein etwas anderes sein könnte“. Sein Filmschaffen ist eine unablässige Suche nach Bildern, die transparent sind auf dieses „andere“ hin. Auch das jüngste Werk, das filmische Porträt von Jorge Mario Bergoglio, seit 2013 Papst Franziskus, lebt aus dieser Botschaft der Bilder.

Dies schenkt den Werken des deutschen Star-Regisseurs, der am 14. August seinen 75. Geburtstag feiert, ihre zeitlose Bedeutung. Die eigenartige Filmpoesie, etwa in „Der Himmel über Berlin“ (1987), atmet ein Gefühl von Sehnsucht und Freiheit, das auch aus dem amerikanischen Kino bekannt ist. Und sie steht doch ganz in der europäischen Tradition.

 

Göttliche Perspektive und tröstende Begleitung

 

Damit wird jene doppelte Herkunft von Wenders' Schaffen augenfällig, die im Titel eines weiteren Welterfolgs anklingt: „Paris Texas“ (1984). Für ihn erhielt er die Goldene Palme von Cannes - nur eine der zahlreichen Auszeichnungen für Streifen wie „Der amerikanische Freund“ (1977), „Der Stand der Dinge“ (1982) oder „In weiter Ferne, so nah“ (1993). Mit ihnen schrieb er sich in den Kanon des Weltkinos ein. Auch im Dokumentarfilm machte er Filmgeschichte: Für „Pina“ erhielt er 2011 den Deutschen Filmpreis und Dokumentarfilmpreis.

Die Dramaturgie seiner Werke folgt oft der Intuition, dem Prinzip des offenen Erzählens. So prägen sich dem Zuschauer weniger einzelne Spannungsmomente ein, sondern eher eindrückliche Bilderwelten. Etwa jene von Bruno Ganz, der als Engel von der Berliner Gedächtniskirche auf das Treiben der Menschen schaut. Der Film lebt aus dieser gleichsam göttlichen Perspektive tröstender Begleitung. Sehr viel später sagte Wenders in einem Interview über seine wiedergefundene christliche Überzeugung: „Der Glaube an Gott öffnet einem immer auch diese Sicht, in der alles in andere Proportionen gerückt wird.“

 

Ein Leben voller Suche

 

Wie Martin Scorsese trug sich Wenders in jungen Jahren vorübergehend mit dem Wunsch, Priester zu werden. Nach anderweitigen Studienanläufen wollte er Maler werden. Doch verkaufte er nur ein Werk, ein Porträt von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger, und das an seinen Freund, den Schriftsteller Peter Handke. Seine ersten Filme verstand Wenders daher als „Fortsetzung der Malerei mit andern Mitteln“.

Der Durchbruch gelang ihm mit „Alice in den Städten“ (1974) - ein Roadmovie, das auch ein biografisches Thema behandelt: der Mensch unterwegs. Wenders' Leben verlief unstet, auf der Suche, mit langjährigen Aufenthalten in Frankreich und den USA. Inzwischen gehört er neben Werner Herzog, Volker Schlöndorff oder Rainer Werner Fassbinder längst zu den Vorreitern des neuen deutschen Films.

 

Ballett und Punk

 

Sein Schaffen bleibt zugleich von einer Vielseitigkeit und Experimentierfreude geprägt wie bei kaum einem anderen Kollegen. Er erwarb sich einen Namen als Filmkritiker und Fotograf. 1989 stand er der Jury des Internationalen Filmfestivals in Cannes und 2008 jener der 65. Filmfestspiele in Venedig vor.

Mit den späteren Werken konnte er nicht mehr an die Publikumserfolge der 80er und 90er Jahre anknüpfen. Doch honorierten Publikum und Kritik bislang jede Produktion. „Am Ende der Gewalt“ (1997) erhielt das Filmband in Gold und „The Million Dollar Hotel“ (2000) den Silbernen Bären der Berlinale. „Pina“ und „Das Salz der Erde“ (2015) wurden beide für einen Oscar nominiert.

Für Aufsehen sorgten Musiker-Dokumentationen wie „Buena Vista Social Club“ (1999), der ebenfalls eine Oscar-Nominierung erhielt, und „Viel passiert - Der BAP-Film“ (2002). Mit dem Frontmann der „Toten Hosen“, Campino, drehte Wenders 2008 „Palermo Shooting“ und war damit erneut beim Wettbewerb von Cannes dabei.

 

Kirchlicher Filmpreis aus Recklinghausen

 

Im März 2019 erhielt Wender den Ehrenpreis des Kirchlichen Filmfestivals Recklinghausen. Mit dem Ökumenischen Preis wurde die Dokumentation „Of Fathers and Sons  -  die Kinder des Kalifats“ ausgezeichnet. Wenders facettenreiches Werk rücke „den Menschen und die Menschlichkeit in den Vordergrund“, hieß es am Sonntagabend bei der Preisverleihung in Recklinghausen. Besonders lobten die Veranstalter Wenders Film „Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes“, das „ein starkes Plädoyer für Umwelt- und Klimaschutz, Ethik und Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Solidarität“ sei. 

Da die Filmfestspiele in diesem Jahr coronabedingt ausfielen, feierte Mitte Juni die Dokumentation „Wim Wenders, Desperado“ in Hamburg ihre Premiere. Damit wurde sie gleichsam ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk der Filmemacher Eric Friedler und Campino an den einflussreichen Vertreter des Gegenwartskinos. Eine Hommage an den verwegenen, ungeduldigen Künstler, der auf der steten Suche nach dem vollkommenen Bild sagt: „Bilder in ihrem reinsten Sinne wollen 'Engel' sein.“

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