Michael Rottmann zur Debatte über Sterbehilfe

Wollen wir das wirklich?

Die Diskussion um die Sterbehilfe in Deutschland ist in vollem Gange. Gerade haben die Bischöfe auf eine Anfrage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geantwortet. Es geht um viel, meint Michael Rottmann.

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Die Diskussion um die Sterbehilfe in Deutschland ist in vollem Gange. Gerade haben die Bischöfe auf eine Anfrage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)  geantwortet. Es geht um viel, meint unser Redakteur Michael Rottmann.

Ohne Gegensteuern könnte Sterbehilfe bald zur Normalität in Deutschland werden. Grund ist ein Spruch des Bundesverfassungsgerichts. Das hat das bisher geltende Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe verworfen. Damit wächst der Druck auf schwerstkranke Menschen.

Sie könnten sich unter einem neuen Zugzwang sehen, nach dem Motto: „Wenn ich solche Schmerzen habe, wenn es nie wieder besser wird, dann sollte ich diesen Schritt in Betracht ziehen. Wo doch das mit der Sterbehilfe jetzt erlaubt ist und sogar Karlsruhe es abgesegnet hat.“

 

„Ich bin ja doch nichts mehr wert“

 

Da muss es irgendwann auch gar nicht mehr um Verzweiflung angesichts unerträglicher Schmerzen gehen. Da reicht dann womöglich schon das Gefühl, Angehörigen und Gesellschaft nur noch zur Last zu fallen. Der Eindruck: „Ich bin ja doch nichts mehr wert.“

Durch das Karlsruher Urteil, besonders durch seine Überbetonung eines Freiheits- und Autonomiegedankens jedes Einzelnen, hat das daraus abgeleitete Recht auf Selbsttötung eine höchst fragwürdige Aufwertung erfahren. Vom tragischen, letzten Ausweg eines Verzweifelten zu einer „gewöhnlichen“, gesellschaftlich akzeptierten Wahl-Möglichkeit.

 

Aus einem eingeräumten Recht droht eine gefühlte Pflicht zu werden

 

Das setzt Betroffene, die sich dagegen entscheiden, unter enormen Rechtfertigungszwang. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass dieser Druck mehr ist als bloß eine abstrakte Gefahr. Gerade das macht die Sache so gefährlich: Aus einem eingeräumten Recht droht eine gefühlte Pflicht zu werden. Die hat dann auch nur noch wenig zu tun mit der von den Verfassungsrichtern hervorgehobenen Freiheit und Selbstbestimmung, im Gegenteil.

Wir dürfen Menschen nicht verurteilen, die in aussichtslosen Extremsituationen keinen anderen Ausweg mehr sehen. Aber möchten wir wirklich eine Welt, in der schwerkranke Menschen sich dafür entschuldigen müssen, dass sie noch weiterleben wollen?

Haben Sie Suizidgedanken? Hier gibt es Hilfe
Menschen mit Suizidgedanken können sich an die Telefonseelsorge wenden. Sie ist unter den Rufnummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222 täglich rund um die Uhr erreichbar. Sie berät kostenfrei und anonym. Der Anruf findet sich weder auf der Telefonrechnung noch in der Übersicht der Telefonverbindungen wieder. Es gibt auch eine E-Mail-Beratung. Der Mailverkehr läuft über die Internetseite der Telefonseelsorge und ist daher nicht in Ihren digitalen Postfächern zu finden. Hier geht es zur Telefonseelsorge.

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