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Je mehr Menschen aus der Kirche austreten, desto mehr denken auch darüber nach, ebenfalls auszutreten, befürchtet Religionssoziologen Detlef Pollack. Austrittswellen habe es immer wieder gegeben, allerdings steigt auch das Niveau der "Austrittstäler", beobachtet Pollack. Unterschiede zu den Austrittsursachen macht Pollack zwischen den Konfessionen aus.
Die Zahl der Kirchenaustritte wird aus Sicht des Religionssoziologen Detlef Pollack eher nicht zurückgehen. "Ich könnte mir vorstellen, dass sich mit dem Anstieg des Austrittsniveaus eine Eigendynamik entwickelt, die dazu führt, dass je mehr austreten, auch desto mehr darüber nachdenken, ebenfalls auszutreten", sagte er im Interview des Portals katholisch.de am Donnerstag. Diese Prozesse ließen sich schwer abschätzen, da sie von vielfältigen Faktoren abhingen - etwa der Familie, aber auch der Gesellschaft.
In den vergangenen 50 Jahren habe das Niveau der Kirchenaustritte stark geschwankt, erklärte Pollack. So habe es immer wieder "Austrittswellen" und danach einen Rückgang bei den Austrittszahlen gegeben. "Beunruhigend aber ist, dass das Niveau dieser 'Austrittstäler' über die Jahrzehnte immer weiter angestiegen ist." Früher habe das Niveau bei etwa 0,5 Prozent der Kirchenmitglieder pro Jahr gelegen, heute sei es auf über 1 Prozent gestiegen.
Konfessionen haben unterschiedliche Gründe für Austritte
Unterschiede machte der Wissenschaftler zwischen den Konfessionen aus. Die Entfremdung zwischen Protestanten und ihrer Kirche habe zumeist "mit einem religiösen und kirchlichen Desinteresse zu tun", sagte er. Anders sei es bei den Katholiken, "deren Kritik an der Institution Kirche und ihren verhärteten Strukturen teilweise harsch ausfällt, die sich aber ihrer Kirche insgesamt doch mehr verbunden fühlen als die Evangelischen." Unzufriedenheit mit der Ortsgemeinde oder dem dortigen Personal spiele indes kaum eine Rolle für Austritte, so Pollack: "Stets ist es eher die große Institution, die Skepsis auf sich zieht".
Auch in anderen Ländern wie Irland und den USA kehrten vermehrt Menschen der Kirche den Rücken, fügte der Experte hinzu. In manchen Ländern wie Irland, Polen oder Kroatien bestehe allerdings eine Verbindung zwischen politischer und religiöser Orientierung. "In Deutschland sind nach der Katastrophe des Nationalsozialismus Kirche und Religion jedoch nicht mehr national verankert, sodass sich die Kirchen hierzulande nicht mehr darauf verlassen können, durch diesen Zusammenhang gestärkt zu werden."