Roadstory (7): Westfälisch, katholisch, bodenständig

Wo „Bombenbernd“ das Licht der Welt erblickte

Wie ein Gitternetz liegen die Autobahnen über dem Bistum Münster. Hinter jeder Abfahrt warten spannende Geschichten. Heute nehmen wir auf der A1 die Ausfahrt 97a Richtung Münster-Hiltrup und gelangen in das Dorf Rinkerode bei Drensteinfurt.

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Wie ein Gitternetz liegen die Autobahnen über dem Bistum Münster. Hinter jeder Abfahrt warten spannende Geschichten. Heute nehmen wir auf der A1 die Ausfahrt 97a Richtung Münster-Hiltrup und gelangen in das Dorf Rinkerode bei Drensteinfurt.

Wenn Pfarrer Clemens Röer beginnt, von Rinkerode zu schwärmen, hört es sich an, als ob er über seinen Geburtsort spricht. So fundiert und detailliert taucht er in die Geschichte und Geschichten des Dorfes südlich von Münster ein. Der 83-Jährige kam aber erst als Emeritus vor zwölf Jahren dorthin. Dass er seine neue Heimat ins Herz geschlossen hat, hat viele Gründe.

Ein Grund ist sein Lieblingsplatz im Garten seines Pfarrhauses. „Genau hier“, sagt er zu Besuchern und stellt sich vor das klein Backhaus rechts neben dem Apfelbaum. Sein Blick geht über das 300 Jahre alte Fachwerkhaus, in dem er wohnt, über das satte Grün der vielen hohen Bäume hinauf zum Turm der St.-Pankratius-Kirche. „Einen schöneren Blick gibt es hier nicht.“

 

Notsitze im Chorgestühl

 

Das Dorf ist nicht nur schön, sondern auch spannend. Viele historische Gebäude halten eine Historie lebendig, die im besten Sinn westfälisch, katholisch und bodenständig ist. Röer fängt bei seinen Erklärungen in seiner Pfarrkirche an, jenem Spätbarockbau, in der er fast in jeder Ecke eine Anekdote erzählen kann. Etwa jene vom Chorgestühl, bei dem sich die geistlichen eine kleine zusätzliche Sitzgelegenheit auf die hochgeklappte eigentliche Sitzfläche schreinern ließen. „Weil sie im Stehen das schwere Gebetbuch in der Hand halten mussten“, erklärt er. „Auf dem kleinen Notsitz konnten sie die Arme links und rechts auflegen.“

Der Pröpstinghof direkt neben St. Pankratius kann als Keimzelle des Ortes gesehen werden. „Der Name ist auch die Erklärung“, sagt Röer. „Pröpsting heißt so viel wie: dem Propst gehörend.“  1241 zum ersten Mal erwähnt und damit noch vor der Kirche erbaut, war der Hof Eigentum des münsterschen Domkapitels. Rundherum entwickelte sich das Dorfleben – durch Abholzung des dichten Waldgebiets wurde Platz dafür geschaffen. Wieder weiß Röer mehr. „Daher kommt auch der Name Rinkerode – es wurde ringsherum gerodet.“

 

Die Bescheidenheit der Westfalen

 

Auch zwei Adelsfamilien siedelten sich an, deren Bauten heute noch die absoluten Hingucker des Ortes sind. Im Westen, Richtung Naturschutzgebiet Davert, gibt es zwei Wasserburgen, deren einfache Namen nichts von ihrer Pracht verraten – Haus Borg und Haus Bisping. Auch dafür hat Röer eine Erklärung, die er dieses Mal schmunzelnd gibt. „Das ist die bodenständige Bescheidenheit der Westfalen – hier heißen die Schlösser einfach nur Häuser, in anderen Regionen wird jedes größere Haus sofort Schloss genannt.“

Eine Bezeichnung, die beiden Häusern gerecht würde. Eingerahmt von idyllischen Alleen, Gärten und See haben sie baulich vieles von ihrer historischen Eleganz erhalten. Mit dem Bau von Haus Borg mit seiner Vor- und Hauptburg wurde im 15. Jahrhundert begonnen. Sie stehen auf drei Inseln, die Brücken miteinander verbinden. Bis 1988 war es im Besitz der Adelsfamilie von Kerckerinck. „Sie war auch der Kirche in Rinkerode eng verbunden, haben eine eigene Kapelle an die Pfarrkirche angebaut und sich sozial engagiert“, weiß Pfarrer Röer. „Noch heute existiert die Von-Kerckerinck-Borgsche Krankenhausstiftung zur Heiligen Familie“.

 

Der prominenteste Rinkeroder

 

Über die Region hinaus bekannter ist aber die zweite Adelsfamilie, die unweit von Haus Borg ihren Sitz hatte: Die von Galens. Von ihrem einstigen Besitz ist allerdings nur noch ein Torhaus und Teile der Gräften erhalten. An diesem Ort begann die Lebensgeschichte des wohl prominentesten Rinkeroders: Christoph Bernhard von Galen wurde hier 1606 geboren. Der spätere Fürstbischof von Münster ist vielen als „Bombenbernd“ bekannt, weil er in der Gegenreformation auch militärisch gegen die vorwiegend protestantischen Gebiete in den Niederlanden vorging.

Beide Wasserburgen sind heute im Privatbesitz und nicht zu besichtigen. Die Wege an ihnen vorbei entschädigen aber: viel Wasser, viel Grün und beeindruckende Blicke auf die Bauwerke. Die Geschichte des kleinen Ortes südlich von Münster wird dort lebendig – westfälisch, katholisch, bodenständig.

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